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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Paul, Richard: Rom: Vortrag am 4. Dez. 1883
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Vereinschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0106

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durch ein verwittertes Thor in den f}of der Msterie. Im
Schatten des Vleandergebüfches, unter die Feigenlaube setzen
wir uns zum Fiasko; hier lernen wir noch die ächten,
von der neuen Aultur unbelekten Quinten, die ächten Römer,
kennen. Zur Vervollständigung des Gemäldes grüßen
über die alten Mauern herüber hochblühende Rosen und
das dunkle Grün des Lorbeers, überragt von dem schönen
Marmorkranze des schlau ksäuligen Vestatempels.

Die Sonne neigt sich zürn Untergang. Noch einen
letzten Blick aus die Stadt wollen wir unserer Erinnerung
einprägen. Mir steigen auf den Ianiculus und vor uns
ausgebreitet liegt der mächtigste aller Anblicke: vom ge-
zackten Sorakte an den dunkelviolettduftigen Sabiner- und
Albanerbergen entlang die Eampagna hinaus bis zum
Spiegel des Meeres, in der Tiefe rechts die alte Täfaren-
stadt mit dem Lolosieum, das wie das verlassene Nest des
blitzbewaffneten Meltadlers zum Aether emporstarrt, dem
Aapitol, einem Iupiterantlitz vergleichbar, voll Mürde und
Majestät zur unterjochten Erde herabblickend und der Eastius-
Pyramide, um welche die Rhythmen platens rauschen —

hier die von den Päpsten gegründete Meltherrscherin mit
ihrem Straßenchaos, ihren Rirchen, Thürmen und Palästen,
aus denen der Farnese wie ein Felsengebirge sich hebt.
Das Flammengestirn berührt den Gipfel des Mario. Durch
die Fenster der Peterskuppel brechen seine Strahlen; tiefblau
steht sie, wie ein ksoherpriester des Meltalls vor der Glorie
der Abendgluth; milder werden die Töne des Lichtes, die
Sterne tauchen aus dem Aether hervor: da dringen ernste
Glockentöne vom Peter herüber und wie Harfenklänge
durchzieht das Echo des hundertstimmigen Abendläutens
die unbewegte Luft: Ave Maria! Auch unsere Seele
heben diese Akkorde in die Gefilde der Unendlichkeit und
des ewigen Friedens.

Durch das Gewirre der umnachteten Straßen eilen
wir zur fontana Trevi, wo uns der alte Meergott den
Reisewunsch zunickt; in die Schale werfen wir den
Bajocco und netzen unsere Lippen in der Fluth, verbürgt
doch dieser Trunk uns die Rückkehr. Lebe wohl, o Rom!
Unsere Pilgerfahrt ist beendet.


vereinschronik. ^

X Au den freudigsten und erhebendsten Ereignisse», welche
die Chronik des Vereines nicht nur im Henrigen Jahre, sondern über-
haupt seit seinem Bestehen zu verzeichnen hat, zählt ohne Aweifel die
Feier des siebzigsten Geburtsfestes seines bedeutendsten und
opferwilligsten Förderers — seines hochverehrten Ehrenpräsidenten
Herrn Erzgießerei-Inspektors Ferdinand von Miller sen. Es
war ein Familienfest im schönsten Sinne des Mortes, aber nicht nur
ein Familienfest des Bayerische» Kunstgewerbe-Vereins, sondern ein
Familienfest für ganz München. Gleichgesinnte wie politisch e Gegner
waren einig in der Anerkennung dessen, was dieser Mann im Laufe
seines thatenreichen Lebens gewirkt und geschaffen hat. Schrieben doch
die Münchener Neuesten Nachrichten, deren politische Lahnen sich gar
vielfach mit denen des Gefeierten gekreuzt hatte», in der Nummer des
Festtages jene herzerfreuenden Worte, die wir uns nicht versagen
können, hier wiederzugeben als Beweis dessen, was wir von der all-
seitigen Begehung des schönen Festes eben behauptet haben. Sie
lauteten:

