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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 1
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Gurlitt, Cornelius: Das englische Porträt im achtzehnten Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0031

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wenig kümmerte. Die Jugendliebe mochte ihm in
seinen grossstädtischen Kreis nicht hineinpassen.
Er selbst blieb aber in Ausdrucksweise und Mund-
art der Mann vom Lande, an dessen Sprache Er-
ziehung und Belesenheit keinen Anteil hatten. Aber
dabei hatte er stets Dichter und Schriftsteller um
sich, die ihn zu entdecken und den Inhalt seiner
Werke geistreich zu erläutern nicht müde wurden;
die ihn drängten, grosse geschichtliche Werke,
Geistreiches zu schaffen. Denn auch im Leben
freute man sich seiner witzigen Einfälle, die er in
seiner derben, stossweise vorbrechenden Redeweise
aussprach. Man lächelte wohl über die Neigung,
die Ausspracheseiner Uberzeugungen durch Thränen-
ausbrüche zu bekräftigen. Seine Freunde trauten
sich nicht, ihm die Geschichte eines tugendhaften
Menschen zu erzählen, weil man sicher sein konnte,
dass er in Heulen ausbrechen werde. Dagegen er-
regte ein schlechtes Bild ihn zur Wut, und ein Bild
war in seinen Augen schlecht, das brennend sinn-
liche (inflamed meretricious) Farben zeige. Aber
der rührselige Mann hatte ein besonders weiches
Herz für schöne Frauen, so sehr sich die tugend-
hafte englische Geschichtsschreibung auch müht,
ihre Lieblinge vor solchem Vorwurf zu schützen.
Das Bezeichnende für seine SchafFensart, sagt seine
jüngste Lebensbeschreibung, ist das unmittel-
bare Hervortreten seines scheuen Ablehnens
dessen, was gekünstelt und unsittlich ist: dies
sei das Ergebnis einer durchgebildeten Um-
gebung und einer überlegten Würde. Man
lobt Romneys unwiderstehlich anziehende
Kraft, lobt den verführerischen Reiz seiner
lieblichen Mädchengestalten, die eben das
verwirrende Geheimnis des Geschlechtslebens
berührt habe; doch thut man dies nicht, ohne
darauf hinzuweisen, dass auch jeder Hauch von
Verführung vermieden sei. Das, was der eng-
lischen Kunst so oft zum Nachteil wurde,
das Geschlechtslose, die mangelnde Sinnlich-
keit oder doch das Liebäugeln der Tugend-
haften mit diesem Mangel — das will man
gerade in Romney verwirklicht finden.

Mir scheint, als wenn dies auch hier
zutrifft in allen den Bildern, die etwas Höheres
vorstellen sollen, in denen der Dargestellte
eine Rolle spielt. Wie Miss Lyons, nachdem
sie verschiedenen Vätern vier Kinder geboren,
mit ausserordentlichem Geschick die heilige
Cacilia oder eine Bacchantin, die sehnsuchts-
volle Spinnerin am Rocken und das träu-

merisch versonnene Mädchen, die kindliche Un-
befangenheit und die leidende Trauer darstellen
konnte, eine Meisterin in der Ausdrucksfähigkeit
durch Haltung und Miene — so vermochte auch
Romney, solchen Stimmungsausdruck im Bilde
festzuhalten, so reichlich ihm auch dabei die Thrä-
nen von den Wimpern gerollt sein mögen. Die
volle Kraft seines Künstlertums zeigt sich aber dort,
wo sein Können ohne diese weichen Nebentöne
arbeitet, im schlichten Bildnis; dort, wo der von
kräftiger Sinnlichkeit belebte und bewegte Künst-
ler einem liebenswürdigen Weibe oder einem tüch-
tigen, bedeutenden Manne entgegentritt, an deren
lebenssicherer Erscheinung er sich erwärmen kann.
Trotz der moralischen Ästhetik Englands sind denn
auch die in jüngster Zeit für Romneys Bildnisse
gezahlten Riesenpreise den ihrer Zeit für nüchtern
gehaltenen Bildnissen zugefallen, jenen, in denen
der feine Hauch eines vornehmen, gesunden Men-
schentums allein waltet, ohne rührselige und tugend-
hafte Nebenbeziehungen.

Die ältere britische Kunstgeschichte ist im
wesentlichen eine Sammlung kleiner Geschichtchen,
durch die das Wesen der einzelnen Meister erklärt
werden soll. Von Romney wird berichtet, dass er
seine Bildnisse eigentlich aus dem Gedächtnis

raeburn, Walter scott

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