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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Brunnemann, Anna: Die Textilkunst auf der nationalen Kunstgewerbeausstellung zu Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0370

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Die Textilkunst auf der ,rationalen Kunstgewerbeausstellung zu Stockholm.

wieder geübt. Ungezählt sind die Namen für gröbere
und feinere Woll- und Halbwollwebereien, für Muster,
Umrandungen und Abschlüsse. Die schwedische Bauern-
weberei kennt allein sieben verschiedene Webarten,
auf jedem beliebigen Webstuhl ausführbar?) Von
besonderem Eharakter sind darunter die Flossa-Ge-
webe, so benannt wegen ihrer flaumigen Oberfläche
(Abb. 823); daneben gibt es ein half-flossa (Abb.
82^), in welchem sich die weich fließende Figur von
einem festen ripsartigen Gruitde abhebt. Am ver-
breitetsten aber ist das vors Ir rö cllalra n (Abb. 825),
aus Norwegen stammend, das heute wegen seiner Ge-
diegenheit und trefflichen Farbenwirkung wieder hoch
geschätzt wird. Man führt es auf dem flämischen
Webstuhl aus und die herrlichsten farbenfrischen
geometrischen Muster der bäuerlichen Überlieferung
werden aufs neue zur Geltung gebracht. In der
Regel besteht deren Farbenskala aus neun Farben:
dunkelblau, hellblau, krapprot, hochrot, schwarz,
grün, braun, gelb und weiß. In Iämtland und
Bohuslän, wo hauptsächlich die doppelseitige finnische
Weberei geübt wird (das tinn-väfnach auf dem ge-
wöhnlichen Webstuhl ausgeführt), verwendet man
zumeist nur zwei Farben: rot und weiß, schwarz
und rot, grün mit schwarz oder weiß. Das Muster,
streng stilisierte Menschen und Tiergestalten, Pflanzen-
oder geometrische Motive, erscheint gleich deutlich

auf beiden Seiten, nur
in den umgekehrten
Farben.

Großartiges leistet
heute wiederum die
Spitzenindustrie. Vor-
an Wadstena (Skanie),
ehemals die Wiege des
Spitzenklöppelns. Wo
einst die Nonnen der
heiligen Brigitta diese
Aunstfertigkeit übten,
hat man heute wieder
eine Musterklöppel-
schule gegründet, und

*) Namen zu nennen,
die unübersetzbar sind,
würde zn weitführen. Wer
sich eingehender zu unter-
richten wünscht, dem seien
die beiden Broschüren von
Maria Toll in genannt:
Skänsk konstväfnad, all-
mogestil und Flamsk, finn-
väfnad och norsk rödlakan

(Lund, Lindstets Univer-
sitätsbuchhandlung).

828u. 82g. (Stockholmer A.-A. ;90J): Durchbrochener Vorhang;
ausgcfllhrt im Verein Licium.

die Auffindung eines ganz feinen Fadens gestattet
die Herstellung der vorbildlichsten alten Erzeugnisse
in vollendeter Form. Die Wadstenaspitzen (Abb. 827)
lehnen sich an die flandrische Tradition an; rein
bäuerliche Alöppelkunst aber blüht ani schönsten in
den dalekarlischen Distrikten Mockfjärd, Gagnef und
Floda und wird als „Dalspitze"^) sehr geschätzt und
recht hoch bezahlt (Abb.826). kann man teilweise
auch das Ersinnen von Mustern unmittelbar nach der
Natur beobachten, das „Dichten" von Spitzen ganz
ohne Aläppelbrief. Die auf solche Weise entstandenen
Muster haben gar anziehende, poetisch klingende
Namen wie: Tulipanrose, Fährboot, Welle, Silber-
kranz u. a. m. Es finden sich Spitzen von grob-
körnigem gelblichen Faden bis zu den zartesten Spinn-
geweben, und die meisten sind dazu bestimmt, die
ländlichen Nationalkostüme zu zieren.

In der Leinenbereitung leisten die Frauen Hal-
lands heute wiederum Tüchtiges uud zeichnen sich
auch als geschickte Wollstickerinnen von hervorragen-
dem Farbengeschmack aus. Die Lappländerinnen
fertigen gröbere Leinen- und Wollwebereien und schöne
buntfarbige Tuchapplikationen.

Bietet nun schon diese so ungemein freudige
und technisch so sichere Bauernkunst in ihrer aus-
gedehnten und übersichtlichen Vorführung auf dieser
Ausstellung eine wahre Augenweide, so empfangen
wir von dem textilen Aonstslöjd (dem Aunstgewerbe,
zum Unterschied von Hemslöjd, — Hausgewerbe), wie

■) Elisabeth Thormann, Mitglied der Gesellschaft lsand-
arbetets vänner, hat eine sehr lehrreiche Schrift über schwedische
Spitzen verfaßt.

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