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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

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Polaczek, Ernst: Von alter Glasmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.6476#0047

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Dr. E. Polaczek: Von alter Glasmalerei.

ungleichfarbige Glasscheiben zusammen,
so entstand ganz von selbst ein mosaik-
artiges Muster, das freilich einer eigent-
lichen Zeichnung noch völlig entbehrte.
Immerhin war es leicht möglich, von diesem
Punkte aus nach zwei Richtungen fortzu-
schreiten : Man konnte erstens farblose
Glasscheiben mit farbigen zusammen-
stellen, oder sie ganz durch solche ersetzen;
und zweitens lag der Gedanke nahe, der
Zusammensetzung solcher Scheiben eine
Zeichnung zu Grunde zu legen. Die Ana-
logie mit der Technik des Bodenmosaiks
liegt klar zu Tage. Wann diese entschei-
denden Schritte geschehen sind, wissen
wir nicht genau; doch ist es zweifellos,
dass die Hauptkirchen in Italien und Frank-
reich bereits im fünften, in Deutschland
vom achten oder neunten Jahrhundert an
Fensterverglasungen, wahrscheinlich sogar
farbige, besessen haben.

Erst von dem Augenblicke an, da
farbige Verglasungen auf Grundlage von
Zeichnungen hergestellt werden, darf man
von Glasmalerei reden. Sicher ist man auf
dem Wege über geometrische oder tep-
pichartige Muster sehr bald zur eigent-
lichen Figurendarstellung vorgedrungen.
Aus litterarischen Zeugnissen geht hervor,
dass man stellenweise bereits im zehnten
Jahrhundert, wenn nicht sogar im neunten,
so weit war. Sobald man aber Figuren
darstellte, kam man mit der bloss musi-
vischen Zusammensetzung farbiger Glas-
stücke nicht mehr aus; der Wunsch musste
rege werden, durch eine Modellierung,
wenn auch nur bescheidener Art, den
Eindruck der Körperhaftigkeit dieser Ge-
stalten zu erhöhen. Man begann also die
farbigen Glasscheiben zu bemalen, zuerst
wohl mit gewöhnlichen Farben, dann aber,
als sich deren Unzulänglichkeit erwiesen
hatte, mit einbrennbaren Schmelzfarben.
Das Schwarzloth - die wichtigste dieser
Farben — diente hauptsächlich zur Angabe
der inneren Contouren und zur Modellier-
ung bezw. Schattierung. Eine weitere
Bereicherung bot dann die Ueberfangtech-
nik. Durch Aufeinanderschmelzen zweier
oder mehrerer verschiedenfarbiger Glas-

schichten gelang es eine grosse Reihe von
Farbennuancen herzustellen. Andere Kunst-
mittel sind dann das Ausradieren heller
Ornamente aus den mit Schwarzloth an-
gelegten Flächen, und das Ausschleifen
der Ueberfangschicht.

Mit diesen an sich bescheidenen Hand-
werksmitteln gelang es der alten Glas-
malerei, die Aufgaben, die ihr zufielen, in
ganz ausgezeichneter Weise zu lösen, in-
dem sie sich dienend als Glied dem Ganzen
anschloss. Es ist ganz zweifellos, dass wir
uns, auch in romanischer Zeit, die bedeu-
tenderen Kirchenräume durchaus farbig
zu denken haben. Waren aber die Wände
bemalt, dann war auch farbige Verglasung
der Fenster eine Notwendigkeit. Das
Fenster bleibt dabei durchaus Raumab-
schluss, durchaus Theil der Wand. Die
Haupteontouren werden in kräftigen,
derben Linien durch die Verbleiung ge-
geben, die Nebencontouren mit Hilfe des
Schwarzloths. Man geht im XII., XIII.,
auch noch im XIV. Jahrhundert keines-
wegs auf bildmässige Wirkung aus; man
will keinen Raum darstellen, sondern man
füllt entweder die ganze Fläche teppich-
artig — wobei die Erinnerung an die
Teppiche, mit denen man ehedem die
Fenster verhängte, mitgewirkt haben mag
— oder man stellte grosse, repräsentativ
aufgefasste Figuren vor farbigen Grund.
Viel seltener sind mehrfigurige Darstell-
ungen, und auch bei diesen geht die Ab-
sicht noch keineswegs auf naturgetreue
Schilderung; auch sie spielen sich vor
idealem Grunde ab. Es wäre natürlich
falsch, wollte man behaupten, diese Glas-
maler des frühen Mittelalters hätten in
ästhetischer Erkenntnis der ausschliess-
lichen Berechtigung ihres Stils auf alle
naturalistischen Ausdrucksmittel freiwillig
verzichtet. Wir Rückschauenden haben
gewiss das Recht, zu urtheilen, der Flä-
chenstil sei der einzige dem Wesen der
Glasmalerei angemessene; aber die Glas-
maler des spätromanischen und des Ueber-
gangsstils haben weder bewusst noch un-
bewusst diese Erkenntnis gehabt. Sie
arbeiteten wie sie konnten, im allgemeinen
 
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