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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Schmitz, Hermann: Grundsätzliches zur religiösen Kunst der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0308

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MAX LIEBERMANN

Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin.

ENKELIN MIT WÄRTERIN
— Mit Genehmigung von Paul Cassirer, Berlin

Der Gegenstand, um den es sich handelt,
ist von einem so hohen Ernst nicht nur des-
halb, weil er die höchsten und letzten Fragen
betrifft, sondern weil die Beschäftigung damit
eine ungeheuere Verantwortung gegenüber dem
Gemütsleben des Volkes in sich schließt. Die
Gefahr ist keine geringe, daß unüberlegte
Schritte zur Gefährdung der religiösen Emp-
findung des Volkes führen; daß, indem man
die tatsächlich veralteten und schwachen Werke
der überlieferten Richtung verwirft, man da-
für ungegorene neue Schöpfungen an ihre
Stelle setzt, die zu Steinen des Anstoßes wer-
den und die Seele der Gläubigen erst recht
verletzen. Die religiöse Darstellung ist ein
Symbol des Göttlichen. Mit ihrer Form muß
sich deshalb im Gemüt des naiven Menschen
die Vorstellung von dem Göttlichen selbst un-
lösbar verbinden. Guardini, einer der Führer
unter den katholischen Theologen unserer Zeit,
hat darauf hingewiesen, wie stark dem Ge-
dächtnis des heranreifenden Kindes das Bild
der Gottesmutter oder des Christus, vor denen
es seine Gebete verrichtet, sich einprägt, so-
daß der erwachsene Mensch im Kampfe des
Daseins und der Glaubensanfechtung nur
schwer die Vorstellung dieser Gottesbilder los-

werden kann. Eine süßliche oder häßliche
Christusfigur verfolgt den naiven Menschen
bis in sein späteres Leben und es bedarf vieler
innerer Arbeit, ehe er von diesen Jugendein-
drücken sich befreien kann.

Eine sachliche Aussprache über die religiö-
sen Kunstfragen läßt sich am ehesten auf den
Gebieten des Kirchenbaues und des Kunst-
handwerks herbeiführen, weil sich da die for-
malen Dinge klarer fassen lassen, als in der
figürlichen Plastik und Malerei, in denen der
seelische Ausdruck mitzusprechen hat. Kir-
chenbau und Kunsthandwerk stehen mit Fug
auch im Mittelpunkt der Tagungen und lite-
rarischen Besprechungen aller Freunde reli-
giöser Kunst.

Für Deutschland ist die Erörterung dieser
Fragen durch die Spaltung unseres Volkes in
die katholische und die evangelische Religion
weit schwieriger als für die Länder mit einer
einheitlichen Kirche. Dies trat wieder in den
Vorträgen der dänischen, schwedischen und
englischen Geistlichen auf dem jüngsten Ber-
liner Kongreß vor Augen. Der katholische
Kirchenbau gestaltet das Gotteshaus in erster
Linie aus als Stätte der Anwesenheit Gottes,
als Andachtskirche, als Sakralbau, in dem die

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