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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Holland, H.: Franz von Seitz: ein Lebensbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0065

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Sranz von Je ist.

Ein Lebensbild von Or. H. Holland.

ER Mann, welcher mit anderen
ehrenwerthen Genossen zusammen-
stehend, nicht allein zu den Gründern
unseres Runstgewerbevereins zählte,
sondern seither immerdar in Rath
und That, mit dem unerschöpflichen
Geiste der Erfindung alle Theilnehmer durch seine per-
lenden Ideen erfrischte, in Spannung und Zugkraft erhielt,
unermüdlich mit dem belebenden Beispiele vorangehend,
in jedem Sattel gerecht und obwohl selbst keiner eigenen
Hantierung zugethan, doch aller Technik kundig — für
Alle dachte und schuf, trau»! ein Meister (wie der mittel-
alterliche Ausdruck besagt) „im Entwerfen mit späher List"
und „im visiren geschickt" wie Reiner: Der Mann war
Franz von Seitz.

Er stanrmte aus einer alten, ehrlichen Münchener-
Handwerker-Familie, in welcher künstlerisches Thun und
Wirken vorwaltend sich auf die Mitglieder derselben
unbewußt vererbte. Der erste uns bekannte Träger dieses
Namens, welcher sein subtiles Ingenium schon am f)ofe
des Rurfürsten Max Joseph III. rind dessen Nachfolger
Rar! Theodor bethätigte, war seines Zeichens ein Zimmer-
mann. Aber schon bei dessen Sohn Johann Baptist
Seitz sgeb. ^786) wurden die künstlerischen Fähigkeiten
geweckt durch einen Großvater mütterlicher Seite, dein
Rupferstecher Max Einert,') welcher seinem Enkel früh-
zeitig den Gebrauch von Radirnadel und Grabstichel lehrte,
so daß das Wunderkind schon mit zwölf Jahren peiligen-
bilder zu stechen im Stande war. Dann übte sich derselbe
bei dem durch seine „Arbeiten des Herkules" bekannten
Bildhauer Roman Boos inr Modelliren, lernte nebenbei
als Uhrmacher, kam als solcher zu Reichenbach, studirte
Geometrie und Architektur, gravirte, arbeitete als Dessinateur
und Stecher im topographischen Bureau, lieferte allerlei
wunderliche mechanische Rünsteleien, »rächte unerhörte
Automaten, darunter ein springendes Pferd, und unternahm
zuletzt, nach dem vorbilde des alten Jakob Sandtner von
Burghauscn, (welcher s57s für Herzog Albrecht V. ein
polzrelief von München vollendete), eine neue topo-plastische
Darstellung der bayerischen Hauptstadt und zwar im 700
theiligen Maaßstabe, eine minutiöse Riesenarbeit, welche
der fleißige Mann in der langen Zeit von (8^s bis
um geringen Lohn mit der ihm eigenen Ausdauer zu
Stande brachte. Das 22 Fuß im Gevierte messende Werk,
welches nach Seitz' Aufnahnreri, Messungen und Zeichnungen
auf's Genaueste in polz geschnitzt, die ganze Stadt mit
ihren Plätzen, Straßen, Rirchen, Palästen, päusern, Thoren
und Gärten auf's Genaueste darstellt, befindet sich jetzt inr
Nationalmuseum, wo es immerdar als lehrreiches Unikunr

Nach N a g l e r 's Künstlerlexikon ;857. IV. B. 5. n(5 wurde
Lmert 1756 kurfürstl. Kammerportier und \762 Hof-Kupferstecher.

betrachtet und angestaunt wird und natürlich mit dem
weiteren Ausbau und wachsen der Stadt an Interesse
gewinnt.

