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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1883

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Vereinschronik
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geworfen wurden,' versammelten sich die Theilnehmer in der großen
Palle des Löwenbräukellers, der trotz seiner Größe die Massen nicht
zu fassen vermochte. Linen eigenthümlichen Anblick gewährten in dem
blendenden Lichte dieses Raumes die von Lackelruß geschwärzten Gesichter,
welche allesammt Lrzgießern anzugehören schienen. Unerwartet erschien
gegen halb to Uhr, begrüßt vom Jubel der Tausende, der Gefeierte
selbst, der es sich nicht wollte nehmen lasten, seinen Dank den Anwesenden
persönlich abzustatten. Der Vorstand des Kunstgewerbe-Vereins, perr
Direktor Lange, hielt eine Ansprache, welche der Weihe dieses Tages
begeisterten Ausdruck verlieh. Lr hob die Bedeutung und die eigen-
artigen Verdienste v. Millers um Kunst und Gewerbe hervor, die nicht
allein der Ruhm und Stolz Münchens, sondern des deutschen Vater-
landes, ja der ganzen Welt und unseres Jahrhunderts seien. Als Lohn
eines Uhrmachers aus Fürstenfeldbruck, der nicht weniger als neun
Kinder zu ernähren hatte, sei Miller, ein Silberarbeiterlehrling, hinans-
gezogen in die Fremde, um am Lude der dreißiger Jahre in der Erz-
gießerei Stieglmayer's einzutreten, dessen Nachfolger zu werden er damals
nicht zu ahnen vermochte. Die Leistungen Miller's seit jener großen,
kunstbegeisterten Lpoche unter König Ludwig I. in München, das sich
unter diesem den Namen Isar-Athen ruhmvoll erwarb, im Linzelnen
zu erwähnen, hieße wirklich Eulen nach Athen tragen — es lebt in
Aller perzen, wie es öffentlich vor aller Augen aufgestellt ist. Lr gehörte
zu jeuen Männern, deren Verdienst es war, daß Münchens Kunst und
Gewerbeüber die ganze Erde einen Weltruf errungen. Die großartigste That
seines Lebens ist die Begründung des Kunstgewerbes gewesen, die pöhe
seines Wirkens, sein herrlichstes Werk aber die kunstgewerbliche Aus-
stellung des Jahres j[876, welche eine neue Aera der Knnstentwicklung
auf nationaler Basis begründete, dem vaterländischen Gewerbe sein eigent-
liches Selbstbewußtsein verlieh. So ist Miller, dessen gewaltiger Energie
auch der Kunstgewerbe-Vereiu sein schönes Daheim verdankt, in der
That der v ate r des v ere i ns, auf welchem dieser mit wahrhaft kindlicher
Ehrfurcht und Dankbarkeit blickt, deni heut hier seine puldigung dar-
bringen zu können, die höchste Freude und Ehre zugleich ist. Nach
dem Wunsche, daß der Gefeierte noch lange Jahre sich dieser ihm ge-
widuieten Liebe, die hier sich feierlich kundzugeben wage, erfreuen möge
zum Ruhme der Kunst und des Gewerbes, schloß der Redner mit der Auf-
forderung, dem Altmeister und Ehrenpräsidenten v. Miller ein dreifach
donnerndes poch zn bringen', in das die Versammlung mit jubelnder
Begeisterung einstimmte.

Darauf nahm von Miller selbst das Mort: Der Vorredner
habe über ihn so viele und schöne Dinge gesagt, daß es sich wohl
zieme, jetzt einmal der schlechten Eigenschaften zu gedenken. So sei er
z. B. ohne jede Erlaubuiß, ja geradezu dem Verbote des Arztes
entgegen, hier herübergekommeu. Aber es hätte ihn in der engen
Stube daheim nicht gelitten, er müffe sich für die ihm gebrachte Gvation
bei allen Theiluehmcrn — von deren Jedem er wohl aunehmen müsse,
daß er für ihn persönlich ein Stück Zuneigung besäße, sonst hätte er
sich nicht der Mühe unterzogen, bis ans Ende der Stadt hinaus eine Fackel
zu tragen — in eigener Person bedanken. Aber der heutige Tag und
dieser Abend habe einen Gedanken wach gerufen, de» er hier aussprechen
müsse! Wie nämlich das, wofür er lebenslang gesonnen und gestrebt,
gewirkt und gehandelt: die Kunst mit dem Gewerbe im unaustöslichem
Bande zu vereinen, in keiner Stadt der Welt mehr verstanden und
gewürdigt werde, als in München! Wenn wir auch keine Konkurrenz
der mechanischen Technik zu scheuen brauchen, so ist der Geist unseres
Volkes viel zu frei, um mit leeren Schablonen vorlieb zu nehmen und
sich in die Triebräder der Maschinen hineinbaunen zn lassen; er fühlt
sich nur in den Regionen der Kunst als in seiner eigentlichen peimat.
Die Künstler Münchens haben keine Mühe und Anstrengung gescheut,
um das verständniß für das Schöne und Große in die Werkstatt hinein-
zutragen, und wie das hiesige Gewerbe sich das zu perzen genommen
und in's Leben übersetzt, darauf darf München stolz sein, und wie es
mit den größten Städten der Welt in der Kunst ebenbürtig dasteht,
auf diesem Gebiete kann es sich getrost die erste nennen. Wenn ihm
jemals die Vollendung eines Werkes Freude gemacht, die schönste Stunde
sei es ihm allemal gewesen, auf dasselbe das Wort „München" ein-
graben zu dürfen.

