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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Gurlitt, Cornelius: Das englische Porträt im achtzehnten Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0032

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gemalt habe. In einer halben Stunde habe er ein
Kniestück angelegt, in Zeichnung und Ausdruck
wie in der Farbenwirkung. Nie habe er nach
einer Skizze gearbeitet, sondern flott die Bilder hin-
gehauen (in the most bold and dashing manner).
Man merkt ihnen dies nur bei genauem Hinsehen
an. Der Strich, so breit und fest er ist, sitzt stets
am rechten Fleck, die Wirkung ist klar und sicher,
und zeigt, dass das Bild nicht aus Einzelbeobach-
tungen, sondern als Ganzes entstand.

Ähnliches wird über Raeburn berichtet: Er
setzte den zu Malenden auf seinen Platz, trat Schritt
für Schritt zurück, betrachtete ihn lange, um dann
auf die Leinwand zuzueilen, und ohne Seitenblick
darauflos zu arbeiten.

Man möchte glauben, dass die Bilder Raeburns
selbst darauf weisen, dass er in solcher Weise ver-
fuhr. Das Bezeichnende ist das feste Zusammen-
halten der Massen, die kräftige Modellierung durch
entschiedene Schatten. Das Bild giebt in über-
raschender Weise das, woran man den Menschen
erkennt: nicht die Einzelheit, aber den ganzen Bau
des Kopfes in vollendeter Sicherheit. Der breite
klare Strich, die flächige Behandlung hat die Schot-
ten mit Recht an Velazquez erinnert — von dem
Raeburn schwerlich auch nur ein Bild sah. Sein
Schaffen ist durchaus eigenartig und auch von Rey-
nolds, mit dem er erst als fertiger Meister in Ver-
bindung trat, keineswegs beeinflusst. An mann-
hafter Wucht übertrifft der schottische Akademie-
präsident ganz erheblich den englischen. Aber auch
Frauenbilder gelangen ihm trefflich.

Die Nachfolger hatten mehr elegance als die
ältere Schule. Hoppners Schaffen ist bei seinen
Lebzeiten nicht ganz in der Weise anerkannt wor-
den, wie dies jetzt der Fall ist. Mit Recht sagt ein
Zeitgenosse: in seiner Absicht, den Gentleman zu
schildern, habe er oft den Mann nicht darzustellen
verstanden: er sei zu verfeinert und zu wohlgesittet
(civilized and genteel) gewesen, um packend und
wirksam zu werden. Das wies ihn darauf hin, der
Schilderer von Frauen und Kindern zu werden.
Da konnte er seinem Zug zu spielender Anmut
Genüge thun, jener klaren Frische in Ton und Zeich-
nung, die seine Arbeiten zu den feinsten Schöpfun-
gen der Zeit erheben. Wie allen diesen Briten, ist
ihm Sicherheit im Erreichen seiner Ziele, eine
ruhige Selbstverständlichkeit des Schaffens, eine
mühelose Erfüllung des malerischen Zweckes eigen,
durch die die künstlerische Absicht erfüllt wird,
ohne dass man irgendwelche Anstrengung merkt.

Lawrences Glanzzeit fällt schon in die Tage
der Wiederherstellung der Fürstenmacht. Die alte
Form der Vornehmheit brachte die alte Kunst:
Die Säule und der Teppich als Hintergrund im
Bildnis wurde von ihm wieder aufgenommen. Das,
was die bürgerlichen Tage Reynolds und die derbe
Schottenkraft Raeburns errungen hatte, den Dar-
gestellten aus seinem Menschentum allein wirksam
und betrachtenswert zu machen, fiel unter dem
Wunsch, die im Revolutionszeitalter schwankend
gewordenen äusseren Würden wieder zur Schau
zu bringen. Selbst ein schöner Mann, ein Lilien-
knicker, stolz darauf, sogar mit der Prinzessin von
Wales ins Gerede gekommen zu sein, hielt er
darauf, sich gut zur Schau zu bringen. Selbst eine
Antwort auf die einfachste Einladung, sagt eine
Dame von Welt, wurde bei ihm zum Liebesbrief.
Die einfachste Geschichte erzählte er Frauen mit
dem Wispern des Liebesgeheimnisses. Seine Kunst
im Vortragen pflegte er, indem er selbst dichtete.
Man erzählt, Lawrence habe in seiner Jugend ge-
schwankt, ob er Schauspieler oder Maler werden
solle; es ist ihm als Maler ein Zug zum Schau-
spielerischen geblieben. Wieder treten die Gestal-
ten in ihrem Staatsgewand vor die feierlich ge-
ordneten Hintergründe. Sie thronen, und zwar thun
dies auch die schönen Frauen, auf deren kostbaren
Kleidern etwas zierige Kinder ihr allzu schelmisches
Wesen treiben. Die Mama hat sich eigens frisieren
lassen, zeigt den schönen Hals, die vollen Arme
und ist sich bewusst, dass sie Entzücken um sich
verbreitet. Er arbeitete schwer; ein Mann von un-
erschütterlichem Fleiss, mutete er denen, die er
malte, viel zu. Stundenlang und in oft wieder-
holten Sitzungen hielt er sie fest, sorgsam das Bild
aufbauend, vorsichtig die Töne abwägend. Die
Umgebung ist wohlüberlegt, sie hilft den Blick in
das Bild lenken, das eine Komposition ist, ein
Werk planmässiger Anordnung, Selten überlässt er
sich der Eingebung des Augenblickes; doch es ist
das so Geschaffene vielleicht sein Bestes. Aber zu-
meist spürt man aus dem Werke den Fleiss, die
Mühe. In dem Streben nach glänzender, bestechen-
der Wirkung kann er sich nicht genug thun im
Herausarbeiten der Farbe, im Durchleuchten des
Fleisches, in der Feinheit der Modellierung.

Immer noch plagt auch ihn der „Geist". Es
ist hier nicht zu reden von seinen geschichtlichen
Bildern, an denen so wenig Freude zu holen ist,
wie an den verwandten Werken seiner grösseren
Landsleute. Auch er pflegt die Kunst der „half-

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