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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Heigel, Karl Theodor von: Nymphenburg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7027#0086

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Die Rückkehr zur antiken Tradition, die sich an der
Wende unsres Jahrhunderts in Zierrath und Einrichtung
der inneren Räume vollzog, möchte kaum als eine gesunde,
glückliche Entwicklungsphase zu bezeichnen sein. Die an-
tikisirende Richtung der Napoleonischen Aera entbehrt nicht
einer gewissen feierlichen Würde; da man aber über ein kon-
ventionelles Formenschema nicht hinauskam, wirkt die Imi-
tation des edlen Vorbilds nüchtern und trocken, insbesondere
am hausgeräth von rein architektonischer Disposition.

Inzwischen ergriff aber draußen eine fröhliche Revo-
lution Busch und Hain. Auf allen Linien war der Kampf
gegen den französischen Geschmack in der Gartenkunst er-
öffnet worden. Milton's Schilderung des Gartens Eden,
die Satiren Addison's und Pope's und die Anweisungen
des Walers Kent hatten zur Aeberzeugung bekehrt, daß
der Garten eine Landschaft im Kleinen sein soll, daß Ab-
wechslung der Scenerie vor ängstlich ausstudierter Geputzt-
heit den Vorzug verdiene, daß auch iu dieser Kunst das
schönste Ziel erreicht sei, wenn sie wieder als Natur, aber
in edelster Form, auftritt.

180-1 gab Kurfürst Max Josef dem hofgarteninten-
danten Friedrich Ludwig Scfcll den Auftrag, den franzö-
sischen Garten zu Nymphenburg in einen park in mo-
dernem Geschmack umzuwandeln, Sckell, der zweifellos
zu den tüchtigsten Meistern seines Fachs zählt, trat nicht
als prinzipieller Gegner der alten symmetrischen Kunst
gegenüber; er behielt den im großen Stil angelegten Mittel-
grund mit den majestätischen Alleen, dem geradlinigen
Kanal und der terassenförmig aufgebauten Kaskade bei.
Indem aber Busch und Baum nicht mehr beschnitten und
zu kleinlichem Spiel mißbraucht werden, ergiebt sich von
selbst ein harmonischer Kebergang zu den Anlagen im so-
genannten Landschaftsstil. Wie verstand Sckell mit Bäumen,
Wiesen und Wasserflächen zu malen! In reichem Wechsel
und doch voll anmuthiger Ruhe ziehen die ländlichen Bilder
an uns vorüber. Durch glückliche Verbindung von geo-
metrischen und Naturformen, Anlage von Hügeln voll
Schwung und Leichtigkeit, sorgfältige Auswahl der Baum-
und Straucharten ist für schlichte, nichtsdestominder ent-
zückende Ueberraschungen gesorgt; bald wird das Auge
durch Kontraste, bald durch sanfte Verbindungen erfreut.
Laubholz voll Farbe und Rundung unterbricht an glück-
lichster Stelle das ernste Tannendickicht, die dunkelblättrige
Rothbuche, die saftig grüne Hainbuche, die schlanke Fichte,
die bewegliche Esche, — Eins steigert die Schönheit und
den Reiz des Andern. Wenn irgendwo, so ist hier das
waffer die Seele des Gartens. Spiegelklare Bäche und
springende Brunnen bringen Leben und Bewegung in die
Natur. Wer an mildem Sommerabend längs dem größeren
See den mit durchsichtigem Strauchwerk umsäumten Ufer-
weg wandelt, wird frohen Muths bekennen, daß hier
keffing's wort zur Thal ward:

„Wenn Kunst sich in Natur verwandelt,

So hat Natur und Kunst gehandelt!"

Doch die Thronik hat nicht blos von friedlichen Ar-
beiten im Dienste der Schönheit zu berichten; auch von den
seit der großen Revolution immer wieder entfachten Kriegen
blieb Nymphenburg nicht verschont.

Als im Juni f800 Moreau's Armee München be-
setzte, wurde das Hauptquartier nach Nymphenburg verlegt.

