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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Mühlecker, F.: Die Rose von Haschem
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0030
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jetzt wieder zurück in Dein Gemach und harre mei-
ner Ankunft, die, wenn cs Allah gefällt, mir für
immer Ruhe vor meinen Widersachern bringen soll."
Sanft drängte er die Widerstrebende zurück uud
empfahl sie der Sorgfalt der Sklavinnen. Dann
trat er mit festem Schritte in den Kreis der Krieger.
„Friede sei mit Euch, meine Kinder!" war sein
Gruß. „Lasset uns nun, bevor wir ansziehcn, unsere
Pflicht als Gläubige erfüllen. Zum Gebet, zum
Gebet! Allah ist groß und Mahomcd ist sein Prophet!"
Mit diesen Worten beugte er sein Antlitz zur
Erde, und die Männer, die eben ausziehen wollten,
in das Lager ihrer sogenannten Feinde Mord und
Verwüstung zu tragen, sanken zerknirscht zu Boden
und brachten dem Vater Aller ihre Huldigung dar.
Das Mcnschenhcrz ist ein wunderlich Ding und
der Mcnschcnsinn verkehrt von der Wiege an bis
zum Grabe, in der Wüste wie in den segenvollsten
Gefilden der Erde, unter den rohen Naturkindern
wie unter den sich gebildet nennenden Völkern.
Allüberall flehen sie zum Allvater, wenn sie den
Mord unter seine Geschöpfe tragen wollen, und
allerorts danken sie dem Gott der Liebe, wenn sie
mit dem Blute seiner Kinder die Erde geröthct und
Paradiese in Wüsteneien verwandelt haben.
Ueber die knieenden Gestalten hin leuchtete die
Morgcnsoune mit den reinsten Strahlen und ver-
goldete die Spitzen ihrer Lanzen, der leise Wind
spielte mit ihren faltigen Gewändern.
Jetzt erhoben sich die Knieenden, nachdem Ge-
bet und Waschung vorüber, bestiegen ihre Rosse,
und bald verhallte der letzte Ton des nbziehenden
Kricgszuges.
Eine stille Ruhe breitete sich über das Dorf
aus. Doch war diese Ruhe wohl eher der Stille
zu vergleichen, die dem Sturme vorherzugehcn pflegt.
Denn manches Herz der Zurückgebliebenen pochte
in ängstlicher Erwartung des Ausgangs eines Zuges,
der ihnen den Gatten, Vater oder Bruder ent-
führt hatte.
Auch Gülnare konnte sich solcher Unruhe nicht
erwehren, und ihre Dienerinnen vermochten heute
weder durch Scherze noch durch Erzählungen ihrem
gepreßten Herzen Ruhe zu verschaffen.
So verging der Tag und die Nacht; der Mor-
gen erschien, aber den Vater brachte er nicht.
Stundenlang saß sic auf dem Fclsgestein, welches
das Zeltdorf überragte, uud blickte in die Ferne.
s
-


Endlich wirbelten Staubwolken am Horizonte auf;
Lanzenspitzen schimmerten in den Strahlen der Nach-
mittagssonne. Sie eilte hin zum Dorf, wo eben
der Vortrab des Zuges augekommen war. Die
erste Frage war nach ihrem Vater. Schweigend
deutete der Befragte zurück. Gülnare folgte dem
Blick, ihr Auge sah eine Sanfte, von vier Män-
nern getragen, und begleitet von Achmed. Gül-
nare stürzte zu derselben hin und ein Ruf des
Schreckens ertönte aus ihrem Munde. In der Sänfte
lag ihr Vater, das Haupt mit Tüchern umwunden,
das Gesicht bleich und entstellt.
Als der Emir seine Tochter erblickte, richtete er
sich mühsam auf, und mit erzwungener Heiterkeit
beugte er sich zu der Weinenden nieder, sie mit den
Worten tröstend:
„Sei ruhig, liebe Tochter! wir haben gesiegt.
Aber wir hatten einen harten Stand, und Dein
Vater hätte beinahe unter dem Säbel seines Fein-
des, der ihm, wie Du siehst, hart zusetzte, sein Leben
geendet. Hier aber ist mein Retter. Komm herzu,
Achmed! Siehe, schon lag ich unter meinem Rosse,
mein Feind wollte mir eben den Todesstoß geben,
als Achmed herzustürzte und ihm den Schädel
spaltete. Der Fall des feindlichen Anführers ent-
schied auch den Kampf zu unserem Vortheile. Darum
freue Dich uud danke meinem Retter."
Erschöpft lehnte er sich wieder zurück.
Ein feuriger Blick, den die Jungfrau nach
Achmed warf, ein leiser Händedruck sagte diesem
mehr, als Worte auszudrücken vermocht hätten.
Aber mit diesem Augenblicke war auch sein Schick-
sal entschieden. Aus dem entschleierten Gesichte der
Rose von Haschen: leuchtete ihm der Glanz der
Liebe in reichem Maaße entgegen. Sein Herz hatte
das Herz gefunden, für das cs fortan schlagen sollte
in Leid und Freud, in Glück und Unglück.
O diese Strahlen der jungen Liebe! Wie heilig
ist ihre Macht, wie unauflöslich ihrZauber! Gleich-
wie die erstarrte Erde von dem Frühlingsstrahle
aufthauet und Blümlein und Kräuter aus ihr cm-
porsprießeu in allerrcichstcm Maaße und in lieb-
lichster Mannigfaltigkeit: so thauet auch das Mcn-
schcnherz auf, wenn die Sonne der Liebe cs durch-
dringt, und die schlummernden Gefühle werden zu
den zartesten Herzcnsblüthen, die hcranrcifen zu
wundersam kräftigen Früchten, labend im Glücke,
und erfreuend in den Zeiten des Mißgeschicks.


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