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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 7
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0312

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---Auch beabsichtigt die Generalverwaltung der

Museen an einigen Wochentagen ein bescheidenes Ein-
trittsgeld zu erheben. Allgemeine Polemik. Plötzlich
erinnern sich Die, die nie ins Museum gehen, ihrer
Rechte als Steuerzahler. (Wie immer, am lebhaftesten
die am niedrigsten Besteuerten.) Das Museum als Volks-
bildungsstätte wird entdeckt, wo es doch im wesent-
lichen leider nur eine Sehenswürdigkeit und eine Volks-
wärmehalle ist. Wer aus Passion ins Museum geht und
die Expedition zur Museumsinsel nicht scheut (die
Verbindungen mit dieser Gegend sind spottschlecht!),
freut sich der Absicht der Verwaltung. Er hofft endlich
Ruhe zu haben; nicht mehr in Verzweiflung zu geraten,
wenn Schaugierige sich mit irritierender Pünktlich-
keit zwischen Bild und Auge stellen; hofft von den
Beamten nicht mehr wie ein Arbeitsloser oder Ver-
dächtiger betrachtet zu werden. Bisher wars entsetzlich
unbehaglich. Man wird auf den Tisch schlagen dürfen,
wenn man bei einem bezahlten Besuch immer noch die
unnützen Kopisten antreffen sollte, die durch ihre
schlechten Leistungen ärgern, und mehr noch durch die
Neigung, gerade die Bilder immer mit ihren Gerüsten
zu verbauen, die zu sehen man einen halben Tag ge-
opfert hat.

Der fünfzigjährige Geburtstag Klingers hat Amsler
& Ruthardt Gelegenheit gegeben, die Radierungen
dieses Universalisten auszustellen. Neben den bekannten
Blättern, die immer wieder mit siegreicher Überlegenheit
den Geist des Betrachters in eine Welt klassischer Roman-
tik zwingen und ihn dort mit suggestiver Kraft festhalten,
waren neueFederzeichnungen ausgestellt. Umrahmungen
zu einem Werk, das den Titel Epithalamia führt. Für
Klingers, des Radierers Eigenart kann kaum ein Thema
günstiger liegen, als das des Hochzeitsliedes. Denn diesem
Lebensdurstigen strömt aus derNatur überall die wollende
Kraft entgegen, wie aus der berstenden Frucht der
Same quillt; in ihm sucht eine vom rastlos associieren-
den Hirn beherrschte, stolze Vitalität die künstlerischen
Gestaltungsmöglichkeiten. Immer drängt es ihn, das
hohe Lied des Lebens zu verkünden; und er sieht eigent-
lich im ganzen Dasein immer nur das ewige Hochzeits-
fest der zu Gestaltung und Umgestaltung drängenden
Urkraft. Kein Sinn dieses Künstlers, der nun auf der
Mittagshöhe des Lebens steht, ist stärker ausgebildet
als der, den man das Witterungsvermögen für die Ero-
tik der Natur nennen könnte. Grillparzer lässt die
Nymphen singen:

„Was dem Gott am nächsten schier,
Ist am nächsten auch dem Tier!"
Kehrt man diese tiefsinnige Wahrheit um, so versteht
man, warum eine mächtige erotische Lebenskraft Klinger
zum Heroischen und Klassischen führen musste. Ihr
wenn auch epigonisches so doch echtes Olympiertum,

schöpft diese kernige Persönlichkeit aus dem hellsich-
tigen, gestaltenbildenden Rausche, den die Hochzeits-
brunst der Natur im lebensgierigen Aristokratengeiste,
grausam und wohlthätig zugleich, hervorruft.

Die Ausstellung schwedischer Kunst im Künstlerhaus
hätte als eine Ausstellung schwedischen Kunstgewerbes
angekündigt werden müssen. Denn zum gewerblich
Dekorativen neigen mehr oder weniger alle der dort
anwesenden Künstler. Mit Ausnahme Zorns. Der ist
ein Internationaler, ist in dem — besseren — Sinne etwa
schwedisch, wie Liebermann deutsch ist. Und steht
vermöge dieser internationalen Malkultur hoch wie
dieser über der kunstgewerblich zeichnenden und ge-
mütvoll dekorierenden Heimatkunst. Einer Heimat-
kunst, die heute in allen europäischen Ländern fast
anzutreffen ist und die trotz so energischer Berufung
auf das spezifisch Nationale, ebensowohl auf einer inter-
nationalen Zeitenergie beruht wie der deswegen so stark
geschmähte Impressionismus. Diese seltsam elastische
Zeitenergie der Heimatkunst ist eben das neue Kunst-
gewerbe. Darum versteht der deutsche Heimatkünstler
so gut auch den englischen, schweizerischen oder schwe-
dischen Nationalisten der Kunst.

Eine Persönlichkeit wie Hallström sieht dem späten
Thoma so ähnlich und ein Maler wie Hesselbom gleicht
in manchen Zügen so sehr unserm Schultze-Naumburg,
dass ihre Arbeiten ohne weiteres von den vaterländi-
schen Kunstwartvereinen als nationale Seelenkunst
proklamiert werden könnten. Schwedisch wirken ihre
Bilder nur durch den Schnee, durch die Fjords — durch
das Gegenständliche. Und „seelenvoll", das heißt: deko-
rativ primitiv, wirken sie, weil es im Grunde Kartons
für Wandteppiche sind. Fjaestad hat die Konsequenz
gezogen und seine Naturmotive in der That weben
lassen; er schlägt mit seinen Teppichen die meisten
Bilder seiner Kollegen. Bei Larsson ist die Buchillustra-
tion zum Bild geworden. Und das ist schade, denn
Larsson ist in seiner Art eine Individualität. Nicht sehr
spirituell, nicht leidenschaftlich, sondern handwerker-
haft gesund, von Herzen heiter, glückfroh und rustikal.
Rustikal mit Neigungen zum spitzfindigen Raffinement.
Er hat das Paris Cherets und — ach! — auch Muchas in
seinem Sommerhäuschen in Dalekarlien nicht vergessen.
Ein Virtuos des Handgelenks, ein lachender Kalligraph
— sicher pfeift er beim Arbeiten —, der kritiklos genug
ist, auf einer Riesenleinwand „Weihnachtsabend" mit
roter Farbe eine schreckliche Katastrophe anzurichten.
Diese Heimatkünstler — auch Björck, ein schwedischer
Erler, ist zu nennen — sind wirklich zu naiv: sie ver-
größern kleine Zierrate ins Riesenhafte, nennen das
Freskostil und verlangen, Manet und Degas sollten be-
schämt ihr Malgerät zusammenpacken. Auch diese
Schweden werden, trotz ihrer turnerischen Frische, hier

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