Auch aus diesem Schloß wurden, wie aus der kurfürstlichen
Residenz zu München werthvolle Kunstschätze entführt; auf
die Klagen und Beschwerden der Beancten erwiderte der
zum Stadtkommandanten bestellte General Desolle: „Es
kann nicht die Rede fein von Bedingungen und Schwierig-
keiten zwischen Sieger und Besiegtem; der Erste befiehlt, der
Andere gehorcht gutwillig oder weicht der Gewalt!" Die
französischen Offiziere thaten sich iu den Palästen der Stadt
auf Kosten der entflohenen Wirthe gütlich und veranstalteten
Tag für Tag Gelage und Feste, Moreau dagegen blieb
einsam in Nymphenburg. Sein einziges Vergnügen war
frühmorgens die pürschjagd. Den ganzen Tag widmete
er der Arbeit; nicht blos der militärische Dienst beschäftigte
ihn, er konspirirte schon damals mit jenen Männern, die
Frankreichs Freiheit gegen den Ehrgeiz Bonaparte's ver-
theidigen wollten.

Der neue Täsar selbst kam sechs Jahre später als Pro-
tektor des Landes und Verwandter der Regentenfamilie nach
Nymphenburg. In einem Zimmer im ersten Stockwerk
des rechten Flügels pflegte auch der „kleine Korporal" ernst
und einsam an: Schreibtisch zu sitzen, zur Erholung diente
ein rascher Ritt durch die Laubgänge des Parks.

Und wieder wenige Jahre später bewohnte die näm-
lichen Räume der Ueberwinder des Gefürchteten, ein schöner
Mann, ritterlich und kokett wie Lucius Verus, Alexander I.,
dem zu Ehren aller Prunk des königlichen Hofes aufgeboten
wurde.

Als aber endlich die Kriegsfanfaren verhallt waren,
weilte hier mit besonderer Vorliebe der Fürst, der eine
dauerhaftere Herrschaft, die der Liebe, aufgerichtet hatte,
nachdem die hassende und die gehaßte vergangen waren. Im
Erdgeschoß des linken Flügels sind noch heute die Zimmer
oder richtiger gesagt, die Kämmerchen im nämlichen Zu-
stande, wie sie „Vater Max" bewohnt hatte, erhalten. Die
Ausstattung könnte nicht einfacher sein. Den einzigen Schmuck
der Wände bilden ein paar bilderbogeuartige Darstellungen
von Episoden aus den Napoleonischen Kriegen, Familien-
porträts und Bleistiftzeichnungen, „verfertigt von Tharlotte",
„verfertigt von Auguste", den zärtlich geliebten Tächtern
des Königs. In dem von grünseidenen Vorhängen um-
schlossenen Bett entschlief Max Josef in der Nacht des
{2. Oktober 1825, nachdem er noch am Abend einem Ball-
fest des russischen Gesandten beigewohnt hatte. Wie der
heitere Glaube der Alten die Lieblinge der Götter durch
jähen Tod der Erde entrückt werden läßt, so war auch er
hinübergegangen, während noch auf jenen: Feste Trinksprüche
auf Gesundheit und Leben des geliebten Fürsten ertönten.

Den Thron bestieg der Königssohn, der oft, wie er in
einem Gedichte schildert, an einsamem, schattigem Plätzchen
im Nymphenburger park seinen Homer gelesen und sich in ideale
Pläne und Hoffnungen versenkt hatte. Daß er dessen ungeachtet
auch für praktische Unteri:ehn:ungen ein scharfes Auge hatte,
beweist die Thatsache, daß lange bevor Stephenson's Loko-
motive ihren Eroberungszug durch die Welt antrat, auf An-
regung und mit Nnterstützung des Kronprinzen das Modell
einer Eisenbahn nach einem Plane Josef von Baader's
gefertigt wurde. Im Nymphenburger Garten, wo auch eine
sinnreich konstruirte hydraulische Maschine vom technischen
Genie des nämlichen Erfinders Zeugniß ablegt, wurde der
Versuch im Großen ausgeführt, und mit Staunen sahen die
 
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