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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Johannes Keppler
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0094
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—4—

seiner im Jahre 1597 dort vollzogenen Verheira-
tung, aber auch nach manchen in Grätz erlittenen
Unannehmlichkeiten und Storungen erhielt er, nun
dreißig Jahre alt und bereits als astronomischer
Schriftsteller nicht unbekannt in der gelehrten Welt,
von dem berühmten dänischen Astronomen Tycho de
Brahe, den Mißhandlungen aus seinem ihn ver-
kennenden Vatcrlande vertrieben hatten, um bei
Kaiser Rudolph Schutz zu suchen, eine Einladung
zu gemeinschaftlichen astronomischen Arbeiten nach
Prag. Keppler nahm dieselbe an. Während er
nun in Prag mit seiner Familie lebte, verschaffte
ihm der genannte Gelehrte den Gehalt und Titel
eines kaiserlichen Astronomen, ein Amt, das neben
seiner angenehmen Seite für unfern Keppler, der
durch und durch ein redlicher Mann war und frei
von allem Aberglauben, auch eine widrige hatte,
da man damals fast allgemein mit dem Namen eines
Astronomen auch den Begriff eines Astrologen oder
Sterndeuters verband, und somit dem Astronomen
auch die Sterndeuterci oblag, ein Umstand, der
Kepplern von vielen Seiten den Vorwurf eines Han-
ges zu abergläubischer Sterndeutern zuzog. Aller-
dings mußte Keppler vermöge seiner Stellung als
kaiserlicher Astronom damals wie später astrologische
Gutachten abgeben, aber nie spricht er ein solches
als seine Ansicht aus. „Die Astrologen meinen,
glauben, vermuthen, aus ihren Regeln würde folgen
u. s. w." — dieß sind die Ausdrücke, deren er sich
bei seinen astrologischen Gutachten bediente. Die
Verbindung mit Tycho de Brahe war für Keppler
nur von einer einjährigen Dauer, daBrahe schon den
21. October 1601 zu Prag starb. Konutc sich Kepp-
ler in Folge dieses Todesfalls auf der eiucn Seite
freier und selbstständiger auf dem Gebiete seiner
Wissenschaft bewegen, so waren ihm doch auf der
andern Sette Fesseln in sofern angelegt, als er
die Verbindlichkeit, neue astronomische Tafeln aus
Brahe's Beobachtungen, die ihm zur Verfügung
gestellt wurden, zu berechnen, übernommen hatte.
Diese Beschäftigung, wobei er alle älteren astrono-
mischen Beobachtungen mit denen Tycho's verglei-
chen mußte, aber weder jene unter sich, noch mit
denen Tycho'ö in's Reine bringen konnte, führte
ihn nicht bloß auf die Ncberzeugung von der völli-
gen Nichtigkeit all' der gekünstelten Vorstellungs-
arten, die man sich bisher von den Gesetzen des
Planctcnlaufs gemacht hatte, sondern auch zur Ent-

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deckung der wahren Gesetze desselben, wodurch er
einen unerschütterlichen Grund zu dem bewunde-
rungswürdigen Gebäude der neueren Astronomie
gelegt hat. Keppler suchte seine neuen astronomi-
schen Entdeckungen durch den Druck bekannt zu
machen, allein nicht selten verzögerte oder hemmte
gar die Erscheinung seiner Werke Mangel an Mit-
teln, wegen deren Erwerbung er zu schriftstelleri-
schen Arbeiten seine Zuflucht nehmen mußte: ja,
es findet sich eine Nachricht, deren Wahrheit wir
aber aus Mangel an hinlänglicher Beglaubigung
dahingestellt sein lassen, Keppler habe damals zur
Fristung seines Lebens sich mit medicinischer Praxis
beschäftigt. Die Bezahlung des einen Theils seines
Gehalts lag dem Kaiser Rudolph, die des andern
den schlesischen Kammern ob. Allein statt baaren
Geldes erhielt Keppler von beiden Seiten leere
Vertröstungen, höchstens eine unbedeutende Ab-
schlagszahlung. Bestätigte ihn auch nach dem Tode
des Kaisers Rudolph (Januar 1612) dessen Nach-
folger Matthias in seinem Amte als kaiserlichen
Mathematiker, so brachte doch diese Thronverände-
rung in seinen pekuniären Verhältnissen im Ge-
ringsten keine Veränderung zum Bessern hervor.
Doch hatte seine durch diesen Kaiser veranlaßte
Uebersicdlung von Prag nach Linz wenigstens die
wohlthätige Folge für ihn, daß er in den Land-
ständen in dem Lande ob der Enns Gönner fand.
In demselben Amte wurde Keppler auch bestätigt,
als Ferdinand der Zweite im Jahr 1619 den Kaiser-
thron bestieg. Aber auch unter seiner Regierung
hatte sich Keppler mit seiner Familie keineswegs
einer sorgenfreien Existenz zu erfreuen, sondern oft
und viel mußte er um die Ausbezahlung der Rück-
stände seiner Besoldung flehen, geschweige daß ihm
die laufende ausgefolgt worden wäre; sei es, daß
zu jenen Kricgszeiten der Kaiser selbst seines Gel-
des zu andern Zwecken mehr bcnöthigt zu sein
glaubte, sei cs, daß der böse Witte der kaiserlichen
Zahlmeister Kepplern hinhielt. Neben andern Ver-
suchen, zu seinem Guthaben zu kommen, machte er
auch eine Reise nach Wien im October 1624, um die
Auszahlung seiner Besoldung und die Kosten zur
Herausgabe astronomischer Tafeln zu erwirken. Ver-
gebliche Mühe! Alles, was er erhielt, war eine
Anweisung auf 6000 fl., vou welchen er bei und
nach einer nach Schwaben unternommenen Reise
endlich den dritten Thcil erhielt.
 
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