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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Van de Velde, Henry: Die Belebung des Stoffes als Schönheitsprincip
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0464

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ein Symbol gewittert und erklärt, hinter dem
Gegenstand bedürfe es eines Symbols unter
allen Umständen. Ein Dritter hat es bis zur
Erkenntnis der Komposition und ihrer Bestand-
teile, der Inszenierung, der Gebärden, Stel-
lungen, Mienen, gebracht und erklärt, dass
die Schönheit ohne diese undenkbar sei. Ein
Anderer schliesslich, der noch begabter war,
ist zum Stil vorgedrungen und hat gelehrt,
dass nur der Stil einem Werk zur Schönheit
gereiche. Aber jeder von ihnen hat von der
Schönheit nur das herausgegriffen, was er
selbst empfinden konnte. Darauf hat er seine
Theorieen aufgebaut, die streng geschlossen,
unfehlbar und steril waren.

Diese Theorieen sind Sackgassen. Nun, es
lässt sich schon denken, dass die Schönheit
sich nicht gern in eine Sackgasse sperren lässt.
Sie ist dort in den Händen der Gelehrten

manchen Fährlichkeiten ausgesetzt. Und sie
lechzt nach frischer Luft, nach Weite und
Freiheit. Sie will ihren Weg wie die Nymphe
gehen, die von Blume zu Blume eilt, sie zu
pflücken und ins Haar zu flechten. Sie will
frei sein, in jedem Wasser ihren Körper zu
baden und zu spiegeln. Sie will ihren Liebes-
laut über Berg und Thal hinausstossen, wie
der Vogel, der nach Lust ruft.

Neuerdings sind nun Anschauungen aufge-
kommen, die die Herrschaft dieses Glaubens
zu beschränken beginnen, dass das Sujet und
das, was dient, das Sujet deutlich und wirksam
zu machen, die wesentlichste Schönheit eines
Kunstwerkes ausmachen.

Der Naturalismus entsagte leidenschaftlich
den Vorteilen, welche idealische, herzbe-
wegende oder auch nur sympathische Sujets
älteren Werken gesichert hatten, und predigte

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SIGNAC, FLÜSSLANDSCHAFT MIT MÜHLEN

PHOTOGRAPHIE VON DRUET, PARIS

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