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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Haushofer, Max: Die Arbeit im Lichte der Volkspoesie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0097

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Aus „Dürer’s Randzeichnungen", von tSeorg hirth.

Die Arbeit im Lichte der Volkspoeste.

von Dr. Max ^ausljofer.
(Schluß.)

i UR flüchtig sei hier die Spruch-
dichtung erwähnt; denn hieniit
ist ein Gebiet betreten, welches mit
der Poesie oft nichts mehr gemein
hat, sondern wirklich nackte, ver-
nünftige Prosa ist. Da das Sprich-
wort zur Aufgabe hat, die einfachsten und wichtigsten
Lebenswahrheiten in möglichst gedrängter Form zu ver-
künden, hat es auch reichlich Veranlassung, sich mit der
Arbeit zu beschäftigen. And in der That könnte man fast
ein ganzes volkswirthschaftliches Lehrbuch aus lauter Sprich-
wörtern zusammensetzen. Vor Allem findet sich die Er-
inahnung zum Fleiße in unzähligen Variationen.

wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. — Morgen-
stund hat Gold im Mund. — Müßiggang ist aller Laster
Anfang.

Eine Reihe schöner Arbeitssprüche führt Riehl an:
Rast' ich, dann rost' ich. — Fleiß bricht alles Eis. —
Fleißige pand bauet Leut' und, Land. — Schweiß gibt den
besten Mörtel; doch meinen einige Zünfte, Mein gäbe einen
noch besseren. — Nach gethaner Arbeit ist gut feiern. —
Das Merk ehrt den Meister, und das Amt zeugt vom
Mann. — Mir sollen arbeiten, als wollten wir ewig leben,
und leben, als wollten wir morgen sterben.

Ihnen sei noch eins hinzugefügt, das den Berufswechsel
geißelt. Es lautet: Sieben pandwerk und das letzte ist
Betteln.

Und ein anderes, das eine Ermahnung zu kluger Vor-
bereitung der Arbeit enthält: Magenschmieren säumet nicht!
In anderer Version lautet es: Gut geschmiert ist halb
gefahren!

Uebrigens ist das Sprichwort überhaupt kein Freund
von überhastigem Arbeiten. Es sagt: Nur langsam vor-
an ! — Eile mit Meile. — Schnell Spiel übersieht viel. —
Mas bald wird, das bald verdirbt. — Spätes Obst dauert

am längsten. — Die früh eilen, haben spät Feierabend.
(Riehl: Deutsche Arbeit.)

Und selbst für die Faulheit hat das Sprichwort manches
Entschuldigende. Das bekannteste davon ist: Gott gibt's
den Leinen im Schlaf.

Menden wir uns von der mehr oder weniger in die
hausbackenste Prosa gehörigen Spruchweisheit wieder der
Dichtung zu, so finden wir als die vollendetste Entwicklung
der Volkspoesie das eigentliche Volkslied.

In Deutschland bietet das Volkslied für unseren Zweck
ein Interesse erst nach der Meistersingerzeit. Mas uns von
älterer deutscher Volksdichtung erhalten ist, hat die pelden-
sage zum Gegenstände, kein bürgerliches Leben. Nach dem
Untergange des ritterlichen Minnegesanges und der ge-
schraubten Meistersingerpoesie aber finden wir die deutsche
Volkspoesie wieder in den breitesten Schichten des Volkes,
bei den Lanzknechten, Handwerksgesellen, Jägern, Bauern,
fahrenden Schülern und Bergknappen. Einfach und kunst-
los, mit spärlichen und oft herzlich schlechten Reimen, aber
mit kraftvoller und inniger Ausdrucksweise und mit unver-
tilgharem Humor gestaltete das Volk seine Lieder. Der erste
Dichter blieb meist unbekannt; da diese Lieder lange nur
durch mündliche Tradition fortgepflanzt wurden, erlitten sie
mannigfache Umdichtungen. In ihnen hat die Volksseele
ihre besten und schönsten Empfindungen und Phantasien
niedergelegt. Sie pflanzten sich fort von Mund zu Mund;
auf den Landstraßen und in den Schenken; im Lager und
in der Merkstatt. Als der Jammer des dreißigjährigen
Arieges die deutsche Volkskraft auf lange Zeit niedergeworfen
hatte, versiegte auch der ^uell der Volksdichtung fast völlig.

Mehr als ein Jahrhundert verging, ehe das deutsche
Volk wieder auf den Schatz seiner Volkspoesie aufmerksam
gemacht wurde. Glücklicherweise waren schon im s6. Jahr-
hundert Volkslieder theils als fliegende Blätter, theils in
Buchform gedruckt worden, so daß am Ende des f8. und
am Anfang des sst. Jahrhunderts pietätvoller Sammler-
fleiß die zerstreuten perlen dieses Schatzes wieder zusammen-
suchen konnte.

Zeitschrift des Runstgewerbe-vereins München

1883. $eft U (S* «.
 
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