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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Brunnemann, Anna: Die Textilkunst auf der nationalen Kunstgewerbeausstellung zu Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0375

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Die Textilkunst auf der nationalen Runstgewerbeausstellung zu Stockholm.

8ZS. (Stockholmer U.-A. ;<j09): Antexendium; Entwurf von Aaup Sophie Gisberg, ausgeführt von der

Gesellschaft Licium, Stockholm.

beitete der Künstler selbst mit dem Färber, ließ manche
Wolle in ungesponnenem Zustand färben und brachte
die raffiniertesten Tönungen heraus, mit denen nun
geschaltet wurde wie mit der Farbe auf der Palette.
Etwas Neuartiges, eigentümlich Reizvolles hat Fjae-
stadt somit geschaffen — dem ähnlich, was die
Stickerei in (^apan leistet; ob es für die Weberei im
allgemeinen als vorbildlich angesehen werden kann,
bleibt diskutierbar; jedenfalls siegt auch hier das
malerische Element weit über das rein dekorative.

Die strengen Gesetze, die eine Jahrhunderte alte
Überlieferung für den Stil des Wandbehanges ge-
schaffen hat, respektiert Bob erg, der Stockholmer
Architekt und Erbauer des Ausstellungspalastes, mit
seinem wandgroßen „Begräbnis zu Lecksand". Pier
finden wir zahllose Figuren, doch kein anspruchs-
volles peraustreten der einzelnen, eine Fülle von
Farben, aber im Sinne der besten alten Gobelins
verteilt, d. h. in Abständen wiederholt, um sichere
Ruhe uud Einheit zu bringen. Die Grundstimmung
ist rot, rot als Farbe Dalekarliens. Darüber breitet
sich ein silbernes Grau, leuchtend und abstumpfend
zugleich, maßgebend für die Entmaterialisierung des
Stoffes, für das, was ihn ins zeitlos Dekorative rückt.
Bobergs kleine Verstöße gegen dalekarlische Volks-
sitten können nur in der engsten peimat zur Kritik

herausfordern; künstlerisch bedeutet sein Werk einen
Warkstein in der Geschichte des modernen Gobelins.
Bei Alf Wallander prunken Pfauen unter viel
verschlungenem Orchideengewirr mit ihren goldleuch-
tenden Schweifen (Abb. 835). Diese Verdure-Pautelisse
ist von blaugrüner Grundstimmung, eine farbenfrohe,
phantasiefrische Schöpfung, jedoch bewußt herab-
gedämpft zu dekorativer Tapetenwirkung. Viel eigen-
artig Neues findet sich auch unter den kleineren Wand-
behängen: Entwürfe im Sinne der jüngsten fran-
zösischen Walerschule, für die die Farbe alles bedeutet.
Und wenn der Waler dabei zu einseitig erscheint,
der dekorative Künstler, der mit solch farbigen Flecken
ein köstlich freies und doch den Gesetzen des Wand-
behanges unterstelltes Spiel treibt, hat es hier zu den
reizvollsten Wirkungen gebracht.

Die Leistungen des modernen schwedischen Kunst-
gewerbes auf anderen Gebieten, so hervorragend sie
auch in bezug auf Wetallindustrie, polzschnitzerei und
Lederplastik sind, stehen in keinem Verhältnis zu dem
in der Textilindustrie Erreichten. Andere Länder
können hier durchaus einen Vergleich aushalten. Die
Textilindustrie aber hat neue technische Wöglichkeiten,
neue künstlerische Werte geschaffen, die als durchaus
vorbildlich gelten müssen.

Anna Brunnemann.
 
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