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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 1
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Moore, George; Meyerfeld, Max: Erinnerungen an die Impressionisten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0037

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Menseben, die sie selbst sind und nur sie selbst, und
keiner ivarje mehr er selbst als Sie, lieber Steer. Ich
habe nie eine Veränderung; an Ihnen wahrzunehmen
vermocht seit dem Abend, da ich Sie kennen gelernt
habe vor zwanzig Jahren, als Sickert uns vorstellte.
Von jeher haben sich Sickerts Freunde gegenseitig gern,
Männer und Frauen.

Sie sind in Ihrer Malerei ein bisschen national ge-
worden, sind von den Impressionisten zum englischen
achtzehnten Jahrhundert übergegangen. Doch ich darf
nicht über Malerei reden. Ich denke an den Pracht-
kerl, der von Zeit zu Zeit seine Freunde gern bei sich
sieht, ihnen sein Chelsea-Porzellan zeigt, gute Zigarren
und Portwein giebt und ihnen zuhört, wenn sie von
Malerei sprechen; ich denke im Traum an meinen
famosen Freund, den ich vor zwanzig Jahren in der
Cock- Taverne getroffen habe. Und es freut mich, dass
wir uns in einer Kneipe begegnet sind. Wieviel an-
genehmer ist die Erinnerung, als wenn wir uns im
Salon der Herzogin von Soundso getroffen hätten. Ihr
Leben, lieber Freund, setzt sich aus Empörungen gegen
den Salon zusammen. Hin und wieder lassen Sie sich
gegen Ihren Willen hinschleppen, dann murren Sie bei
uns über eine Einladung, die Sie nicht ablehnen konn-
ten. Sie wussten instinktmässig von Anfang an, dass
Salon und Kunst unverträglich sind, dass das natür-
liche Heini der Kunst die Kneipe oder das Cafe ist.
Und vielleicht hab ich an Sie gedacht, als ich der
königlichen Kommission, die nach Dublin kam, um zu
erkunden, ob etwas geschehn könne, der Kunst in Ir-
land aufzuhelfen — als ich ihr sagte, sie könne der
Kunst weit mehr durch Gründung eines Cafes, als durch

irgend eine andre Massnahme aufhelfen. Es war
auch ein Sachverständiger bei der Kommission; der hielt
meinen Vorschlag für „etwas ausgefallen". Aber er
hatte ein Buch über Shakespeare geschrieben; ich nahm
daher die Gelegenheit wahr, ihn an die Mermaid-
Taverne zu erinnern. Was Dublin braucht, was
London braucht, das sind nicht Bildervermächtnisse
oder Museen, sondern Cafes, Lokale, wo wir uns treffen
und so lange sitzen bleiben können, wies uns behagt,
bis zwei mindestens. Eine Grenze muss es geben,
sonst käme der todmüde Besitzer an der Spitze seiner
Kellner und ersuchte uns aufzubrechen. So pflegte es
im Neuen Athen zu gehn. Wir schieden mit Aus-
drücken des Bedauerns oder setzten unsre ästhetischen
Gespräche auf dem Pflaster fort.

Die grossen Tage des Neuen Athens waren vor-
über, als Sie nach Paris kamen. Sie kannten es nicht
mehr, aber Sie interessierten sich dafür. Sie hören
dieselben Geschichten immer wieder mit Vergnügen,
und Sie werden die Geschichte, die ich Ihnen so oft
erzählt habe, mit Vergnügen lesen: wie ich die Kunst
der Impressionisten von ihren Anfängen an beobachtet,
wie ich sie theoretisch an den Marmortischchen habe ent-
wickeln hören und praktisch bethätigen sehn in der Rue
d' Amsterdam, wo Manet wohnte, und an den Ufern
der Seine, wo er mit Monel hinging, um zu malen.
Diese Männer sind Ihre Sippe und Magen, lieber
Steer, und deshalb komme ich auf den Gedanken, Sie
zu bitten, die wenigen Seiten hier in Erinnerung an
unsre lange Freundschaft und meine Bewunderung
für Ihre Malerei entgegenzunehmen.

Stets Ihr aufrichtig ergebner G. M.

Erinnerungen an die Impressionisten.

Es war ein Glück für mich, dass ich Männer
wie Manet, Degas, Renoir, Pissarro, Monet und
Sisley in ihren Anfängen kannte, ehe die übrige
Welt etwas von ihnen wusste.

Als mir meine Mutter die Wahl Hess zwischen
Oxford und Cambridge, sagte ich ihr, ich sei ent-
schlossen, nach Paris zu gehn.

„Und deine Bildung, lieber Junge —■ du hast
ja auf der Schule nichts gelernt."

„Eben darum, liebe Mutter, hab ich vor, mich
ganz meiner eignen Bildung zu widmen, und die
kann man sich meiner Meinung nach eher im Cafe
als auf der Universität verschaffen."

So ging ich denn mit einem Kammerdiener
nach Paris. Ich muss ihn unbedingt erwähnen,
denn ein Diener bedeutet, dass man im Banne ge-
wisser Konventionen ist; der junge Mann aber, der
nach künstlerischen Erlebnissen fahndet, muss sich
von allen Konventionen zu befreien suchen—von
politischen, gesellschaftlichen, konfessionellen.

Mein Diener blieb nur sechs oder acht Monate
bei mir. „Sein beständiges Stöhnen nach Roast-
beef, Bier und einem Weib, seine Unfähigkeit, auch
nur ein Wort einer fremden Sprache zu lernen —
die Betten, in denen er nicht schlafen, und die
Weine, die er nicht trinken konnte" — — ich
 
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