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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0188

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CHRONIK

HERBSTAUSSTELLUNGEN.
Nur das gute Kunstwerk haftet im Gedächtnis; das
schlechte wird dem Geiste in dem Augenblick schon
unklar, wo das Auge sich abwendet. Die Grade der
Erinnerungskraft können darum als Faktoren des Kri-
teriums angesehen werden. Wenn der ernsthafte Be-
trachter nach wenigen Wochen schon sein Gedächtnis
mühsam zwingen muss, das Gesehene als sinnliche Vor-
stellung wieder herauszugeben, so ist das kein gutes
Zeichen für die Künstler, um deren Werke es sich
handelt.

Ein Rückblick auf die Ausstellungen dieses Herbstes
nötigt den Kunstrichter zu dem Geständnis, dass
ihm aus der Masse des Vorgeführten nur sehr We-
niges lebendiges Erlebnis geworden ist. Am kräftigsten
wirken neue Bilder von Liebermann nach, die, neben
vortrefflichen alten Holländern, bei Cassirer hingen und
wieder bestätigten, dass die frühere Monumentalität
aus den Alterswerken Liebermanns immer mehr ver-
schwindet, um einer mehr lyrischen Feinmalerei Platz
zu machen. Aber man kann nicht immer nur von Lieber-
mann sprechen. Leistikow interessierte in derselben

Ausstellung durch ein paar hellere und farbenfrohere
Stimmungen; die Stilidee tritt in seinen letzten Arbeiten
nicht mehr so anspruchsvoll vor die lebendige Impression.
Heinrich Nauen endlich, der zugleich debütierte, hat sich
kühn van Gogh als Vorbild erwählt. Mit unzweifelhaftem
Talent. Diese Wahl verrät Ehrgeiz, ist aber so gefährlich,
dass sie in der Folge noch durch anderes als durch Talent
legitimiert werden muss: durch starke Willenskraft und
durch eine Phantasie, die selbständiger Transfiguration
fähig ist.

Bei Schulte geriet der Besucher am Beginne der
Saison in einen Ozean von Ölfarbe. Es entsteht neuer-
dings ein Maljargon internationaler Modernität, der in
äusserlich charakterloser Weise vom Impressionismus
herkommt. Am liebsten schwadroniert darin das ent-
schiedene manuelle Talent, das heute überall wild
wächst. Die jungen Spanier Castelucho und Mezquita
wirtschaften mit grellen Farben, dass Einem die Augen
beissen. Viel Atelierbegabung; aber nur Kravatten-
kultur. Mezquita ist der Hoffnungsvollere. Doch was
will es sagen, wenn er es wirklich bis zum Zuloaga
bringt! Das heutige Spanien scheint einer ernsthaft sich

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