Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 1.1900-1901

DOI Artikel:
Die Ausbildung der Dessinateure in ober-elsässischen Ateliers
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6476#0190

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Ausbildung der Dessinateure in oberelsässischen Ateliers.

Frage ventiliert, ob man den Sohn in die
« Lehr» zu einem Dessinateur geben, ob
man ihn so in einen Beruf einführen solle,
der sich über die anderen Handwerke, zu
denen er trotz seiner anerkannten Bedeut-
ung gezählt wird, so hoch erhebt, wie das
Bankgeschäft über den Käsehandel.

Gewöhnlich sind die Jungen selbst
Feuer und Flamme für den Zeichnerberuf, bei
welchem sie die beste Aussicht haben, ein
«Fitzer» zu werden, und, nach absolvierter
Lehrzeit zum Jüngling herangereift, die
höhere Weihe sowohl als Dessinateur, wie
als Mensch in Paris zu erhalten und damit
den höchsten Traum eines oberelsässischen
Jünglingsherzens in Erfüllung gehen zu
sehen. Hat der Vater durch die Zeichnungen
seines Sprösslings sich vom «Genie»
desselben überzeugt, so wandert er mit
ihm zum « Patron » eines Ateliers, bei
dem Verwandte oder gute Freunde die
Aufnahme vorbereitet haben und wo Beide
sehr liebenswürdig empfangen, in den
Salon geführt, mit heiliger Scheu den
Wohlstand musternd, den ebenfalls zu
erreichen der Sohn soeben den ersten
Schritt zu thun im Begriff ist. Der Vater
lobt dem Patron gegenüber den Sohn
gegen Pflicht und Gewissen, der Patron
prüft die « von Hand » gemachten Zeich-
nungen mit gönnerhafter Milde, der Zu-
kunftdessinateur verpflichtet sich gewöhn-
lich durch Handschlag drei Jahre unent-
geltlich alles zu thun, was der Patron von
ihm verlangt, und die Pforten der Kunst
sind ihm geöffnet. Ich will hierbei gleich
bemerken, dass auch häufig Lehrgeld be-
zahlt wird, was den Vorteil hat, dass der
Lehrjunge weniger « Mädchen für Alles »
ist, zu Gunsten seiner zeichnerischen Aus-
bildung.

Bis hierher ist die Einführung in den
Beruf viel schöner wie auf der Schule,
wo der Schüler von dem ernst gemessenen
Lehrer nach Name, Geburtsort, u. s. w.
gefragt, als Nummer so und so viel ein-
getragen und in dem öden Lehrsaal an
den Tisch gesetzt wird und sein Pensum
Arbeit bekommt. Aber bald wendet sich
das Blatt zu Gunsten der Kunstgewerbe-

schulausbildung, nicht nur in Bezug auf
Annehmlichkeiten, sondern in Bezug auf
Vielseitigkeit und intensives Ausnutzen
der Zeit.

Einige grosse Ateliers, die 30 und
mehr Leute beschäftigen, haben nicht
mehr den intimen, characteristischen Ty-
pus der kleineren Ateliers, wo der Be-
sitzer alles ist und alles besorgt. In diesen
Ateliers vertreten ein oder mehrere Chefs
d'atelier den Patron, der als Gentleman
oft nobleren Passionen huldigt, als ins
Atelier zu kommen und die Leiden und
Freuden mitzukosten.

Der Patron der kleineren Ateliers
arbeitet gewöhnlich zur besseren Controlle
unter oder vielmehr hinter seinen « Ar-
beitern », absolut nicht zur Freude der-
selben, er überwacht alles, besorgt selbst
den Verkauf und dressiert auch selbst seine
Lehrbuben. Die Thätigkeit eines echten
Patrons von altem Schrot und Korn ist
sehr vielseitig, und er versteht selbst-
verständlich alles am Besten. Er zeigt den
Lehrbuben, wie man die Treppe kehrt,
wie man Feuer anmacht, er schneidet das
Papier allein richtig zu, er nur klebt die
Muster gerade auf, er kann tadellos ra-
dieren, er macht die besten Muster und
rettet verpfuschte, seine Uhr geht allein
richtig und seine Weine sind die reinsten.
Seine Vollkommenheit macht ihn häufig
zum Original, und der arme kleine Lehr-
junge dem, bei allem was er thut, seine
geistige und körperliche Unvollkommenheit
durch strengen Tadel, auch wohl durch
Handgreiflichkeiten, deutlich gemacht wird,
strebt von der ersten Stunde an, mit der
er den mühevollen Künstlerdornenpfad
betreten hat, darnach, auch ein so viel-
seitig vollkommener Patron zu werden,
um seine Lehrbuben später ebenso drillen
zu können.

Die erste Unterweisung zur Dessi-
nateurkunst besteht in der Angewöhnung
von Reinlichkeit bei der Arbeit; diese wird
durch Reinemachen des Ateliers von den
Lehrbuben erlernt. Die Jungen, welche,
wie die in Mülhausen, die Zeichen-
schule besuchen, deren Unterrichtsstunden
 
Annotationen