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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Bode, Wilhelm: Die amerikanische Gefahr im Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0019

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Bildern von Reynolds, Romney und so fort, den
Möbeln der Marie Antoinette, den Statuetten
von Clodion, Houdon, Falconet, den Gobelins,
Teppichen, Sevres-Vasen kaum in einigen Roth-
schildschen Palästen ihres Gleichen hat. Die Klein-
kunst des Mittelalters und der Renaissance, namentlich
der deutschen, ist bei Mr. Morgan so gut vertreten
wie in wenigen Museen, dank namentlich seinen
Ankäufen der bedeutendsten deutschen Privatsamm-
lungen: Gutmann, v. Oppenheim, Wencke und
Hainauer; von letzterer freilich nur Teile.

Morgans Gemäldebesitz lässt sich noch nicht
eigentlich als Galerie bezeichnen: die englischen
und französischen Bilder, einzelne treffliche Ge-
mälde von Frans Hals (3), Rembrandt (2), Hob-
bema (2), A. v. Dyck (2) u. a. bilden bisher die
Dekoration seiner Wohnräume. Er sucht eben nur
das allerbeste, und von ganz guten Gemälden giebt
es meist nur wenige Stücke selbst in den grossen
Privatsammlungen, und diese sind nur ganz selten
käuflich. Solche seltene Gelegenheit wird sich
leider in nächster Zeit bieten und zwar gleich durch
mehrere der gewähltesten Bildersammlungen, die
je zusammen gebracht worden sind: durch den be-
vorstehenden Verkauf der Galerie Rudolf Kann und
wahrscheinlich auch der seines Bruders Moritz Kann,
nachdem auch dieser und wenige Wochen nach ihm
seine Witwe gestorben ist. Selbst wenn diese beiden
herrlichen Sammlungen nicht als Ganzes nach
Amerika gehen, sondern zur Versteigerung in Paris
kommen sollten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass
für Europa dabei viel gerettet werden würde. Die
Preise, welche amerikanische Sammler anlegen,
sind eben wesentlich höher als die, welche selbst
die reichsten und leidenschaftlichsten Sammler in
Europa zahlen — von gelegentlichen, ganz seltenen
Ausnahmen abgesehen. Daher erwischen die
Amerikaner auch fast jedes ganz hervorragende
Bild, das in einer der alten Galerien locker wird.
Und das ist jedes Jahr mit verschiedenen Gemälden
der Fall. Seitdem Preise von 1 Million Franks
und mehr, wie für die Venus von Velazquez und
für Bildnisse von Hals, Rembrandt, A. van Dyck
u. a., gar nicht mehr unerhört sind, sind nämlich die
Besitzer der alten Galerien dahinter gekommen, dass
sie viel besser thun, ein oder ein paar ihrer Bilder
auf diese Weise unter der Hand für einen kolossalen
Preis an den Meistbietenden abzugeben, ihre Galerie
aber zu behalten, so dass ihre guten Freunde gar
nicht merken, dass sie etwas verkauft haben.

Die Frage liegt nahe, ob diese Steigerung der

Preise noch anhalten könne. Seit einem Menschen-
alter hat man diese Frage gestellt und regelmässig
dahin beantwortet, dass „solche unsinnige Preise
unmöglich lange anhalten könnten". Und doch
sind sie stetig gestiegen, ja allmählich bis auf das
Zehnfache hinaufgegangen! Doch glaubt man An-
zeichen gerade in Amerika bemerkt zu haben, die
einen gewissen Rückgang der Preise wahrscheinlich
machen sollen. Die leidenschaftlichsten Käufer in
den Vereinigten Staaten: Pirpont Morgan, Widener
und Walters, sind nämlich alle in einem Alter, das
in Amerika schon als ein hohes gilt, etwa siebzig
Jahre; die jüngeren Sammler seien vorsichtiger und
würden sich keine so unsinnige Konkurrenz machen.
Hoffen wir das Beste! Aber auch diese Hoffnung
kann eine trügerische sein. —

Die ausserordentlichen Preise, die man in
Amerika zahlt, und der Eifer, mit dem man dort
jetzt sammelt, haben bewirkt, dass der Kunsthandel
schon seit einigen Jahren fast nur noch für Amerika
arbeitet. Die grossen Händler in London und
Paris haben Kommanditen in New York, und in
neuester Zeit haben auch New Yorker Häuser
bei uns Zweigetablissements errichtet. Letzteres
hat einen besonderen Grund: die öffentliche
Meinung, namentlich in England, ist über das Ge-
baren der Händler und Art critics, die alles auf-
bieten, um die Kunstwerke nach Amerika zu
bringen, mit Recht aufgebracht; da sind die edlen
Herren auf den Ausweg gekommen, mit einem
amerikanischen Geschäftsfreund zusammen zu kau-
fen und diesen allein als den Verkäufer erscheinen
zu lassen! Die Händler, offene und verschämte,
benutzen eben alles, um von dem amerikanischen
Goldregen so viel als möglich zu erhaschen.

Für dieses Vorgehen haben wir Museumsbeamte
selbst, wahrlich gegen unsern Willen, den Händlern
in die Hände gearbeitet; namentlich in Deutschland.
Nicht nur dadurch, dass wir den uns nahestehenden
Sammlern treulich geholfen haben, ganz gewählte
Kunstwerke zu erwerben, auch die grossen wissen-
schaftlichen Kataloge, wie ich sie z. B. für die
Sammlungen Kann, Hainauer und so fort aus Freund-
schaft und in derHoffnung, dass diese auf die Dauer
gerade in üffentlicheSammlungen Europas übergehen
sollten, angefertigt habe, die Prachtpublikationen
und Kataloge von einzelnen Ausstellungen in Berlin
und so fort, wie unsere Arbeiten über einzelne
Künstler, bahnen den Händlern die Wege zu den
Sammlern und geben ihnen zugleich die Mittel der
Reklame für ihre Käufer an die Hand. So gelingt

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