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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 1
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Moore, George; Meyerfeld, Max: Erinnerungen an die Impressionisten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0036

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Man hält es vielleicht für geschmacklos, dass ich
diese kleinen Züge erwähne; aber solange Tonks und
Rothenstein und Mc Call undHarrison ihre Erwähnung
nicht für geschmacklos halten, ist es mir einerlei, was
andre denken. Denen wird es gewiss einerlei sein.
Ich spreche also weiter von Ihren Schnurren.

An unsern Schnurren kennen uns unsre Freunde
und lieben uns um ihretwillen. Wir alle haben unsre
kleinen Eigentümlichkeiten, und unsre Freunde werden
es für wohlgethan halten, wenn ich erzähle, wie Sie
nachmittags um die Trödlerläden herumstreichen.

Sobald das Modell fort ist, machen Sie Ihren
Spaziergang. Sie müssen sich Ihre Gesundheit er-
halten, denn das Mädel kommt am andern Morgen
um zehn Uhr wieder. Wir alle kennen Ihre Lieblings-
läden — den einen in Portland Street und den andern
am Ende von Bayswater Road nach Kensington zu.
In dieser Strasse — war es nicht die dritte Ecke rechts,
das Gässehen hinauf zur Linken, im Gemüseladen,
wo Sie die Battersea-Leuchter entdeckt haben, die mit
Grün am Fuss? Battersea-Leuchter sind nicht Ihr
Fall, wenn sie nicht Grün am Fuss haben. Sagen Sie
mir doch — wie leicht man Dinge vergisst, die man
im Gedächtnis hegen möchte! — ich habe vergessen,
wie die Strasse heisst — war's nicht irgendwo in
Camden Town, wo Sie in einer Bude ein Bild auf-
gabelten, das wir einstimmig für einen Le Nain er-
klärten? Und erinnere ich mich nicht, wie ich mich
bei Ihnen nach der Adresse des Ladens erkundigte, in
dem Sie den ausgezeichneten Portwein, den wir letzten
Sommer getrunken, und die Zigarren, die wir letzten
Sommer geraucht haben, kauften? Erst wollten Sic
nicht gleich den Namen des Ladens verraten, aber ich
habe Sie schliesslich doch herumgekriegt, und lachend
gestanden Sie, sie in einem alten Möbelladen gekauft
zu haben. Ihr merkwürdiger Riecher hatte Sie heraus-
wittern lassen, dass der Möbelhändler die Zigarren
und den Wein für eine faule Schuld genommen hatte.
Wie Sie derlei entdecken, weiss niemand, und Sie
können es auch nicht sagen; das Geheimnis lässt sich
so wenig mitteilen, wie das Ihrer schönen Malerei.

Verzeihen Sie mir, lieber Freund, dass ich über
Ihre lieben Schrullen schreibe. Ich habe jedoch nur ein
Gehirn, und so denke ich, und wie ich denke, muss
ich schreiben. Seien Sie indes versichert, dass mein
dreister Leichtsinn mich nicht hindert, den Künstler
ebensosehr wie den Menschen zu bewundern. Wenn
ich von Dingen spreche, die lediglich Ihre persön-
lichen Freunde kennen, so thu ich es, weil ich Ihr
Porträt malen möchte, um der Welt zu zeigen, wie
mein Freund ist und warum ich ihn gern habe. Das

kann ich nicht, wollte ich Ihre Ansichten und Ideen
mitteilen. Sie haben keine, hatten nie welche, werden
nie welche haben. Abstraktes interessiert Sie nicht;
Sie sind für das Konkrete, und es würde Ihnen nie
einfallen, Betrachtungen darüber anzustellen, in wel-
cher Kirche man eins Ihrer Bilder aufhängen sollte,
wenn Sie ein religiöses Bild malen würden, oder ob
Ihre schönen Frauen keusche Gedanken erwecken. Sie
sind eins von den prachtvollen Geschöpfen ohne Reli-
gion, ohne Moral, die zufrieden sind zu leben, die den
Unbestand dieser Welt lieben. Und Sie machen sich
auch nicht allzuviel unnütze Gedanken, wie so mancher
andre, über die technische Seite der Malerei: was für
Leinwand man nehmen soll, rauhe oder glatte, ob Ter-
pentin oder Paraffinöl besser ist. Sie haben nie lange
über die interessante Frage der runden oder flachen
Pinsel debattiert oder darüber, ob der Daumen ein
dem Pinsel überlegenes Instrument oder der Spachtel ein
beiden überlegenes sei. Sie sind eben ein schlichtes Ge-
müt mit einer Malerbegabung. Und ich erinnere mich,
wie wir alle über die Beschreibung Ihrer Reise nach
Paris mit Furse gelacht haben. Sie hatten Zahnweh,
und Furse schwatzte die ganze Zeit. Sie haben uns
nicht erzählt, worüber er sprach, aber wie leicht kann
man sich das vorstellen — über die Venetianer, Corots
Sehvermögen, Whistlers Dandytum. Wir alle beneiden
Sie um Ihr schlichtes Wesen.

Mir ist, als hörte ich Sie der von der Academy ge-
schickten Abordnung sagen — oder war's ein einzelnes
Individuum, das man zu Ihnen geschickt hatte mit der
Bitte, Sie möchten Ihren Namen auf die Liste setzen
lassen? — ich kann Sie sagen hören, im grossen und
ganzen dächten Sie, Sie möchten Ihren Namen lieber
nicht darauf haben. Die langohrigen Tiere aus dem
Bilderhändlerstall sind also bei Ihnen gewesen? Na
ja. Sie sind Ihnen grunzend vor den Beinen herum-
gelaufen, aber es ging auch ohne Fusstritt ab, einfach
lächelnd mit einer abschlägigen Antwort. Und Sie
müssen sich gewiss unbehaglich gefühlt haben, wäre
die Unterredung fortgesetzt worden, denn das Modell
wartete ja. Hätten Sie Ihren Namen auf die Liste
schreiben lassen, so wären Sic bestimmt das nächste Mit-
glied der Academy geworden. Aber was hätte Ihnen
das genützt? Sie haben der Academy zum Trotz Ihren
Ruf erlangt. Jetzt zu ihr übertreten, das wäre
unklug gewesen, die Academy kann Sie nicht fördern;
aber darauf möchte ich kein Gewicht legen. Mich
interessiert Ihre abschlägige Antwort, nicht weil sie
klug war, sondern weil sie Ihnen so ganz ähnlich sah.

Es ist etwas Rührendes, etwas sehr Gewinnendes
an Herzensreinheit, an Charakterausgeglichenheit, an

zi
 
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