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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Heilmeyer, Alexander: Ein Brunnenwettbewerb
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0075

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(Ein Brunnenwettbewerb — Josephsxlatz.

kirche und den im modernen Architektur-Potpourri
gehaltenen Platzbilde ausnehmen würde (Abb. \5\).

Auch Zeidlers reizvoller Entwurf eines Zier-
brunnens wäre vielleicht in einem geschlosseneren
Platzbilde, in mehr traulich anmutender Umgebung,
als es der offene Zosephsplatz ist, noch besser unter-
zubringen. Er könnte aber auch am unteren Ende
des Platzes in dem von etlichen päusern gebildeten
einspringenden Winkel stehen. Die Verbindung von
Stein und Eisen ist sehr originell gedacht; es wäre
nur zu wünschen, daß dieses hübsche Zierbrünnchen
auch wirklich einmal ausgeführt würde (Abb. \53).

Ganz im Geiste der malerischen, phantasievollen
Formensprache ist der Entwurf von Ludwig Engler
gehalten sAbb. s52). Besonders reizvoll in seiner ma-
lerischen Silhouettierung erscheint der Brunnenstock
mit den kleinen Schalen und darüber die Figur des
hl. Ehristoph. Wäre nur die Verbindung von Gruppe
und Brunnenstock, das maßstäbliche Verhältnis von
Schalen und Gruppe, dem unteren Teil des Stockes zum
oberen und vor allem die Verbindung des Brunnen-
stockes zu der großen Schale oder den: Bassin etwas
besser geraten! Wie es jetzt ist, gewinnt man den Ein-
druck einer sehr reizvoll angelegten Skizze, für deren
Ausführung man nicht gutstehen kann; immerhin ist
diese Arbeit eine gute Talentprobe und gehört zu den
bemerkenswerten Erscheinungen dieser Konkurrenz.

\5H. Modell von ksubert Netzer.

Was dieser Skizze noch fehlt und was sie hin-
derte zur vollen Geltung zu gelangen und sichere
Gewähr für günstige Wirkungen bei der Ausführung
im großen zu bieten, das eignet Netzers Entwurf
zu einein Jonas-Brunnen. Er geht von ganz ähn-
lichen Voraussetzungen wie Engler aus; es ist der-
selbe Geist der malerischen Formensprache des Barocks,
nur etwas durchgereifter, bewußter verwendet in
seinen eigenartigen plastisch malerischen Wirkungen

;5S. Arönungsgruppe zu Netzers Brunnenmodell.

(Abb. u. (55). Auch zeigt der Netzerfche Entwurf
eine viel klarere Durchbildung der plastischen Motive
und günstigere Maße und Verhältnisse im Aufbau.
Der Unterbau erscheint massig und breit hingelagert
und bildet ein gutes Gegengewicht gegen den Brunnen-
schaft mit seinen Wasserschalen und gegen die den
Stock bekrönende Gruppe. Sind erst einmal in der
weiteren Durchbildung die einzelnen Glieder in das
richtige Verhältnis zueinander gesetzt, ist die Gruppe
vollkommen plastisch gestaltet, dann wird sich ein das
Auge erfreuendes und den Platz zierendes Bild er-
geben, das mit der Umgebung, insbesondere mit den
Kurven- und Wellenlinien der Fassade der Kirche
in: besten Einklang stehen wird. Netzers Entwurf
wurde auch zur Ausführung begutachtet und dein
Künstler Auftrag erteilt. Also hat auch dieser Wett-
bewerb ein positives Ergebnis gezeitigt. München,
die Stadt der schönen Brunnen, wird um ein neues,
schönes Werk bereichert werden. A. p.

Anmerkung: Da hier so viel und so ausführlich von
Wettbewerben die Rede war, sei noch auf einen Umstand hin-
gewiesen, der der Redaktion schon oft Beschwerde gemacht hat,
nämlich die (Ermittlung der Urheber der (Entwürfe. (Es besteht
natürlich eine gewisse Scheu aus der oft sorgfältig geheim gehal-
tenen Anonymität herauszutreten. Urheber interessanter künst-
lerisch wertvoller Arbeiten, denn nur um solche ist es uns zu tun,
haben aber keinen Grund, das (Ermittlungsverfahren zu scheuen
und dürften sich ruhig zu erkennen geben, wir wollten noch viel
mehr interessante Arbeiten veröffentlichen — aber das Dunkel,
in das sich die Urheber hüllten, war nicht zu erhellen.

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