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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Rentzsch, Johannes: Zur Ausstellung "Romantik und Biedermeier"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0336

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J. SCHNORR VON CAROLSFELD DAS GLEICHNIS VON DEN ÄHREN

durch die Bühne vermittelter Gehalt, wie man an Für viele ist Italien kein notwendiges, höchstens
Schinkel und Blechen sieht. Für diese Mystik ein klärendes Erlebnis. Sie finden im Volksleben
fehlt eine malerische Tradition, doch hat die klassi- Italiens Anschluß ans Leben, sie finden Natur
zistische Landschaft auf römischem Boden vor- und Heimat auf dem Umwege über die Fremde,
gearbeitet. Für einen hohen Stil der „Gedanken- Mitten inne zwischen malerischem und zeichneri-
malerei" stand nichts als die Antike zur Verfügung. schem Stil gelangt man von der Staffage zur
Für die Nazarener wäre also der Schritt zur Illustration, durch die Kraft romantischer Stirn-
Realisation ihrer betont christlichen Weltanschau- mung zu Märchen, Sage und Erzählung. Das ist
ung in einer andern als der von ihnen übernom- die Bedeutung für L. Richters und Schwinds
menen Form eine größere, gar nicht im Gesichts- Stellung in der neutralen Mitte der Ausstellung,
felde der Zeit gelegene Leistung gewesen. Denn Der Schritt vom Romantiker zum Biedermeier
im Quattrocento fanden sie Innigkeit, bei Raffael bedeutet Versöhnung von Kunst und Leben, einen
Hoheit. Sie sind nicht einfach Kopisten geworden Schritt zur Wirklichkeit. In lokaler Begrenzung
trotz den Anklängen an Kompositionsschemata von München und Berlin verklärt mit der Stimmung
Peruginos undRaffaels. Der gotische Naturalismus der Zeit die Enge des Alltags der köstliche Humor
schützte davor. Die Tragik liegt nicht im Verlust Spitzwegs wie der aufdringliche Hosemanns; da
der Farbe, sondern dies letztere ist eine Folge schlägt sich der äußere Gehalt der Zeit an Romantik
des Mangels an Aufgaben im Fresko. Denn die nieder im Militär- und Kriegsbild W. v. Kobells
Zeichnung als Endzweck findet sich ebenso häufig und Krügers. Nüchtern aus handwerklicher Ge-
bei der norddeutschen Romantik, andrerseits führte sinnung bei diesem, malerisch durch Einfühlung in
auch das Sonnen- und Formenerlebnis Italiens die feine atmosphärische Stimmung der Holländer
zur malerischen Stimmungslandschaft der Rohden, bei jenem. Poetisch verschmilzt Natur und Leben
Fohr, Dahl und Blechen. Die nord-und süddeutsche der Bauern und Kinder das Genrebild Bürkels
Begrenzung ist daher nicht ausschließend: Nam- und Waldmüllers, während die heroische Gebärde,
hafte Nordländer (Oldach, Wasmann, Speckter ins Malerische versetzt, aus Mangel an Anschauung
u. a.) tauchen bei den Nazarenern unter, Naza- an ihrem Widerspruche erkaltet z. B. bei Preller.
rener dagegen 'sprengen die Fesseln ihrer Stil- Im Bildnis zeichnet die ganze Epoche sich aus;
erziehung, so Olivier, Nerly, Rohden. Nur der hier ist die Wirklichkeit, wo Tradition, Erfahrung
Verzicht auf Anschauung führt zu Dekoration und Anschauung sich zusammenfindet. Da gelingt
und Akademismus der Veit, Cornelius und Schadow. auch einem unbedeutenden Akademiker einMeister-

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