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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 8
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Mayr, J.: Leibl und Sperl
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0345

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J. SPERL, LANDSCHAFT AM AMMERSEE

Seit i 865 aufs engste befreundet, lebten die
Künstler, wenn auch zeitweise durch die An-
forderungen des Lebens getrennt, im grossen und
ganzen zusammen; und sie waren, seit sich Sperl
der Landschaft widmete, auch äusserlich vereinigt.
Aber selbst in Zeiten des Fernseins von einander
waren sie stets von ihrem Leben und Streben, von
ihren Leiden und Freuden unterrichtet und Jeder
nahm Anteil an den Arbeiten des Anderen, als ob
es seine eigenen wären. Man konnte Leibi keine
grössere Freude machen, als ein Bild Sperls auf-
richtig zu bewundern und er wurde nicht müde,
auf dessen Schönheiten hinzuweisen. Immer wieder
konnte er mit dem feinen Lächeln, das seine innige
Freude ausdrückte, vor diesen Werken verweilen,
und wenn er in ein Zimmer trat, in dem Sperlsche
Bilder neben seinen eigenen hingen, so war sein
nächster Gang zu den ersten, vor denen er dann
stand, als hätte er sie noch niemals gesehen. Er
betrachtete Sperls Kunst wenigstens als gleichwertig,
wenn nicht als höher stehend als seine eigene. Um-
gekehrt hatte Sperl von Anfang an, auch zu einer
Zeit, wo er ihm noch nicht so enge verbunden war,

die höchste Bewunderung für seinen Freund. Der
Glaube an dessen Genie war ihm schon in jungen
Jahren zum Dogma geworden, und in der Zeit
tiefster Verkennung war er es, der den Meister auf-
richtete, wenn er kleinmütig werden wollte. Für
Beide lag die Klarheit des Lebens und der Kunst
in der Wahrheit, Beide hatten die gleiche Empfin-
dung für Schönheit, die gleiche Verachtung für
das Gemeine.

Wer kann abwägen, wer mehr gegeben, wer
mehr genommen hat! Der Aufopferung Sperls
stand der bestimmende Einfluss gegenüber, den Leibi
übte.

Anderseits aber muss man auch bei Leibis
Künstlergang bedenken, dass Sperl vielfach darauf
einwirkte. Mit Tadel nicht zurück haltend, aber
den rechten Augenblick dafür wählend, hat der
Freund manches verhütet, was besser unterblieb;
aneifernd und tröstend hat er ihn über viele Stunden
der Schlaffheit und Mutlosigkeit hinweggebracht.
Und wenn einer jener „extravaganten Wutausbrüche"
drohte oder wenn Ungeduld, die sich zu stürmischem
Drängen zu steigern anschickte, eintrat, so war es

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