„Unter den Letzten der „alten Garde", welche treu und fest das
Gute der alten Aeit in unsere stüchtigen Tage herübergerettet haben,
und welche in nimmer rastender froher Schaffensfreude auch moderne
Menschen im besten Sinne des Wortes geworden sind, — unter ihnen
steht der Jubilar in allererster Reihe. Die, wir möchten sagen fast
instinktiv freudige Theilnahme ganz Münchens an dem Familienfeste
unserer berühmten Erzgießer-Familie beweist wohl am Besten, daß es
sich hier nicht blos um die Ehrung eines erfolgreichen Lebens handelt;
nicht blos um einen Lorberkranz für den Man», dessen Kraftgestalt
aus der Mitte jenes verblichenen und verwitterten Kaulbach'schen
Bildes an der Westseite der neuen Pinakothek kaum noch erkennbar
hervortritt, Heute handelt es sich vielmehr darum, dem mit uns
Lebenden und Strebenden eine Dvation darznbringen, ihm zu zeigen,
daß sein unermüdliches, der gewerblichen und Kunstentwickelung feiner
Vaterstadt gewidmetes Denken und Trachten in den Herzen aller Mün-
chener, ohne Anfchaung der politischen Partei und Konfession, dank-
baren Widerhall gefunden hat.

Und das ist etwas Schönes, doppelt Erfreuliches in unserer durch
tiefgährende Strömungen leider so vielfach zerklüfteten Zeit — einer
jener Hoffnungsstrahlen, welche uns durch die Nebel des Klaffen-
egoismus und des Materialismus hindurch einen freundlichen Ausblick

auf die Zukunft unseres Volkes gestatten. „Saaten des Wohlwollens
ausstreuen" — das war das große Kunst- und Menschheitsideal der
alten Hellenen; das ist auch die Bedeutung des großartigen Fackelzuges,
der sich heute Abend über den klassischen Königsplatz und durch die
Propyläen nach jenem bescheidenen Hause in der Nymphenburgerstraße
bewegen soll, in welchem der alte Erzgießer wohnt. Möge dieser Geist
der Gerechtigkeit, der ächten Toleranz immerdar das vornehmste Kleinod
in Münchens Bürgerkrone bilden! Ferdinand von Miller zählt nicht
zu unseren politischen Gesinnungsgenossen: ja es gab eine Aeit, wo
der tüchtige Mann, von seiner Partei auf den parlamentarischen Kampf-
platz gestellt, in diesen Blättern — vielleicht mit allzuspitzer wehr —
bekämpft ward. Aber das hat ihn niemals abgehalten, unserem Blatte
und seinen Vertretern die ihnen gebührende Achtung zu zollen, mit
ihnen in freundlichem Verkehr zu bleibe». Das ist ein gewiß schönes
Bild jener Münchener Gemüthlichkeit, hinter welcher denn doch mehr
steckt als bloße Bier- und Kellerlaune. Achtung vor jeder guten Ab-
sicht, Achtung vor jedem ehrlichen Verdienst, das ist der tiefe Grundzug
ächt deutschen Wesens, ächt deutscher Kultur; in diesem Zeichen werden
wir uns, welche politischen und religiösen Gegensätze uns auch sonst
immer trennen mögen, stets wiederfinden zu gemeinsamer Arbeit und
gemeinsamer Freude, in diesem Zeichen werden wir siegen!"

Diese Worte eines ehrlichen, loyalen Gegners kennzeichnen die
Bedeutung des Gefeierten besser wie irgendwelche andere Auseinander-
setzung. Und in der That der Verlauf des schönen Festes, den wir
in Nachfolgendem schildern wollen, beweist es am Deutlichsten, wie
sehr dieselben aus Aller Herzen gesprochen waren.

Der 70. Geburtstag von Miller's gestaltete sich, wie schon erwähnt,
für ganz München zu einem Feste, deren im Leben der Einzelnen wie
ganzer Generationen nur wenige den Lauf der Tage mit idealem
Glanze »mleuchten.

Es zeigte sich, wie in Miller weite Kreise des deutschen Volkes
den lebendigen Vermittler zwischen Ideal und Praxis, zwischen Kunst
und Leben erblicken, in ihm den Mann verehren, der durch eigene
Energie und rastloses Streben sich nicht nur zu hochbedeutender Stellung
emporgerungcn, sondern sich auch einen Namen gemacht, der durch
die Jahrhunderte forttönen wird. Lassen wir die Thatsachen selbst
sprechen!
 
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