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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Haushofer, Max: Die Arbeit im Lichte der Volkspoesie, [1]
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Vereinschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0090

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erscheinen die dämonischen Bauarbeiter als Personifikationen
unerklärter Naturkräfte. Es knüpfen sich aber solche Lagen
häufig an menschliche Bauwerke. Namentlich wiederholt sich
die Lage der Mitwirkung des Teufels an vielen Airchen-
bauten. Dann hat sie einen sittlichen Hintergrund und ent-
hält eine Mahnung, große Arbeiten nicht mit des Teufels,
sondern mit Gottes Hilfe durchzuführen. — Auch mit der
Lonntagsarbeit beschäftigt sich die deutsche Lage nicht selten,
indem sie Leute, die am Lonntag arbeiteten, in schwarze
oder weiße Gespenster verwandelt und in allerlei verwünschten
Lituationen vorführt. Dem Teufel seinerseits ist keine Arbeit
zu schwer. Lein Lohn ist die arnre Leele; und um ihret-
willen vollbringt er das Unmögliche. Aber wem er sich
als Anecht verdungen hat, der muß Zusehen, daß er seinem
höllischen Anechte immer Arbeit verschafft; denn wenn er
das nicht mehr kann, verlangt der Lchwarze seinen Lohn.

Das Volksmärchen, das sich von der Volkssage
durch ein freieres Spiel der Phantasie auszeichnet und nicht
an bestimmte Orte oder Personen geknüpft ist, hat auch ein
freieres Feld in der Behandlung der Arbeit. In der That
spielt auch die Arbeit und ihr Lohn eine sehr mannigfache
Rolle im Märchen. Als etwas Luftiges aber erscheint sie
nur selten. Gerade das Märchen, das doch so recht aus
dem Volke herausgewachsen ist, zeigt in seinen phantastischen
Gestaltungen eine tiefe Lehnsucht des Volkes, aus der Misere
geplagter Armuth sich in den Glanz erträumter Paläste und
Zaubergärten emporzuschwingen, nicht durch die Araft der

Arbeit, sondern durch die Launen des Zufalls oder durch
die Gunst übermenschlicher Wesen. Es verwandelt die Aohlen
des armen Aöhlers in Goldklumpen und hebt die Ainöer
des Holzhauers auf einen Aönigsthron. Es sendet in der
Nacht ein Heer von winzigen Wichten, die, während das
ganze Haus schläft, alle Arbeit für die Menschen mit Ameisen-
fleiß vollbringen. Dem lieblichen Aschenbrödel schickt es hilf-
reiche Tauben und dem Mädchen, das nicht spinnen kann,
helfen gespenstige Spinnerinnen, die zu dritt in einer Nacht
ein ganzes Zimmer voll Flachs verspinnen. Dem hungrigen
verschafft es ein „Tischlein deck' dich" und dem Bettler einen
unerschöpflichen Geldsack. Zelten nur findet sich das Märchen
mit der wirthschaftlichen Nothwendigkeit des Arbeitens zu-
recht, indem es etwa von zwei Lchwestern die fleißige unter
einen Goldregen und die faule unter eine Pechtraufe stellt.
Aber wenn es ja einmal einen solchen moralisirenden Ton
anschlägt, wird derselbe rasch wieder durch neuen Märchen-
zauber gedämpft. Das Grandioseste aber, was das Märchen
in volkswirthfchaftlicher Richtung leistete, ist zweifellos die
Entdeckung des Lchlaraffenlandes. Dieses Schlaraffenland
oder Schlauraffenland ist übrigens nicht eine national deutsche,
sondern eine internationale Idee; seine Anfänge finden sich
schon bei griechischen Dichtern; auch in der altfranzösischen
Poesie erscheint es frühzeitig. Später hat der österreichische
General Lchrebelin (zu Anfang des (7. Jahrhunderts) eine
Aarte des Lchlaraffenlandes gezeichnet, welche sich leider im
Aiepert'fchen Atlas nicht findet. (Schluß folgt.)


