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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Rentsch, Eugen: August Geigenberger
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0342

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August Geigenberger.

Kunst auch in weiteren Kreisen schon da und dort
freunde und Bewunderer erstanden.

Geigenbergers Werk zeigt eine außerordentliche
Vielseitigkeit. Neben grotesken Karikaturen, kapri-
ziösen Fabulierornamenten und kindlichen Drolerien,
die in Zeichnungen und Aquarellen von mannig-
faltigstem Stil und höchst amüsanter wechselnder Technik
uns erhalten sind, finden wir in seinem Werk ernste
und eigenartige Arbeiten ohne irgendwelche peiter-
keitsabsicht. Geigenberger war ein ebenso fein emp-
findender Waler, wie er ein meisterhafter Zeichner war.
Manch liebenswürdig drastischer Künstlerulk, den er
als Vktoberfest-Parodift oder Illustrator der„Iugend"
zum besten gab, hat durch den vortrefflichen male-
rischen Vortrag auch bei feineren Seelen Gnade ge-
funden, allerdings nicht ohne dadurch die Schlagkraft
der beabsichtigten karikaturistischen Wirkung einzu-
büßen. Auch in der plastischen Karikatur versuchte
sich der Künstler mit vollem Glück, wenn auch die
resoluten Bauchtänzerinnen, Bauersfrauen und ähn-
lichen Dinge nicht die ungeteilte Aufnahme fanden
wie seine Offenbarungen kunstgewerblicher Art,
namentlich nicht wie die entzückenden Kinderspiel-
sachen, die sein erfindungsreicher Kopf in immer
neuen, überraschenden Variationen schuf und durch
die er sich vor aller Welt als ein Kinderkünstler
ersten Ranges dokumentiert hat.

August Geigenberger legte allen Nachdruck in
die Komik der Einfachheit, und mit Meisterschaft
wußte er eine Erscheinung auf eine bildliche Sim-
plizität zu reduzieren, die an sich schon das Lachen
herausfordert. Die Bewegung war ihm wichtiger
als die Ruhe, der Pergang bedeutsamer als der Zu-
stand. Gr war ein meisterlicher Dramatiker, wußte
die Situation derart zu steigern und derart im Kerne
zu erfassen, daß sie ohne jedes lähmende Intervall
zu verlaufen schien.

Vor allem aber drängte ihn seine Natur zu
grotesken Vorstellungen, der Poesie des Grotesken
galt feine tiefste Neigung. Seine formende Kraft
schwelgte gerne in phantastisch geschwungenen Linien;
und seine besondere Kunst war es, jede natürliche
Form völlig in diesen Linien aufzulösen, wozu frei-
lich die leichte formale Ausdrucksfähigkeit, die schein-
bare Mühelosigkeit und der Reichtum seiner Produk-
tion, endlich die schöpferische Phantasie dieses so stillen
und bescheidenen Menschen, aber Hellen und schöpfe-
rischen Künstlers gehörten. Die überlegene Herr-
schaft über diese Mittel prägte allem, was er schuf,
den Ausdruck souveräner geistiger Durchdringung auf.

In Wasserburg am rauschenden Inn kam
August Geigenberger 3(875 als Sohn eines sehr ge-
achteten Steinmetzmeisters auf die Welt. In der

728. Nordöstliches Portal des Erfurter Domes.

Werkstatt des Vaters, dem die Innstadt manches
gotische Meisterwerk verdankt, reifte er selbst zum
Handwerker und Künstler und entfaltete dort, nach-
dem er eine Zeitlang die Kunstgewerbeschule in Mün-
chen besucht hatte, gemeinsam mit seinem jüngeren,
künstlerisch hochbegabten Bruder Otto, eine jahre-
lange emsige graphische, buch- und kunstgewerbliche
Tätigkeit.

Geigenberger war von Natur begnadet mit
einem Kindergemüte, und es entsprach nur seiner
innersten Neigung, daß er immer wieder mit Vor-
liebe die Kinderkunst pflegte. In der Tat blühten
ihm nirgends die Erfolge schöner als hier, und in
seinem Werke ist nichts so schlechthin vollkommen
wie die fröhlichen Offenbarungen zu dem Thema
„Kind und Kunst."

Den ersten großen Erfolg auf diesein Kunst-
gebiete brachte ihm das im Jahre (903 vom
Bayerischen Gewerbemuseum in Nürnberg veran-
 
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