In Jahrhunderten noch werden die Deutschen und ganz speziell
die Münchener im hohen Norden und tiefsten Süden unseres welt-
theiles, ja weit über dem Gzean im fernsten Westen einem Lands-
mann, sei er auch nur aus Erz, begegnen, der ihm von der freudigen
Begeisterung seiner Väter für die Kunst erzählen wird. Auf diese

Stadt, welche in allen Schichten der Bevölkerung, die in diesen Saal
ja aus allen Kreisen ihre Vertreter hergeschickt, von solcher Gesinnung
beseelt ist, welche diese Stadt groß und herrlich gemacht und welche
derselben für alle kommende Zeit als höchstes Kleinod bewahrt bleiben
möge, bitte er das Glas zu erheben: es lebe München I Den durch diese
zu perzen gehenden Morte erregten Jubel vermag das beschreibende
Wort nicht zu schildern; es genüge, wenn hier gesagt wird, daß die
weihe dieses Augenblicks allen Theilnehmern, deren Begeisterung der
beste Beweis für die Behauptung des Redners ablegte, eine unver-
geßliche bleiben wird.

Der ehrwürdige Jubilar, der die mit seinem Ehrenfest nothwendig
verbundenen Anstrengungen mit bewunderungswürdiger und benei-
denswerther Ausdauer ertragen — es war dies, beiläufig gesagt, die
siebenzehnte von ihm an diesem Tage gehaltene Rede! — verweilte
noch einige Zeit in der Mitte seiner Verehrer und nahm unter den
enthusiastischen puldigungen der Versammlung nach ;; Uhr Abschied.
Späterhin wurde den Gemeindekollegien für die Zuschußbewilligung
zum Künstlerhaus aus einfachem Arbeitermunde (gewiß ein charakter-
istisches Symptom) ein allseits begeistert aufgenommenes poch aus-
gebracht, das perr Gerdeiffen mit einem Trinkspruch auf die Künstler-
schaft Münchens beantwortete, welcher die Bevölkerung die tiefsten
und herzlichsten Sympathien entgegenbringe; auch hier jubelnde
Zustimmung.

Perr Architekt von Schmädel ergriff dann das Wort, um im
Aufträge der Vorstandschaft des Kunstgewerbe-vereins insbesondere
auch den zahlreichen Arbeitern, welche sich beim Fackelzuge betheiligt
hatten, für ihre opferwillige begeisterte Mitwirkung den Dank auszu-
sprechen. Indem er darauf hinwies, wie von Miller als einfacher
Silberarbeiter feiue Laufbahn begonnen, wie sein ganzes Leben ein
Leben der Arbeit gewesen sei und wie er lediglich ihr das herrliche
Fest am Abende seines Lebens zu verdanken habe und wie inan in der
That sagen könne, „wir feiern heute ei» Fest der Arbeit", forderte er
die Anwesenden auf, der Arbeit und den Arbeitern ein poch anszu-
bringen. Stürmische Zurufe durchbrausten den Saal und als sie ver-
klungen, dankte einer der Arbeiter mit warmen Worten für die ge-
zollte Anerkennung und brachte zum Schluffe auf perrn Architekten
von Schmädel ein „Poch" aus.

In den Zwischenpausen des Festes spielte die Kapelle pünn,
die sich wegen ihrer prachtvollen Aufführung gediegener Tonwerke
außerordentlichen Beifalles erfreute, der in endlosen Jubel ausbrach,
als sie gegen Schluß die „Wacht am Rhein" und das „Walhallalied"
anstimmte. Lange noch hielten die Begeisterung und die festlich ge-
hobene Stimmung die Theilnehmer in geselliger Vereinigung zusammen.

So schloß in ungestörtester parmonie ein Fest, an dem alle
Partheien sich betheiligt und das nicht nur dem Gefeierten sondern
auch dem Bayerischen Kunstgewerbe-Verein zur höchsten Ehre gereichte
und dem Ansehen der Pflege des deutschen Kunstgewerbes als inächtige
Födernug dienen wird.

Dienstag den 6. November begann der diesjährige Lyklus der
geselligen Abende, welche die Mitglieder im großen Saale des Vereins-
hauses allwöchentlich vereinigen. Der erste Vorstand, perr Direktor
Lange, eröffnete die Sitzung mit einer herzlichen Begrüßung der
vereinsgenossen und schloß daran mehrere geschäftliche Mittheilungen
über die den Verein selbst berührenden Ereignisse. Ls mußte zunächst
des vom 2. bis S. September hier stattgefundenen zweiten Kongresses
deutscher Knnstgewerbevereine und dessen Ergebnisse Erwähnung ge-
schehen, welche unseren Lesern aus den in diesen Blättern erstatteten
Berichten hinlänglich erinnerlich sind, weiterhin wurde der 70. Geburts-
tagsfeier des Ehrenpräsidenten als eines großartigen Familienfestes
des Münchener Kunstgewerbevereins gedacht, dessen an den Verein
gerichtetes Dankschreiben mit einer Gvation für perrn von Miller
ausgenommen wurde. Sodann gedachte der Redner des dahingeschiedenen
unvergeßlichen Direktors Franz von Seitz, dessen Andenken die An-
wesenden durch Erheben von den Sitzen ehrten. Schließlich konnte
konstatirt werden, daß sich im Laufe des Jahres der Verein durch
qoo Aufnahmen neu pinzutretender erweiterte und nunmehr 2300 Mit-
glieder zähle. Auch dieses Jahr sei für die Vereinsabende eine Reihe
von Vorträgen durch die Zusage berühmter Autoritäten der Kunst und
Wissenschaft gesichert, wozu noch deklamatorische und musikalische Genüsse
in Ernst und Scherz sich anreihen werden. An kunstgewerblichen Er-
zeugnissen waren im Saale ausgestellt: Die an den Ehrenpräsidenten
 
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