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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 1/2
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Vermischte Mittheilungen
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großer Freiheit, an die Augsburger und Nürnberger Vorbilder
des IS. Jahrhunderts hält. Auf die einzelnen, zum Theil sehr
bedeutenden Leistungen, kommen wir später zu sprechen. Line
vierte, ebenfalls selbstständige Richtung, ist die kirchliche Gold-
schmiedekunst in westphalcn und ain Rhein, die nach und nach
ganz mittelalterlich geworden ist. Line fünfte, wenn nicht selbst-
ständige und eigcnthümliche, doch eigene Stellung behaupten
die schwäbischen Schmuckarbeiten von Pforzheim und Ginünd
und die von panau, die in einer hübschen Kollektivausstellung
beisammen stehen."

Ls ist nicht meine Absicht, gegen diese Ausführungen zu
polemisiren. Seit der wiener Ausstellung find mehr als fünf
Jahre verflossen, in denen das deutsche Kunstgewerbe wohl aller
Orten eine gründliche Umbildung erfahren hat. Die Unter-
scheidung eines vorwiegend „plastischen", eines „architektonischen"
und eines „malerischen" Charakters bei den Kunstindustrien
Berlins, Münchens und Nürnbergs dürfte, selbst ihre frühere
Richtigkeit angenommen, jetzt doch schwerlich aufrecht zu erhalten
sein. Ich wollte nur zeigen, wie nahe es liegt, daß eine ton-
angebende Zeitschrift für die Lntwicklung der lokalen Praxis
verantwortlich gemacht wird.

Und noch eine kurze Bemerkung sei mir verstattet, welche
zugleich meinen Vortrag ergänzen mag. Falke sagt in seinem
vorstehenden Aufsatz, daß die deutsche Renaissance (obschon „so
viel Gutes von ihr erhalten, das die ähnlichen Arbeiten des
19. Jahrhunderts weitaus in Schatten stellt") unzulänglich sei,
für alle künstlerischen Bedürfnisse in Dekoration, Gerätst und
Schmuck die Vorbilder zu liefern. Lr führt beispielsweise das
Geschirr für den Kaffee- und Theetisch an; man kann eine ganze
Reihe von Gegenständen hinzufügen, z. B. Rauch-Utensilien,
Piauinos und Flügel, Eisenbahnwagen, Dampfschiffe u. s. w.,
lauter Dinge, für welche uns die alte Renaissance keine „Vor-
bilder" im eigentlichen Sinne des Wortes liefert. Damit ist doch
nicht gesagt, daß der Geist der Renaissance diesen und anderen
Dingen „unzulänglich" gegenübersteht. Ich bin überzeugt, daß
ein Polbein, ohne seine weise zu verleugnen, spielend mit un-
seren modernen Anforderungen fertig geworden wäre. Gerade
weil die leichte Bewegung in einer stilvoll durchgebildeten
Formenwelt viel eher, als das unsichere perumtasten unter un-
gewohnten Gestalten, die Bewältigung neuer Aufgaben zuläßt,
gerade deshalb müssen wir wünschen, daß unsere Künstler und
Gewerbtreibenden sich zunächst mit dem Geiste der Renaissance,
insbesondere der deutschen, recht innig vertraut machen, wohl-
verstanden mit dem Geiste! Ls genügt nicht, wenn der Gold-
schmied einige Vorlagen im Geschmacke des bevorzugten Stiles
sklavisch nachbildct, sich aber um das, was der Schreiner, der
Architekt in demselben Stile arbeiten, nicht kümmert. Lr muß
vielmehr darnach trachten, seine Arbeit als Theil eines großen
harmonischen Ganzen aufzufassen; nur so wird er zugleich
zu jener Universalität und Beschränkung kommen, welche zu-
sammen die Herrschaft gewährleisten. Für den Handwerker ist
die stilistische Begrenzung, „in der er sich als Meister zeigen soll,"
so wichtig, weil jeder Stil seine besondere Technik hat. Die
Technik aber will nicht blos begriffen und gelernt sein, sondern
muß durch unabläßige Uebung in Fleisch und Blut übergehen.

Diese Erwägungen möchte ich den Mitarbeitern und Heraus-
gebern unserer kunstgewerblichen Zeitschriften, namentlich den
Männern, welche sich mit der Erfindung beschäftigen, dringend
an's perz legen. Ihre sorgfältige Beachtung würde gar manchen
Fehlgriff schon beim ersten Entwurf vermeiden, würde gar
manche pand, welche jetzt nur Kränkliches und Schwächliches
leistet, zu ersprießlichem Schaffen geschickt machen.

Or. G. dirth.

Mittheilungen aus dem bayer. Lunstgewerbeverein.

