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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Ottmann, Franz: Gedächtnisausstellung Franz Rumpler (1848/1922) im Wiener Künstlerhaus, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0237

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die Haut, oft rieseln Schauer der Wollust über ten damals in Europa tobten, keine Stimmungs-
alle Nerven — was für Ekstase liegt doch in den maierei, die den verschwebendsten Regungen
Farben! Sehr viel Blumenstücke, berauschend in der Atmosphäre nachgeht. Alles kreist um diesen
ihrer Immaterialität, und selbst Menschen und einen Mittelpunkt. Farbe, nicht durchsichtig klar
Landschaften wie Blumenstücke behandelt. Dieser wie Edelsteine, sondern wie irgendein mystischer
Nelkenstrauß hier, ist er auf die Leinwand gemalt, Stoff, Farbe zu etwas Überirdischem erhoben und
den perlgrauen Grund, oder auf das Glas davor? alle Leidenschaft darin ausgewettert, alle Gedanken
Es ist der lezte Extrakt gegeben, gemalter Nel- darin ertränkt, alle Zweifel darin beruhigt. Leben,
kenduft, Nelken in Musik gesetzt und diese wie- Genuß, Begeisterung, alles hoch gesteigert, alles
der in Farben zurückverwandelt. Seine Stilleben, in letzter Potenz. Und darin so ganz Österreicher,
seine Stoffe, — es ist nicht das Material in seiner daß er den Ton sucht, die Tonigkeit, die Har-
Eigenheit, Seide, Glas, Metall, immer nur dieses monie, die Farbenwertigkeit in ihrer gegenseitigen
berückende Klingen und Singen der Farbe, das Beziehung. Darüber wird die Form so vernach-
die Seele völlig auflöst ins Grenzenlose. Ein Brah- lässigt, daß sie zuweilen verblasen wirkt, die Linie
mane, der in verzücktem Schauen, nur Schauen nur mit der Farbe ausgedrückt,
die Welt vergißt und zur höchsten Seligkeit, zum Viele haben später Ähnliches gesucht — an
Nirwana gelangt. Aber ein großer Künstler zu- Schuch kommt er am nächsten heran — bis diese
gleich... Entwicklung in Cezanne endete. Bei ihm ist
Rumpier ist 1848 in Tachau (im deutschen Eger- der Rausch zum Pathos erhoben, alles ist mit
lande) als Sohn eines armen Herrgottschnitzers größerer Kraft der Anschauung, mit reinerem
geboren, kam durch aristokratische Patronanz an Formgefühl gesehen, das Süße fehlt vollständig,
die Wiener Akademie, zuerst zu Engerth, dann Aber immerhin, als Vorläufer Cezannes ist Rump-
zu Eybl. Jettel und Schindler waren seine Käme- 1er am ehesten zu verstehen. Cezanne riß sich
raden. Er geriet notwendig unter den Einfluß noch kühner von der baren Wirklichkeit los, war
Makarts, half ihm sogar bei den Vorbereitungen konsequenter in der Nur-Farbigkeit und zerflatterte
zum Festzuge 187g (wie einige Proben zeigen). kraft seines Rationalismus doch nie im perligen
Mit einem Stipendium Sedelmayers, das dieser Geriesel, im Schaum und Sturz der Farbe. Bei
aus dem großen Gewinn von Munkacsys „Christus Rumpier ist alles enger, unproblematischer, pri-
vor Pilatus" ausgesetzt hatte, ging er nach Paris, mitiver. Aber in der Einheit des Werkes, in der
doch scheint er dort keine tiefe Einwirkung er- völligen Hingabe an einen unstillbaren Drang, im
fahren zu haben. Und was ihm späterhin noch unbändigen Hinausjubeln eines beständig neu
begegnete, alles hat er mit unerbittlichem Müs- quellenden, das ganze Gemüt durchdringenden
sen und sehr bald meisterlichem Können ver- Gefühles liegt doch auch hier eine stille Größe,
wandelt, indem er es in sein Farbenelixir tauchte. die dem grüblerischen Meister, den Farbenmysti-
Kein Naturalismus, der die ganze Welt umfas- ker von Klosterneuburg, endlich zugebilligt Wer-
sen möchte, kein Impresionismus, dessen Schlach- den sollte. Franz Ottmann

WOLF HUBER MARCUS CURTIUS

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