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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

DOI issue:
Heft 7/8
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Luthmer, Ferdinand: Kunstgewerbliches auf alten Bildern
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0062

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Z- 58 -4

neueste, künstlerisch beeinflußte Geschmack mit Entschiedenheit wieder diesem lebenslustigen, buntfarbigen Geschmeide
zuwendet, so dürfen wir uns kein Motiv der Vergangenheit entgehen lassen, das unsere Arbeit wieder in richtige
Bahnen zu lenken vermag. Bind doch unsere reichsten Sammlungen verhältnißmäßig arm an solchen Originalen,
die sich selbst in fürstlichen Schatzkammern nicht eben häufig finden; der materielle Werth der perlen und Bril-
lanten hat einem Gegenstände, der zum Schmuck der menschlichen Person bestimmt und daher der Mode unter-
worfen war, nicht selten das Schicksal der Umfassung und „Modernisirung" bereitet. So kommt es, daß unsere
besten Vorbilder für den Schmuck im gesunden Stil der Renaissance immer noch die Originalentwürfe von
Polbein, Virgil Solis, Iamitzer, Eollaert, de Bry u. A. bilden, von denen der „Formenschatz" ja auch eine
erfreuliche Anzahl bringt. Daneben habe ich mich bemüht, seit etwa zwei Jahren aus deutschen Museen und
Privatsammlungen von Gemälden dasjenige zusammenzubringen, was unsere heutigen Arbeiten mit neuen
Gedanken bereichern kann. Eine Auswahl hievon wird in Farbendruck und radirten Blättern demnächst bei
E. Wasmuth in Berlin erscheinen.

Die ebenfalls in das Gebiet des Aostüms gehörigen Rüstungsstücke und Massen sind für uns meist
nicht mehr als direkte Vorbilder zu verwerthen. Immerhin aber enthalten die ebenso reich durchgebildeten, wie
zweckentsprechend ornamentirten Formen Manches, was auf unsere Ornamentation befruchtend einwirken kann.
Die bereits erwähnten Bilder der älteren Niederländer: Mabuse, Swart, ebenso wie die der Früh-Italiener:
Ghirlandajo, Boticelli, Ben. Gozzoli u. A., enthalten hievon reiches Material.

Sie haben mir bisher in freundlicher Meise Ihre Aufmerksamkeit geliehen zu einem Blick in die reichen
Schätze, welche in den Gemälden der Renaissance noch ungehoben liegen; gestatten Sie mir zum Schluß noch
die Frage: Mem verdanken wir diesen unendlichen Reichthum an kunsthandwerklichen Motiven neben den rein
künstlerischen Vorzügen, welche diese Gemälde heute mehr als je zu gesuchten Sammlungsobjekten machen? Mir
verdanken sie der Universalität in der künstlerischen Ausbildung der alten Meister! Mir, die heute Lebenden,
suchen, einer allgemeinen Richtung unserer Zeit folgend, uns möglichst früh zu spezialisiren und haben es glücklich
fertig gebracht, uns eine Art Stufenleiter der Würdigkeit unter den verschiedenen Aünsten und Gewerben zurecht
zu legen, die den Maler, den Bildhauer zuweilen mit völlig zeitgemäßer Mißachtung auf den Ornamentisten,
den Eiseleur, den Goldschmied hinabsehen läßt. Nur der Architekt — ich spreche cum grano salis und für Berliner
Verhältnisse — wird heute noch durch sein mannigfaltiges Studium gezwungen, sich mit den meisten Zweigen
des Aunstgewerbes eingehender zu beschäftigen. Mir sehen daher heute auch meist diese Aünstlerklasse mit der
Unterweisung des Aunstgewerbes betraut. Im späten Mittelalter und der Renaissance aber nimmt die ganze
Aünstlerschaft an der Entwicklung des Aunstgewerbes lebendig Theil; Polbein in erster Linie, dann Dürer,
Burgkmair, Aldegrever, Pencz, sie Alle konnten, was unsere meisten Maler und Bildhauer nicht können, Orna-
mente nicht nur zeichnen, sondern auch erfinden. So haben wir in den Prunkgefäßen des Mabuse, in den
phantastischen Architekturen der alten Niederländer gewiß in vielen Fällen nicht Aopien vorhandener Merke,
sondern freie Schöpfungen der Phantasie zu sehen.

Und hier muß ich mich zum Schluß noch vor einen: Mißverständniß verwahren. Nicht um direkte
Vorbilder zum Aopiren zu finden, sollen wir die alten Bilder studiren; in den seltensten Fällen nur wird das
möglich fein; meist wird die ungezügelte Erfindungskraft des Aünstlers sich nur schwer mit den Rücksichten auf
die Ausführung, die der Stoff diktirt, ohne weiteres vereinigen. Um unsere eigene Phantasie anzuregen, um sie
durch eine Fülle frischer Formen zu eigenem Schaffen geschickt zu machen, wollen wir diesen Schätzen nachspüren.
Wenn es mir gelungen ist, hiefür Ihr Interesse wachzurufen, dann wird sich auch für unseren Stoff das schöne
Wort bewahrheiten:
 
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