In den beiden Paupträumen unseres Vereinshauses, in dem Fest-
saal und in der Ausstellungshalle, herrschte im Laufe der letzten
Monate ein reges Leben. Ls scheint nicht blos der Reiz der

Neuheit gewesen zu sein, welcher ein so zahlreiches Publikum
in das Gebäude lockte. Vielmehr scheint, was mit Freuden zn
begrüßen ist, ein nachhaltiges Interesse für die kunstgewerbliche
Thätigkeit und auch das Bedürfniß, schöngeformte Dinge zu
besitzen und zu verschenken, im wachsen begriffen zu sein, wäh-
rend schon im Oktober und November in der Ausstellungshalle
so vieles gekauft wurde, wie nie zuvor während desselben Zeit-
raumes in unseren früheren Ausstellungsräumen, steigerte sich
die Kauflust bedeutend, als es auf Weihnachten zuging. Man
hörte viele Stimmen aus dem Publikum, welche ihre Freude
über die gelungene Gruppirung der an den großen Schaufenstern
und im Innern der Palle ausgestellten Gegenstände äußerten.
So macht die Kunst des Ausstellens, in welcher die Deutschen
noch auf der wiener Weltausstellung sich möglichst schwach
zeigten, bedeutende Fortschritte. Der gute Eindruck, welchen das
Ganze machte, bewog gewiß viele, sich auch das Einzelne näher
anzusehen. Da gab es gar viele schöne Dinge, welche als
wünschenswertster Besitz erscheinen mochten. Möbel waren von
A. Pössenbacher, Seitz und Seidl, Lramer, Rau, der Parten-
kirchner Schule und Anderen ausgestellt, Uhren, Schmucksachen
und Schaalen von Iagemann, Leigst und F. v. Miller, Bronze-
güsse von pörner, Rahmen von Radsxieler, Majoliken von
Schwarz und Keller-Leuzinger, Lustres von Riedinger und pergl,-
Ainnwaaren von Lichtinger, Arbeiten, welche auf Veranlassung
des perrn vr. Gehring entstanden und vieles Andere. Ls können
hier unmöglich alle ausgestellten Gegenstände und deren ver-
dienstvolle Verfertiger hervorgehoben werden. Für die Folge
stehen ausführlichere Ausstellungsberichte in dieser Zeitschrift in
Aussicht. — Nun begeben wir uns in den Festsaal, um in Kürze
mitzvtheilen, was Alles sich da begab. An jedem Dienstag
Abends um acht Uhr versammeln sich die Vereinsmitglieder und
die eingeführten Gäste, um sich durch wissenschaftliche Vorträge
und durch musikalische Produktionen heiterster und ernster Natur
belehren oder unterhalten zu lassen. Die sangeskundige Gesell-
schaft „Liederhort" bereitete den Anwesenden manchen Ohren-
schmaus. Vorträge, welche sich auf das Kunstgewerbe beziehen,
wurden bisher von vr. pirth, vr. Gehring und F. v. Miller
gehalten. Der erste dieser Vorträge steht in diesem peft; perr
Bürgermeister Gehring von Landshut hielt einen Vortrag über
die von ihm gemachte Erfindung, durch eine eigenthümliche weise
des Lmaillirens die verschiedensten Metallfarben, Tauschirarbeiten
und Niello mit einem erstaunlich geringen Kostenaufwand zu
imitiren. Zahlreiche Proben des neuen Verfahrens wanderten
von pand zu pand. Der erste Vorstand des Kunstgewerbevereins,
perr v. Miller, schilderte den gewaltigen Gesammteindruck, welchen
die pariser Weltausstellung auf ihn machte, zog eine Parallele
zwischen deutscher und französischer Anschauungsweise und Kunst-
fertigkeit, gab Erörterungen über einzelne Techniken, wie sic in
Paris vertreten waren, und schloß mit den Lehren, welche aus
der großen Ausstellung zn ziehen sind. An verschiedenen Abenden
wurden auch treffliche Leistungen hiesiger und auswärtiger Meister
von Perm v. Miller vorgezeigt und erklärt.

Auszug aus dem Bericht über die preisbemerbung für
kunstgewerbliche Arbeiten, veranstaltet auf Antrag des deutschen
Kewerbcinnseunls und der permanenten Bauausstellung in
Berlin. Nachdem das kgl. Ministerium für Pandel, Gewerbe
und öffentliche Arbeiten die erbetenen Mittel zur Ertheilung
von Ehrenpreisen bewilligt hatte, wurden die Kunsthandwerker
und Industriellen Preußens zur preisbewerbuug um vier Auf-
gaben eingeladen. Für die Ausführung eines steinernen Kamins
aus natürlichem Stein mit plastischen Verzierungen für ein
Speisezimmer waren 1000 Mark, 750 Mark und 500 Mark
ausgesetzt, für einen Pfeilerspiegelrahmen aus Polz, mit Etein-
pappe belegt, nebst Eonsole 500 Mark, 350 Mark, 200 Mark,
für ein Regulatorgehäuse aus polz 350 Mark, 250 Mark,
150 Mark, für ein elegantes Album für Photographien, in
Einband von Leder oder gewebtem Stoff 350 Mark, 250 Mark,
 
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