Seine Söhne theilten das geistige Erbe des Vaters
nach bestimmten Radien: August (geb. (829, gest. (879)
widmete sich der Rupferstecherkunst, ebenso Rarl (geb. (82-(),
welcher als Rartograph dem Vater ins Topographische
Bureau folgte und daselbst die Stelle eines Inspektors be-
kleidet; Max Joseph (geb. (820) bildete sich zum Graveur
und Liseleur und excellirt als Meister der Rleinkunst und
Plastik; Max Alexander (geb. (8(() erwählte die
Historienmalerei, empfing seine Bildung unter Lornelius
zu München und übersiedelte dann nach Rom, wo er sich
an (Overbeck schloß und inr Gebiete der religiösen Malerei
hohe Achtung und ausgezeichnete Anerkennung gewann.

Am vollsten ging aber die Vielseitigkeit des Vaters
auf unfern Franz Seitz über, welcher (geboren am 3(.
Dezember (8(7) ein solches Uebermaaß von Talenten erbte,
daß deren Ausbildung nur zur Zersplitterung geführt hätte.")
Das vermerkte er gerade noch rechtzeitig und warf sich,
seiner Fähigkeiten bewußt, mit ganzer Rraft auf die ihm
zuständige Domäne. Glückliech der Mensch, welcher frühe
weiß, was er will, dem aber auch die Gelegenheit wird,
fein Wissen und Wollen ebenmäßig bewähren zu können.

Da Vater Seitz außer seinen Rindern — und es
waren deren gerade nur eilf — bei einer höchst geringen
Besoldung mit keinen besondern Glücksgütern gesegnet war,
so suchte jeder seiner Jungen baldigst Verdienst und Erwerb
auf eigenen Wegen. Reiner schreckte vor einer Arbeit zu-
rück, die, je ungewöhnlicher dieselbe auch sein mochte, nur
um so größeres vergnügen bereitete und wie spielend aus
der Hand lief. Er half seinen: Vater bei dessen mechani-
schem Theater, machte Figuren aus Pappendeckel und lieferte
ganze Reginrenter Soldaten aus demselben Stoffe, leitete
die Produktionen im danraligen „Schwarzen Adler", ging

-) Jeder der Genannten erfreut sich nun wieder eines Nach-
folgers, in welchen: die ausgeprägteste künstlerische Begabung, wenn
auch in anderer Manier zu Tage tritt. So schließt sich an Max
Alexander Seitz sein ;8H5 zu Ron: geborener Sohn Lndovico, welcher
at: Eduard von Steinle's Vorbild gemahnt und, vorzugsweise im
religiösen Fache schaffend, ein großes Schönheitsgefühl mit stylistischer
Strenge verbindet. Otto Seitz (geb. ;8-z6 zu München, Sohn des
obengenannten Graveurs Max Joseph Seitz) bewährte sich rühmlichst
durch Historien- und Genrebilder, wirkte als Lehrer an der Malschule
und seit Februar ;882 als ordentlicher Professor an der Münchener
Akademie und zog nenestens die Pflege der Landschaft mit glücklichem
Erfolge in sein Bereich. Ganz ans den: Ivege seines Vaters Franz
schreitet Rudolph Seitz (geb. ;8-z2 zu München), welcher, erst unter
Piloty zun: Historienmaler gebildet, auch den: Kunstgewerbe sich widmete
und nenestens als Tonservator an: National-Museum die artistische
Branche desselben übernahm. — Da nun Jeder der Genannten recht-
zeitig für frischen Nachwuchs sorgte, so ist der Stammbaum dieser
bald weitverzweigten und in: Bereiche der Kunst gewiß „erlauchten
und illustren" Familie mit vielen Aesten und Sprossen gesegnet, welche
später hoffentlich noch erwünschten Anlaß zu weiterer Betrachtung
geben. — Nicht verwandt mit dieser Fainilie ist unser liebenswürdiger
Genremaler Anton Seitz (geb. 22. Januar (82g) zu Roth bei
Nürnberg.

/

Zeitschrift des Aunstgewerbe-Vereins München.

*883. Heft 7 & 8 (Bg. *).
 
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