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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 59.1908-1909

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Das Pariser Kunsthandwerk und die Ausstellung "München 1908"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9042#0381

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Das Pariser Runsthandwerk und die Ausstellung „München \908".

8^2.

Luftschisfer-Ehrenpreis der Ballonfabrik
Riedinger.

Entwurf von Ludwig Wittmann, Aus-
führung von Theodor kf ei den, München.

Material:

Silber, grau oxydiert, — Flügel und Knauf
feuervergoldet; mit Türkisen am Korpus und
Amethysten am Fuße besetzt; Schaft in Niello.

(Höhe ca. 55 cm.)

wie im ganzen Reich beobachten kann: ein unglaubliches Fieber
im schaffen und Forschen."

* *

„Höher als alle Gründe für den Fortschritt der deutschen
Aunstindustrie, die wir eben betrachtet haben, stellen die Ver-
anstalter des Münchener Kongresses (der »Union provinciale«)
einen anderen: die Schulen und die deutsche Erziehung. Wenn
sie recht haben, so wird man, nachdem es geheißen hat, die
französische Armee sei im Jahre 1(870 durch den deutschen Schul-
meister besiegt worden, bald sagen müssen, — falls wir uns
nicht energisch auf die Beine machen, — auch französischer
Aunsthandel und Aunstindustrie würden durch die deutschen
Schulen geschlagen."

„In der Tat haben die Deutschen seit etwa 20, hauptsäch-
lich aber seit (0 Jahren im ganzen Reich die Zahl ihrer tech-
nischen, ihrer Fach- und Fortbildungsschulen (Aurse für Er-
wachsene) sehr vermehrt. Wir sind in dieser Beziehung ohne
Zweifel hintendran, und zwar um ein gut Stück. Aber wir
könnten uns damit trösten, daß unsere Nachbarn in bezug auf
den Unterricht in der dekorativen Aunst — unsrer letzten Vor-
zugsstellung — noch hinter uns weit zurückgeblieben seien. Da
aber öffnet mm ein zufälliges Zusammentreffen mit Hand-
werkern, die aus allen französischen Gauen gekommen, plötzlich
die Augen, und ich erkenne, daß der künstlerisch dekorative Fach-
unterricht bei uns sozusagen nicht existiert; daß die Lehrlinge
unserer Schulen fast einen ausschließlich theoretischen Unterricht
erhalten und daß selbst innerhalb der Privatwerkstätten die Lehre
erstirbt, die Lehre tot ist, erstickt durch die Spezialisierung."

„Es gibt in Paris vier wichtige Fachschulen: die Schule
Boule, die Schule Bernard palissi, die Schule Diderot, die Schule
Estienne. Wissen Sie nun, was eine erst kürzlich angestellte
Untersuchung über das Schicksal von P8 Schülern, die als die
ersten aus diesen Schulen hervorgegangen sind, ergeben hat?
Daß keiner von ihnen nach Verlassen der Schule sein Brot hat
verdienen können. Sie hätten als Lehrlinge in Werkstätten
(Ateliers) eintreten sollen, um arbeiten zu lernen, nachdem sie
mehrere Jahre in den Spezialschulen zugebracht haben. Ist das
nicht ein unglaublicher Zustand? Schüler, welche der Stadt
Paris pro Jahr und Aopf ^700 Fr. kosten und welche nach
abgeschlossener Schulzeit nicht imstande sind, ihr Brot zu ver-
dienen." — —

„Alle Schüler der deutschen Fachschulen gehen aus diesen
nicht nur mit abgeschlossener Fachkenntnis hervor, sondern als
fertige Handwerker. Ulan hat es für folgerichtig gehalten, diese
jungen Leute mit der Bearbeitung von Holz, Stein und Eisen
vertraut zu machen, indem man ihnen das Material, nicht nur
Bleistift und Papier in die Hände gegeben hat." Huret geißelt
dann das in Paris übliche Verfahren, die Schuldirektoren aus
ruhebedürftigen Politikern zu wählen (! die Schriftleitung), und
schlägt schließlich vor, Fachleute, tüchtige Aünstler an die Fach-
schulen zu berufen und ihnen Leitung und Verantwortung zu
übertragen.

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