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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Vereinschronik
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Ministerial-Rath v. Ziegler, Regierungsassess. G a r e i s und Polizei-
rath Pfister durch den bei seinem Erscheinen mit freudigem Zuruf
begrüßten Ehrenpräsidenten des Vereines Herrn Erzgießerei-Inspektor
Ferdinand v. Miller sen.

Es war nach mehrjähriger durch langwieriges Leiden verursachter
Pause zum ersten Male, daß Herr von Miller wieder persönlich an
einer öffentlichen Versammlung des Vereines theilnehmcn konnte und
ergreifend war es anzusehen, wie dieser ehrwürdige, seiner sclbstüber-
nommene» Psiicht bis in ihre letzten Kouseqnenzen getreue und be-
geisterte Vorkämpfer für die ideale Veredlung des Handwerks und der
Industrie mit dem ganzen Aufgebote seiner durch so lange Krankheit
dezimirtcn physischen Kraft die Estrade bestieg und nun in halbstündiger
Rede in große» markigen Zügen zunächst einen Ueberblick dessen gab,
was wir bereits errungen und dann mit dem ganze» Gewichte seiner
reichen Erfahrungen in beredten Worten die Bahnen wies, welche ge-
wandelt werden müssen, wenn das erreicht werden soll, was Allen
als gemeinsames Ziel vor Augen schwebt, wenn Deutschlands Kunst-
gewerbe und Kunstindustrie zur vollen der Befähigung des deutschen
Volkes entsprechenden Entfaltung gelangen soll. Die Nächstliegenden
Zwecke des Kongresses selbst zusammenfassend, schloß er seine Ansprache
mit den Worten: „Möge nun auch der weg sich finden, um zur ge-
eigneten Verfolgung der den deutschen Knnstgewerbevereinen gemein-
samen Ziele, ohne Beeinträchtigung selbstständiger Bewegung des ein-
zelnen Vereins, eine Delegirtenversammlung zu schaffen. Mögen unsere
Verhandlungen diesen Gedanken fördern, möge das deutsche Handwerk
grünen und blühen, und Ihnen die Genugthuung werden, daß Sie
gerne aus die Tage znrückblicken, welche Sie zur Erreichung eines ge-
meinsamen, großen Zweckes in München verbracht haben. Mit diesen
wünschen eröffne ich die Versammlung des II. deutschen Kunstgewerbe»
kongresses!" Lang anhaltender Beifall dokumentirte den tiefgehenden
Eindruck der Rede auf alle Theilnehmer des Kongresses.

Nun begrüßte als Vertreter der Staatsregierung Herr Ministerialrath
von Ziegler die Versammlung. Die Staatsregierung wolle mit der Ab-
ordnung von Vertretern des Staatsministeriums, der Kreisregierung und
Polizeidirektion bekunden, daß sie den Arbeiten des Kongresses durch die
Würdigung derselben warmes Interesse entgegenbringc. Die Staats-
regierung sei ja in doppelter Hinsicht betheiligt an dem Wöhle des
Kunsthandwerkes, einmal weil cs die Veredelung der Produktion
gilt und dann aus dem nicht minder wichtigen Grunde, weil
die materielle Wohlfahrt des Volkes zu einem so großen
und bedeutenden Cheile von dem Gedeihen und Blühen dieses wichtigen
Zweiges der menschlichen Thätigkeit abhängt. Die Staasregierung
würde erfreut sein, aus dem Austausch der Erfahrungen und Ansichten
der Versammlung neue Anregung zu gewinnen zu der Pstege und
Förderung, welche sie ans voller Ueberzeugung dem Kunsthandwerke
wird zu Theil werden lassen. Zum Danke hiesür brachte die Ver-
sammlung über Aufforderung des Herrn v. Miller auf Se. M. den
König einen dreimaligen Hochruf aus.

Hierauf wurde zur Wahl des Bureaus geschritten und einstimmig
durch Acclamation gewählt: zum Präsidenten Direktor L. Lange —
München; zum I. Stellvertreter Baurath Köhler — Hannover; zum
II. Stellvertreter L n t h m e r — Frankfurt; zu Schriftführern die HH.
Necker—Hamburg und walle— Berlin.

Es ist selbstverständlich nicht möglich die nunmehr beginnenden
Verhandlungen ausführlich in ihren Debatten an dieser Stelle zur
Mittheilung zu bringen, wir beschränken uns darauf, dieselben dahin
gehend zu charakterisiren, daß der Kardinalpunkt des Kongresses, näm-
lich die Frage eines Verbandes deutscher Kunstgewerbe-Vereine, welche
der Vorort, um zunächst die Stimmung der Schwestervereine zu sondiren
nur als allgemein gehaltene Resolution der speziellen Tagesordnung
einverleibt hatte, infolge des scharf präzisirten und gleich beim Beginne
der Debatten vielleicht etwas energischer als nothwendig in den Vorder-
grund geschobenen diesbezüglichen Antrages des Vereins für deutsches
Kunstgewerbe zu Berlin das erste Stadium der Verhandlungen mit
einer gewissen Gewitterschwüle umgab, daß dieselbe aber beim Aus-
tausch der Meinungen mehr und mehr verschwand und daß schließlich
in den prinzipiellen Punkten allseitige Uebereinstimmung, die zu den
besten Hosfnungen für das Gedeihen der gemeinsamen Bestrebungen
berechtigt, erzielt wurde. Berlin schien nämlich für eine möglichst
zentralistrende Organisation zu sein, während München die Tendenz
verfolgt, den einzelnen Vereinen freiesten Spielraum zu gewähre,, und

durch den verband nur die großen, allen gemeinsamen Interessen-
Frage» zum Austrage bringen zu lassen.

