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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Krell, Paul F.: Die Gefäße der Keramik, [1]: Vortrag gehalten am 14. März 1882 im Münchener Kunstgewerbeverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0004

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Die Gefäße der Keramik. ^

Dortrag, gehalten am März J882 im Münchener Kunstgcwerbevercin von Professor Dr. p. F. Krell.

Fig. ;.*) Pithos, von Schliemann ausgegraben in Hissarlik.

auf unserer Erde,

wo der Thon in solcher Masten-

haftigkeit gelagert ist, daß er sich
dem Menschen zur Benützung gleich-
fam aufdrängt. Bei der Fahrt durch
das alte Etrurien z. B. kommt
man an Stellen vorbei, wo der Thon in blaugrauer Farbe
nackt zu Tage tritt, pügel bildet, auf welchen kein Palm ganz
wächst, deren Rücken nur durch die vom Regen gebildeten
Furchen belebt ist. Man begreift dann, wenn man dieses
Terrain sieht, wie die Kunstgeschichte Etruriens sich in allen
Epochen um den Thon gedreht hat, wie die alten Etrusker
zu der in riesigen Dimensionen betriebenen Liebhaberei der

*) wir haben obige Illustration, sowie die in Fig. 5 S. S gebrachte,
mit freundlicher Lrlaubniß der Verlagsbuchhandlung von F.A. Brock»
Haus in Leipzig entnommen dem hochinteressanten Werke von Dr.
Heinrich Schliemann, Ilios, Stadt und Land der Trojaner, welches
in dem genannten Verlage im Jahre ;88Z erschien.

bemalten Thonvasen und zu dem Gebrauch thönerner Aschen-
kisten kamen, ferner daß sie die Lieferanten der Rönrer in
gebrannter Maare wurden und deren capitolinischen Tempel
mit thönernen Statuen schmücken durften. Ulan erinnert sich
auch an die Renaissance mit den schönen Backsteinpalästen von
Siena und an den blühenden Betrieb der Majolikafabrikation,
der damals im Toskanischen statthatte, die auch in allerneuester
Zeit frische glänzende Schößlinge getrieben hat.

Andere Striche der Erde erfreuen sich noch größerer
Fülle von Thon als jene italienische Landschaft, so z. B.
Mesopotamien, welches eines derjenigen Länder ist, in
welchem die Fayence am frühesten auftaucht, die ja heute
noch von den Erben der Mesopotamier, den Persern, in so
hoher Güte fabricirt wird. Dort, in Mesopotamien, ist des
Thones so viel, daß derselbe geradezu die ganze Bauweise
ausschließlich diktirte und jene kolossal massigen Merke, wie
den Belusthurm, die Mauern von Babylon, die hängenden
Gärten und Königs-Paläste hervorrief, deren einer von
ziemlicher Erhaltung, nämlich derjenige von Khorsabad, uns
die fabelhaft klingenden Berichte der Alten über die Dicke
mcsopotamischer Mauern bestätigt.

Die Stadtmauern von Khorsabad sind nämlich vier-
undzwanzig Meter dick, die Palastmauern acht Meter
und mehr.

Mie das paus der Lebendigen, so wurden hier auch
die Särge von Thon gefertigt und zwar ist ein Thcil der-
selben in der primitiven Meise hergestellt, daß zwei große
Basen mit den Mündungen vermittelst Erdpech aufeinander-
geklebt sind. Thonsärge, Aschenkisten und Aschenurnen aus
Thon kommen indeß auch bei anderen Dölkern des Alter-
thums vor. Ist ihr Gebrauch im Grunde sehr natürlich,
so erscheint es dagegen fast als Frivolität, daß man in der
ersten Schwelgezeit des europäischen Porzellans sogar den
Dersuch machte, Särge aus Porzellan zu verwenden.

Es konnte keine Rede davon fein, daß nian in Meso-
potamien allen Thon gebrannt hätte; man begnügte sich
bei dem größten Theile damit, ihn an der Luft zu trocknen.

Steigen wir indeß von den Mesopotamiern aus noch
um einige tausend Jahre hinauf zu den Menschen der
grauen vorgeschichtlichen Zeit, bei welchen die ersten Reg-
ungen der Kultur sich geltend machten. Fragen wir uns,
wie etwa die Töpferei begonnen und sich zuerst entwickelt
haben mag? — Sehr bald mußten jener Generation die eigen-
thümlichen Eigenschaften des Thones auffallen, seine große
Löslichkeit im Master, seine plasticität in feuchtem Zustande,
und seine Miderstandssähigkeit gegen das Feuer, sowie sein
partwerden in demselben, sodann seine Unangreifbarkeit für
schwache Säuren, und endlich die geringe Seltenheit und die
Leichtigkeit der Gewinnung und Verarbeitung, woraus später
die Billigkeit irdener Maare sich ergab.

So hat man denn dereinst den Thon zu allein Mög-
lichen verwendet, so daß man die Epoche, welche uns Schlie-
mann*) schildert, fast als thönernes Zeitalter bezeichnen könnte.
Derselbe schreibt: „Die vorgeschichtlicheil Dölker, welche den
pügel von pistarlik bewohnten, verfertigten aus gebranntem *)

*) Jlios 5. 2^3 und 2SO.

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Zeitschrift des Aunstgewerbe-Vereins München.

*883. Heft * Sc 2 (Bg. *).
 
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