M vereinschronit. ^

Sch. Schloß unsere letzte Vereins-Lhronik mit einem schmerz-
lichen Akkorde, so sind es dieses Mal nur freudige Ereignisse, deren
wir zu gedenken haben. Zunächst sehen wir uns dem so glänzend
verlaufenen und trotz anfänglicher Gewitterschwüle beim Beginne der
Debatten mit so guten, hosfnungerregenden Resultaten zum Abschlüsse
gebrachten II. Kongreß Deutscher Kunstgewerbe - Vereine gegenüber,
zu welchem der Münchener Verein kraft seiner seit ;87L geübten
Vorortschaft die Schwester-Vereine Deutschlands und überhaupt die
Vertreter der Kunst, des Knnstgewerbes und die Freunde desselben
einlud.

Der gesammte Verlauf dieses Kongresses wie insbesondere
auch die wichtigen Verhandlungen desselben werden in einem aus-
führlichen offiziellen Berichte zusammengefaßt, welcher demnächst im
Drucke erscheinen und durch das Sekretariat des Münchener Kunst-
Gewerbe-Vereines zu beziehen sein wird. Mir können uns deßhalb
daraus beschränken nur einen allgemeinen Ueberblick über den Verlauf
und die Resultate des Kongresses zu geben.

Schon der Emxfangsabend, welcher Sonntag den 2. September
im festlich geschmückten Saale des Vereinshauses veranstaltet worden
war, berechtigte zu der Hoffnung, daß das eine Ziel des Kongresses:
vor Allem den persönlichen Verkehr und Meinungsaustausch unter den
deutschen Kunsthandwerkern, Künstlern und Freunden des Kunst-
Handwerkes lebendiger als bisher zu gestalten, eine vielversprechende
Anbahnung erhalten werde. Der durch Gedon's Meisterhand so
herrlich ausgestattete Raum hatte durch den Vereins-Architekten,
Franz Brochier, wie schon erwähnt, noch besonderen festlichen
Schmuck durch Kränze, Teppiche und tropische Pflanzen erhalten. Des
Königs von Bauern und des deutschen Kaisers Büste bildeten die
Mittelpunkte desselben. Nachdem die Musikkapelle eine Festouvertüre
gespielt, begrüßte der l. Vorstand, Herr Direktor E. Lange, Namens

des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereines die fremden Festgäste in herz-
licher Ansprache und brachte ihnen ein begeistert aufgenommenes
Hoch aus. Nach ihm sprach Pros. Dr. Sepp, indem er den Ehren-
Vorstand des Vereines Herrn Erzgießerei-Jnspektor von Miller als
unseren „Feldmarschall Moltke im Fache des Knnstgewerbes" feierte und
auf sein Wohl toastirte.

Stürmische Hochrufe bezeugten das Linverständniß mit dieser
dem verehrten Manne dargebrachten Huldigung.

Bald darauf erhob sich Herr Bauinsxektor Neck er aus Ham-
burg und übernahm es, Namens der Gäste dem Vorstände Direktor
Lange für seine Begrüßungsworte den Dank derselben zum Ausdrucke
zu bringen. Er hob insbesondere hervor, wie es ihn eigenthümlich
berühre, hier in München, im Kreise des Kunstgewerbevereins meist
lauter gereiste Männer zu sehen, während in seiner Vaterstadt Ham-
burg die Bestrebungen des Kunstgewerbes mehr in den Händen
jüngerer Elemente lägen. Gerade darin aber, daß Alt und Jung
sich dieses Mal die Hände reichen, sähe er die Gewähr dafür, daß
die beginnenden Berathungen einen segensreichen Erfolg haben würden.
Daß dieses sich erfüllen möge, leerte er sein Glas mit dem Rufe:
„Glück auf!", in den alle Anwesenden freudig einstimmten.

Für die Unterhaltung der Gäste sorgten in liebenswürdigster
Meise die Herren Maler Hohbach und Opernsänger Gustav v.
Schmädel, welche mit ihren prächtigen Liedern stürmischen Beifall
ernteten, sowie die Herren Professor Bildhauer Schönlaub und
Hos-Waffensabrikant Stroblberger, deren humoristische Vorträge
allgemeinste Heiterkeit erregten.

Am nächsten Tag, Montag Z. September, fand vormittags g Uhr
im gleichen Saale des Kunstgewerbehanses die feierliche offizielle Er-
öffnung und die erste Sitzung des Kongresses statt. Sie erfolgte
in Gegenwart der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung:
 
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