Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

DOI Artikel:
Heigel, Karl Theodor von: Nymphenburg, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8 \ ~i-

Nymphenburg.

von Karl Theodo r Weigel.
(Schluß.)

iATb) dem Tode Karl's VII. faßte
der Sohn angesichts der rauchenden
Dörfer und zerstampften Saatfelder
ohne das politische Für und Wider
lange abzuwägen, den Entschluß,
Frieden zu machen. Ihm blieb es
Zeitlebens eine wahre Herzenssorge, die durch den Krieg geschla-
genen wunden zu heilen, Arbeitsgeist, Sittlichkeit, Aufklärung
zu fördern. Nymphenburg zeigte seit den: Regierungsantritt
dieses edlen Trägers wahren Menschenthums eine gänzlich
veränderte Physiognomie. Zwar wurden auch jetzt noch
bei besonderem Anlaß glänzende Feste veranstaltet, aber in
vielem, was in und für Nymphenburg geschaffen wurde,
trat der nüchterne, praktische, deutsche Sinn des Fürsten zu
Tage. Im sogenannten grünen Zimmer des Schlosses
hängt ein vorn älteren Dorner gemaltes Bild, das uns den
Kurfürsten zeigt, wie er an der Drehbank arbeitet, sein
Freund, der aufgeklärte Graf Salern, steht ihm zur Seite.
In der Eremitage sieht man noch mehrere von: Kurfürsten
hergestellte kunstvolle Schnitzwerke. Lharakteristisch ist auch
die Vorliebe des Fürsten für die Biber, denen er im Schloß-
park ein paar Häuschen einrichten ließ. Wo früher nur
eine Heimstätte welscher Pracht, errichtete er j758 eine Por-
zellanfabrik. Die versuche eines Münchner Töpfers, Joseph
Niedermayer, aus bayerischer Erde Porzellan zu gewinnen, gab
den Anstoß zu dem Nnternehmen, das sich unter der Leitung
des Akademiepräsidenten Grafen von Haimhausen raschen
Aufschwungs erfreute. Eine Zeit lang waren 200 Arbeiter
beschäftigt, man gab sich allen Ernstes der Erwartung hin,
mit Meisten in Konkurrenz treten zu können, aber die
spätere Entwicklung des Instituts entsprach nicht völlig so
glücklichen Anfängen.

Während Wissenschaft und Kultur unter der Regierung
des Friedensfürsten Max Joseph die erfreulichsten Fort-
schritte aufweisen, ist in der künstlerischen Produktion eher
ein Rückschritt erkennbar. Die Unparteilichkeit zwingt zum
Geständniß, daß gerade von den: Zeitpunkt an, da fast
ausschließlich nur noch deutsche Künstler beschäftigt waren,
eine Minderung des künstlerischen Wertstes der Leistungen
hervortritt. Die Beweise bieten sich auch in Nymphenburg
dar. Die Stückarbeiten des Johann Zimmermann aus
Steingaden sind ohne Zweifel vortrefflich, aber Niemand
wird das gleiche Lob den im großen Empfangssaal vom
nämlichen Künstler ausgeführten Fresken zugestehen wollen.
In Rubens Manier, aber eben nur manierirt, malte Jo-
hann Schöpf zahlreiche Bilder für die kurfürstlichen Schlösser.
Auf noch niedrigerer Stufe stehen die Fresken des Tirolers
Joseph Mölck, der seinen Namen, damit nur ja die Nach-
welt dessen nicht verlustig gehe, mit fingerlangen Buchstaben
auf alle Wände pinselte. Zahlreiche Ansichten von Jagden
und Seefahrten sind von Joseph Stephan, einem Schüler

watterschott's, gemalt, erfreulichere Genres von Jakob
Dorner, dem Vater des Landschaftsmalers.

während aber die deutsche Kunst selbst noch darnieder-
lag, vollzog sich eine Neuerung, die nicht wenig dazu bei-
trug, einen Aufschwung herbeizuführen. Bisher waren die
von kunstsinnigen Fürsten gesammelten Meisterwerke in den
Lustschlössern untergebracht, wo sie nur den geladenen Gästen
und wenigen bevorzugten Liebhabern zun: Genüsse dienten.
Dagegen beschloß Kurfürst Karl Theodor, dem edlen Bei-
spiel anderer Mäcene folgend, seine Schätze für Jedermann,
auch den Geringsten seines Volkes zugänglich zu machen,
und ließ für die reiche Sammlung, der auch die besten Stücke
des Nymphenburger Inventars eingereiht wurden, ein
eigenes Haus an der Nordseite des Hofgartens errichten.

Ueberhaupt dankt München gerade diesem Fürsten,
der sich in den wenig ehrenvollen Tauschhandel mit dem
wiener f}ofe einließ und deßhalb von den Bürgern mit
scheelen Blicken betrachtet wurde, die ersprießlichsten wohl-
thaten. Er hob die Festungseigenschaft der Stadt auf und
schaffte durch Niederlegung der Wälle und Bastionen Luft
und Licht, er ist der Schöpfer des englischen Gartens, er
verwandelte den Hofgarten neben seiner Residenz in eine
öffentliche Anlage, er gestattete auch zuerst zum Nymphen-
burger Park freien Zutritt. Jetzt fand hier auch der
schlichte Wanderer, wie Westenrieder mit wunderlichen
Worten der Rührung preist, „Pracht der Majestät, naives
Lächeln der Grazien, Freude und Ermunterung und stilles
Sehnen und Ausruhen der schweigenden Melancholie."
Zumal Sonntags gehörte jetzt das fürstliche Lustgebäu dem
Volk. Mit kühn geschweiften: £}ut und apfelgrünem Braten-
rock angethan, pron:enirte Herr Biedermayer in den hollän-
dischen Parterres, Frau Apollonia bewunderte die in den
Berceaux stolzierenden Pfauen und Fasanen, und die rund-
lichen Kleinen jubelten vor Freude, wenn sie im Thier-
garten, der seit j780 angelegt war, die zahmen pirsche
füttern durften.

Nikolai, der s78s hierherkam, kann zwar nicht um-
hin, den Prachtbauten mit grämlicher Miene Lob zu
spenden, fügt aber hinzu: „wenn ich aber zuweilen einen
Blick neben der Allee aus das Land that und sah, wie
kaum die Hälfte davon bebaut war, so klopfte n:ir das
Herz." Der Vorwurf an sich ist nicht unbegründet, allein
man darf daraus nicht übertriebene Folgerungen ziehen.
Freilich darbten auch als Nachbarn dieses fürstlichen Pracht-
wohnsitzes arme Leute in schlechten Hütten, aber einen
eigentlichen Pauperismus, eine Maffenarmuth, gab es in
den gesegneten bayerischen Landen nicht. Deßhalb rüttelte
auch nie der Sturm einer Revolution an den Pforten dieses
Klein-Versailles; es blieb ihm erspart, durch Frevelthaten
eines entmenschten Pöbels eine traurige Berühmtheit zu
erlangen.

Zwar blieb auch diese Schöpfung der absolutistischen
Aera vom Geist der neuen Zeit nicht unberührt, aber die
Wandlung war eine friedliche und freundliche.
 
Annotationen