Durch Tombination und Modisizirung des Berliner Entwurfes
zu einem provisorischen Statut einer deutschen kunstgewerblichen Ge-
nossenschaft und des Gegcnentwurfes, welchen der Bayerische Kunst-
gewerbe-verein in Vorlage brachte, wurde aber, ohne daß sich bedeutende
Schwierigkeiten in den weg gestellt hätten, ein itach allen Richtungen
hin befriedigendes Verbandsstatut erzielt.

Für die Begründung der Resolutionen, welche der Kunstgewcrbe-
verein bei der Hinausgabe seines Programmes in Vorlage gebracht
hatte und die wir in unserer Zeitschrift, Doppelheft 5 & 6 veröffent-
lichten , wurden nachfolgende Referenten ausgestellt: Antrag I Herr
Direktor Lange, Antrag II Herr Professor Gräf, Vorstand der gewerbl.
Fortbildungsschulen, Antrag III Herr Architekt Ritter von Schmädel,
Antrag IV, V und VI Herr Direktor Lange, für den später beigefügten
Antrag Via mit dem Wortlaute:

„In Würdigung vorstehenden Antrages befürwortet die Ver-
sammlung die für das Jahr 1885 in Berlin geplante deutsch-
österreichische Ausstellung für Kunstgewerbe und dekorative
Kunst."

der Antragsteller Herr Geh. Vberregierungsrath Lüders aus Berlin,
Antrag VII Herr Architekt G. von Bezold, Antrag VIII Herr Schrift-
steller vr. Hirth, Antrag IX Herr Magistratsrath Hergl, Antrag X
Herr Professor Fritz von Miller, Antrag XI Herr vr. Dahlmann,
Sekretär der Gberb. Handels- und Gewerbekammer, Antrag XII
Herr Architekt Ritter von Schmädel mit Ausnahme des Herrn Referenten
für Antrag Via sämmtliche aus München.

Unverändert angenommen wurden:

Antrag III, IV, VIII und X.

Die übrigen Anträge wurden mehr oder weniger modisizirt und
geben wir sie nachfolgend in ihrem Wortlaute, wie sie durch die
Protokolle des Kongresses festgestellt sind:

Beschluß I.

„Die Versammlung spricht der deutschen Künstlerschaft aus
Anlaß der erstmalige» Zulassung kunstgewerblicher Meister-
werke bei der internationalen Kunstausstellung in München,
sowie für ihre Mitwirkung zu künstlerischem verständniß in
den Werkstätten der Handwerker Dank und Anerkennung aus."

Beschluß II.

„In Erwägung, daß das Kunstgewerbe zu seiner gedeihlichen
Entwicklung und vollen Entfaltung ebenso sehr als die hohe
Kunst der staatlichen und kommunalen pstege bedarf, beschließt
die Versammlung, durch Vorstellungen bei den hohen deutschen
Landesvertretungen und Gemeindebehörden dahin zu wirken,
daß künftig, wo dies bisher noch nicht der Fall ist, bei Aus-
stattung öffentlicher Gebäude neben den Werken der bildenden
Künste auch vorzügliche Leistungen der heutigen Kleinkunst
Berücksichtigung finden."

Statt Beschluß V wurde der durch eine in Folge Antrages des
Herrn Architekten Gurlitt ans Dresden eigens erwählte Kommission
verfaßte Statutenentwurf für einen verband deutscher Kunstgewerbe-
vereine angenommen und von 13 Vertretern kunstgewerblicher Ver-
einigungen unter dem Vorbehalte der nachträglichen Zustimmung der-
selben die Konstituirung des Verbandes nach Maßgabe des Statuts
vorgenommen. Dabei wurde festgesetzt, daß die definitive Entscheid-
ung der betreffenden Vereine längstens innerhalb s Monaten, also bis
März ;88H, zu erfolgen habe.

Das Statut selbst lautet:

8 !•

Der Zweck des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine be-
steht darin, das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit aller Ange-
hörigen des Kunstgewerbes in Deutschland zu pflegen, einen möglichst
lebhaften Austausch der Fortschritte, Ideen und Erfahrungen aus
allen Gebieten des Knnstgewcrbes zu vermitteln und die gemeinsamen
Interessen der Mitglieder der Vereine zu wahren.

8 2.

Die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes sind:

a) Bearbeitung und Berathung von Fragen, welche das Kunst-
gewerbe betreffen, insbesondere Vereinbarungen über gemein-
same Normen für die Behandlung von öffentlichen Konkur-
renzen, für die Beschickung von Ausstellungen, Zusammen-
 
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