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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 3
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Moore, George: Erinnerungen an die Impressionisten, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0138

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ERINNERUNGEN

AN DIE IMPRESSIONISTEN

VON

GEORGE MOORE

Eines Tages wird man die Frage erörtern müssen,
ob die Anschaffung von allerlei Schnippsein, von
Stühlen, Schüreisen, Karaffen, und der Bau kost-
spieliger Häuser, worin man sie mit ausgestopften
Vögeln und Eskimobooten und allem Krimskrams
der Südsee-Insulaner aufschichtet, nicht eine Ver-
schwendung des Staatsvermögens ist. Jedes Zeit-
alter hat seineThorheit; dieThorheit des zwanzigsten
Jahrhunderts ist wahrscheinlich der Drang zu bilden.
Ich sage nicht: der Bildungsdrang — davon ist sehr
wenig zu spüren. Es ist gar nichts Ungewöhnliches,
Menschen zu begegnen, die zugeben, dass sie nicht
gebildet sind, und wir treffen auch Menschen, die
zugeben, dass sie nicht imstande sind, sich zu bilden,
aber wir treffen nie jemand, der zugiebt, dass er
nicht irgend jemand anders zu erziehen vermag.
Daher die Beliebtheit der Museen. Doch der
Mensch ist voller Ausflüchte und Vorwände. Er
möchte gern jemand erziehen, aber er scheut sich,
etwas zu thun, das die Gegenwart stören könnte.
Das ist die grosse Furcht des gemeinen Mannes:
die Gegenwart auch nur im geringsten zu stören.
Deshalb füllt er Museen mit toten Gegenständen,
die nie einen Wunsch, einen Trieb, eine Vor-
stellung aufkommen lassen können, und legt Ehre
ein, indem er zur Bildung eines Volkes beiträgt,
ohne irgend etwas hinzuzufügen.

FORTSETZUNG

Möglicherweise tu ich dem gemeinen Reichen
unrecht. Vielleicht liegt der Grund, warum seine
Schenkungen an Museen in der Hauptsache aus
alten, toten Gegenständen bestehn, die der Geist
des Lebens verlassen hat: aus alten Münzen, alten
Pergamenten, alten Gemälden — vielleicht liegt
der Grund darin, dass er wertvolle moderne Ge-
mälde nicht zu erwerben versteht. Ich gebe zu :
die Schwierigkeit ist gross, und die Versuche, die
man unternommen hat, Sammlungen moderner
Gemälde zu erwerben, sind nicht von Erfolg be-
gleitet gewesen. Ich spiele hier auf die Tate-
Galerie an. Was wir brauchen, ist eine Muster-
sammlung, ein Wahrzeichen. London braucht eine
solche, jede Stadt in England braucht sie. Die
einzigen schönen Bilder in der Nationalgalerie
sind alte Bilder, und zum Zweck der Belehrung in
der Kunst der modernen Malerei sind alte Bilder
nutzlos, denn das ganze Verfahren der Malerei hat
sich in den letzten hundert Jahren geändert.

Ein so tiefgreifender Umschwung hat sich voll-
zogen, dass wir Modernen nicht mehr wie die alten
Meister empfinden und sehn. Das wird Jedem ein-
leuchten, der in den Louvre geht, um einmal nach-
zuprüfen, wie die alten Meister gemalt haben. Er
wird finden, dass alle Bilder vor dem neunzehnten
Jahrhundert zuerst in schwarz und weiss gemalt

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