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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 5
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Elias, Julius: Schwarz-weiss
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0193

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A. GAUL, SCHAFE

man veranstaltet eigene, selbständige Ausstellungen
der „zeichnenden Künste". Liebenswürdige Künst-
lerkaprice steckte die Grenzen sehr weit, man stopfte
alles in die Sammlung, was die findigen Hände
nur erraffen können: Studien, Skizzen, Radierungen,
Lithographien, heliographische Reproduktionen,
Schönschriftliches, Pastelle, Gouachesachen — ein
„Salon" so gross, dass Jeder seinen Spezialsalon
darin erleben konnte. Und das Schönste war, dass
sich der Genuss hier aus früher verachteten Dingen
zusammensetzte. „Werkstatt des Künstlers" — eheu!
Was im lässig-launigen Spiel der Kräfte die Per-
sönlichkeit hervorbringt, im ersten Anlauf, was
sie sich erobert auf den ersten Anhieb, ist doch nur
Nebenwerk, Mittel zum Zweck seiner grossen,
runden, fertigen Sachen; das soll der Künstler für
sich behalten, in seinen Mappen verschliessen
Mit dem Impressionismus kamen dann die Zeiten
herauf, da die schwärmende Studie mehr inter-
essierte als das endlich gewonnene, der reifen
Wirkung zugeführte Bild. In diesen Studien konnte
in höherem Grade etwas Erlebtes und Ausgelebtes
sein als auf der ausgeführten Leinwand. Vor
zwanzig Jahren habe ich meine Sammlung damit
begründet, dass ich lauter Studien kaufte; die
Menschen, die zu mir kamen, sagten mir ins Ge-
sicht, dass ich nicht bei Tröste sei. Ich aber war
glücklich über meine malerische „Visitenkarten"-
Schale ; über diese schönen, schimmernden, unauf-

fälligen Dinge, die ohne Ausstellungsgedanken ent-
standen waren, diese kleinen Wunderwerke einer
grossen unbewussten Stunde. Am farbigen Abglanz
haben wir das Leben; hier hatte sich mit rascher,
starker Faktur die Hand nachschaffender Künstler-
menschen ins Leben der Natur hineingeschrieben.

Die Künstler wussten lange, dass in ihren
Mappen, in den Winkeln und Kästen ihrer Arbeits-
stätten ihr Wichtigstes und Bestes verborgen lag.
Etwas, das Erzeuger und Erzeugtes zugleich war.
Wie man über einem Brunnen hängt und plötzlich
sein Antlitz erblickt in kristallener Klarheit, so
lagen sie wohl über diesen stillen Tiefen, dem
„Urborn der Schöpfung", und fanden da die Phy-
siognomie ihres Wesens unmittelbarer und einpräg-
samer wieder als in den grossen Werken, die die
Welt bewunderte. Es ist der Schöpfergenuss in
Einsamkeit. Wenn der Künstler nur von „des Aus-
formens Seligkeit" erfüllt und mit keiner Faser
des Seins einem Andern tributpflichtig ist.

In der modernen Zeichenkunst konzentriert
sich diese egoistische Art des Künstlerseins. Auf
dem Weg über die Malerei ist sie so geworden,
wie sie ist. Und in den Zeichnungen eines Max
Liebermann wiederum, in diesem einfach abge-
stuften Spiel von Schwarz und Weiss, steckt mehr
malerischer Geist und Gehalt als in hundert aus-
kolorierten Bildern, die die Wandflächen unserer
Ausstellungen und Museen bedecken.

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