Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

DOI Artikel:
Heigel, Karl Theodor von: Nymphenburg, [2]
DOI Artikel:
Haushofer, Max: Die Arbeit im Lichte der Volkspoesie, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0087

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

83

\

Münchner Gäste, daß von einem einzigen Pferde große
Lasten auf Eisenschienen mittels Bergwinde und Kompen-
sationsmaschine über jedes Terrain fortbewegt wurden.

Zur Verschönerung Nymphenburg's geschah in der
Aera Ludwig's I. wenig. Des Königs Streben war ja
darauf gerichtet, durch die Kunst veredelnd auf das Volk
einzuwirken; deshalb waren fast alle Unternehmungen für
das öffentliche Leben der Hauptstadt bestimmt und trugen
vorzugsweise monumentales Gepräge.

In diese Zeit hoffnungsvoller Kunstblüthe fällt ein Er-
eigniß, das wie der letzte schönste Ring der Kette die Gegen-
wart mit der Vergangenheit verbindet und sich als würdigster
Abschluß unsrer Erinnerungen darbietet: im Schloß zu
Nymphenburg stand die Wiege eines Fürsten, der ein Schutz-
herr echten idealen Strebens geworden ist, an dessen Thron
lange noch nur die Freude weinen möge!

Die Arbeit im Lichte der Volkspoesie.

Von Or. !N a x ff a u s l; o f c r.


cv

121T Schweiße Deines Angesichts sollst
Du Dein Brod essen. Jedes Kind weiß,
was diese Worte bedeuten und an wen
sie gerichtet sind. Und bei diesem
Schweiße ist es geblieben und wird
dabei bleiben.

Es ist in populärwissenschaftlichen Werken, in Romanen
und in Zeitungsartikeln schon unendlich viel geschrieben
über den veredelnden und erhebenden Einfluß, welchen die
Arbeit auf das menschliche Gemüth nimmt. Ja man
kann sogar Vertreter der Ansicht finden, daß in der Arbeit
ein Stück Poesie liege. Diejenigen, von welchen diese An-
sicht ausgeht, meinen dabei allerdings nicht ihre eigene
Arbeit, sondern die Arbeit anderer Leute, von der ihnen

nur wenig bekannt ist.

Man meint wohl, und zwar gewiß mit der besten
Absicht, daß man jener großen Mehrzahl von Menschen,
welche Tag für Tag mit harter Arbeit sich abmühen, einen
wohlfeilen Trost gewähre, wenn man ihneir sagt: „findet
nur die Poesie heraus, welche in eurer Arbeit liegt, dann
wird euch die Arbeit nicht mehr mühsam und beschwerlich
erscheinen, sondern euch erheben und erfreuen."

Das ist in der That ein sehr wohlfeiler Trost.

Denn wenn es überhaupt einen Gegensatz gibt zwischen
Poesie und Prosa, zwischen dem schimmernden glänzenden
Reiche der Phantasie und einer dürren greifbaren Wirklichkeit:
dann können wir keinen Augenblick im Zweifel sein, auf
welcher Seite dieses Gegensatzes wir die menschliche Arbeit
zu suchen haben.

Wenn aber der Gegensatz zwischen Poesie und Prosa
kein absoluter ist; wenn sich zwischen beiden Extremen doch
einzelne Uebergänge oder Verbindungsglieder fänden?

Die Angelegenheit steht jedem Einzelnen nahe genug,
um ein paar Worte der Erörternng zu verdienen.

X_

Die Arbeit an sich ist ohne Poesie — ausge-
nommen wenn sie zur Kunst wird. Künstlerische Thätig-
keit allein ist an sich schön und erhebend. Jede andere
Arbeit ist Prosa, dürre Prosa — inag man sagen, was
man will.

Etwas ganz Anderes, als die Arbeitsfunktion selbst
sind die äußeren Amstände, unter welchen gearbeitet wird.
Sie können sehr häufig einen Duft von Poesie über eine
Arbeitsthätigkeit hinziehen lassen, welche, wenn man sie
näher betrachtet, doch eben so trocken und prosaisch bleibt,
als jede andere.

Der häufigste dieser Urnstände ist die Natur und ihre
Poesie. Alle jene Arbeitsthätigkeiten, welche den Menschen
mit der unverfälschten großen Natur in Berührung bringen,
gestatten ihm ja auch, den Zauber der Naturpoesie zu ge-
nießen. Aber man verstehe wohl: nicht die Arbeit ist da-
bei das poetische, sondern die Natur.

Der Fischer in seinein alten Linbaum auf dem See,
der schweißtriefend das schwere^Netz aus dem Wasser zieht,
nrag wohl den anregenden Eindruck seiner schönen Um-
gebung empfinden, wenn sein Blick über den See hinsährt
und die fernen Ufer nrit ihren Wäldern und Kirchthürmen
leuchten sieht, wenn er sieht, wie über den Bergen Ge-
witterwolken sich aufthürmen, riesige, phantastisch gestaltete
Gebilde, die ihre gigantischen Schatten über den See hin-
werfen; und wenn dann aus alten Schluchten des Gebirgs
der Sturm hervorbricht, über den See hinfährt und feine
Geister heulend aus den Tiefen emporpeitscht. Das ist
wohl schön und erhaben. Aber es ist nicht die Arbeit, die
dem Menschen diese Anregung bietet; sondern es ist blos
die Natur; und all' ihre Schönheit kann noch viel frischer
und ungetrübter genossen werden, wenn man nichts ar-
beitet, als wenn man im Schweiße seines Angesichts nasse
Netze aus dem Wasser zieht.

Es gibt eine Reihe von Arbeiten, die den Menschen
in die Natur führen. Der ksolzschläger oder Kohlenbrenner
im einsamen Hochwald; der Senner auf seiner Alpe; der

/
 
Annotationen