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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Haushofer, Max: Die Arbeit im Lichte der Volkspoesie, [2]
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Dasselbe ist sehr volkslhümlich geworden, aber mit der
Arbeit des Bauern hat es kaum etwas zu schaffen.

Sehen wir uns andere Berufsarten an, so finden wir,
daß vor Allen die Bergleute einen reichen Schatz von Berufs-
poesie haben, der in schönen und alten Bergmannsliedern
seinen Ausdruck findet. Das bekannteste derselben beginnt
mit den Worten:

In's Bergwerk hinein,

Wo die Berggeister seyn;

Da graben wir das Silber und das Gold in der Nacht
Aus Felsgestein.

Oder ein anderes (Novalis):

Der ist der Herr der Erde,

Der ihre Tiefen mißt
Und jeglicher Beschwerde
In ihrem Schooß vergißt.

Es ist die einsame Arbeit in der schweigenden Tiefe, das
Vordringen in's Unerforschte, was den Bergmann auch
zur Vertiefung in's Reich der Poesie führt.

Die städtischen Gewerbe behandelten in zahlreichen
Volksliedern den eigenen und fremden Beruf, aber mehr
mit Spott und Prahlerei, als mit volkswirthfchaftlichent
verständniß oder moralischem Ernst. Ein Gewerb zieht
im Spottlied über das andere her.

Einer der nieist angedichteten Gewerbsleute ist der
Müller. Aber das Volkslied sagt nichts Gutes von ihm,
weil der Müller den Leuten, die ihr Getreide auf die Mühle
bringen, immer zu wenig Mehl daraus mahlt. So erscheint
der Müller in der Volkspoesie durchwegs als Mehldieb.
Andererseits ist die Müllerin meistens hübsch und um das
rauschende Mühlenrad dreht sich manches tiefinnige Lied.

Noch schlimmer ergeht es in der Volkspoesie den
Schneidern. Warum gerade diese ehrsaine Zunft so hart
mitgenommen ward, ist leicht zu errathen. War's doch
früher allgemein üblich, daß der Runde vom Schneider zu
wenig Tuch zurückbekam. Außer der Tuchdefraudation wird
dem Schneider aber auch Mangel an Tourage vorgeworfen
und eine gewisse räthselhafte Verwandtschaft mit dem
Gaisbock.

Die Leineweber dagegen

„— haben eine saubere Zunft,

Mittfasten halten sie Zusammenkunft",

diese armen Menschen

„nehmen keinen Lehrling an,

Der nicht sechs Wochen hungern kann."

Schneidig und kräftig dagegen erscheint im Volksliede
das Schmiedehandwerk, das sich im Mittelalter eine gewisse
ritterliche Superiorität unter den Handwerken zu wahren
wußte, theils weil der Schmied es war, der den Mann
wehrhaft machte, theils weil er als Hufschmied auch Thier-
arzt, und als solcher häufig auch Menschenarzt war und
als solcher etwas rnehr verstand als sein bloßes Handwerk.

von einem Schlosser dagegen ist uns nur ein Volks-
lied bekannt. Dasselbe erzählt von einem Schlossergesellen,
der gar langsam beim Feilen war, grausam schnell dagegen
beim Essen, von seinem Meister darüber befragt, erklärt
er gemüthlich: ja, wenn Einer den ganzen Tag in einem
Stück fortessen sollte, ging's auch bald so langsam wie das
Feilen I

Aber verlassen wir das eigentliche Handwerk; es würde
zu weit führen, wollten wir uns mit jedem einzelnen beschäf-

tigen. Nur ein Gedicht fei noch angeführt, weil es die deko-
rative Fertigkeit kunstgewerblicher Arbeit verherrlicht:

wer sein Handwerk recht versteht,

Braucht nicht vielerlei Sachen,
weiß aus wurzeln künstlich' Geräth,

Schmuck und Bildwerk zu machen.

Spinnwcb' das in den Lüften stiegt,

Macht er zu silbernen Bändern,

Faser, die auf den Steinen liegt,
webt er zu weichen Gewändern.

Jweiglein, die an der Straße weh'n,
wölbt er zu prunkenden Körben,

Läßt aus Nußschalen Perlen entsteh'«.

Schimmernde Arüglein aus Scherben!

Schotter, der von der Steilwand rollt,
wird zum geschnörkelten Dause;

Sand wird Silber und Harz wird Gold,

Schmückt die zierliche Klause!

Alles gilt die Form in der Welt,

Ist der Stoff auch ein Plunder!
wenn auch das Werk nur Taglang hält,
war's doch ein liebliches Wunder!

Zu anderen Berufszweigen werden die Berufslieder
sehr selten. Auf dem Gebiete des Verkehrswesens sind aus
einer, jetzt hn verschwinden begriffenen Epoche, einige
reizende Blüthen von Volkspoesie übrig geblieben. So hat
die Poesie der Landstraße Zahrhunderte lang allem fahren-
den Volk eingeleuchtet. Zhr verdanken wir unter Anderem
das in ganz Süddeutschland ungeniein verbreitete Volkslied
vom lustigen Fuhrmannsbuben. Es ist ebenfalls ein ganz
unübertroffenes Stück Berufspoesie. Dann dürften hier
mehrere viel gesungene Matrosen- und Schifferlieder genannt
werden, unter ihnen als das reizendste wohl das Donau-
fchifferlied mit dem bekannten Refrain:

Schwäbische, bairische Dirndl, juhe,

Muß der Schiffsmann fahren!

Der löbliche Handelsstand ist ohne alle Berufspoesie
geblieben. Sanglos und klanglos leert sich die Härings-
tonne und der Pfeffersack; sanglos und klanglos füllen sich
das Hauptbuch und die Raffe.

Aber auch mit der Poesie der anderen Berufszweige
räumt die Gegenwart schonungslos auf. Der Postillon von
Lenau konnte noch in mondheller Mainacht sein Vier-
gespann an: Friedhof anhalten, um seinem tobten Rame-
raden einen Gruß hinüberzublasen. Der Lokomotivführer
darf das nicht mehr. Die Landstraße ist leer und die
inannigfachen Gestalten, die sie vordem belebten, füllen jetzt
die Wartsäle der Bahnhöfe.

Selten nur ist's, daß ein neues Volkslied entsteht.
Aber vollständig kann die volkspocsie doch nicht verstummen.
So berichtet Riehl, daß in Thüringen und Hessen selbst die
Lisenbahnarbeiter neue Lieder machen, in welchen das ganze
Tagwerk eines Eisenbahners mit Behagen geschildert ist
und der stetige Lohn gerühmt wird. Allerdings fallen diese
Lieder manchmal in einen etwas langweiligen Ton, z. B.:
Zur Arbeit sind wir geboren
Mit Vergnügen, ohne Sorgen,

Mit Lust und plaisir,

Lustige Eisenbahner sind wir.

Auch hier ist's wieder der Sonnenschein der freien
Natur, der dem Arbeiter diesen Rest poetischer Laune
erhalten hat.
 
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