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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Wölbner, Carl: Die drei Erscheinungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0186
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1.36

kroch wie eine Schlange hinter ihnen nach; endlich
machten sie nm Ufer des Oueä Halt, wo ebenfalls
auch die lezten Feuerstrahlen wie ein lezter Seufzer
aushauchten.
Der Tag war angebrochen.
Die Ebene, das Dorf und der Djebelfluß lagen
gebadet in einem Meere von Flammen, dessen von
dem Wind bewegte Wellen bis zu den tiefen Massen
der auf dem Gipfel des Gebirges hinziehenden Wal-
dungen sich erstreckten, bis bald darauf der Djebel
mit einem großen Flammendiadcm geschmückt war.
Die Sonne, welche nur mühsam die glühende und
von Rauchwolken schwangere Luft durchdringen
konnte, gab der ganzen Scene eine matte und
schwankende kupferröthliche Färbung.
General Vergamier befand sich nicht mehr bei
seiner Escorte. Mit dem Beginne der Razzia war
er vom Pferde gestiegen und nachdem er dasselbe
einem Chasseur übergeben, siel es ihm ein, den
Djebel auf einem steinigen Fußwege zu ersteigen,
der ein sicheres Auge und einen festen Fuß ver-
langte.
In seine Gedanken verloren, bemerkte Vergamier
nicht, daß sich zu seiner Rechten unübersteigbarc
Felsen erhoben, welche ihn gleich einem Meere von
seiner Truppe trennten. Dennoch vernahm er deut-
lich das Knistern der Flammen und die lezten durch
Tausend Echo's wiederholten Flintenschüsse; er stieg
immer hoher, gestüzt auf seinen Sabel.
Bald erblickte er nicht mehr den Wicdcrschein
der Flammen; der sich wendende Fußweg entfernte
sich schon zu sehr von der Schlucht, durch welche
die Colonne zog, als daß er den nicht unbedeuten-
den Lärm des Kampfes und der Feuersbrunst ver-
nehmen konnte. Ein tiefes Schweigen herrschte in
dem Gebirge.
Der General war nun auf einem großen, mit
fruchtbarer Erde bedeckten Plateau angekommcn,
wo der Wald von Ammer beginnt. Man konnte
wohl nichts Imposanteres erblicken, als diese weiten
Massen, wo das dunkle Grün der Cyprcssen über
die grauen Stämme vorherrschte; Vergamier drang
mit schnellem Schritte ein. Der Fußboden war hol-
perig durch Bruchstücke von spitzigem, unförmlichem

Feldspath, welche durch ein Gewitter dahin geschleu-
dert worden waren. Er rizte seine Füße, als ob
er an einem Rasiermesser streifte. Allein Vergamier
schien für jeden physischen Schmerz unempfindlich
geworden zu sein. So hielt er endlich bei einem
schäumenden Sturzbachc an, welcher hoch herab von
einem riesengroßen Felsen stürzte, und trank einen
Schluck Wasser aus seiner hohlen Hand. Dann
sezte er sich auf einer bemoosten Wurzel uieder und
sah lange Zeit nachdcnkcud vor sich hin.
Gleichsam als ob dieser Augenblick eine wichtige
Epoche seines Lebens gewesen wäre, rief er seine
ganze Vergangenheit vor seine Seele; er sah vor
sich die klaren Ebenen seiner elterlichen Campagne
und St. Cyr mit seiner engen Abgeschlossenheit;
dann Sidi-Fcrruch mit seinen ersten Waffenthaten;
dann Paris, in seine blauen Nebel gebadet, den
Riesen Paris in seiner glanzvollen Beleuchtung;
dann die Tuilericn, wo sein Werth anerkannt und
belohnt wurde; dann wieder das Palais Bourbon,
wo seine Aufwartung stürmende Zurufe veranlaßte;
dann der kleine Salon von Nanteuil, des Dichters
mit seiner zärtlichen Freundschaft und seinem künst-
lerischen Luxus, und Alle, die er geliebt hatte....
und Georg.
Er erhob plötzlich sein Haupt.
Ober ihm nur ein hoher Felsen über 100 Klafter
und ein Dach von dunklen Bäumen; kein Himmel.
Ihm nahe, an eine Cypresse gelehnt, ein Mann.
— Georg! rief er.
Und er barg sein Antlitz in den Händen--
Von Morgens 8 Uhr an war Major Banis,
ungeduldig über die lange Abwesenheit des Gene-
rals, mit einigen Spahis in den Wald gedrungen.
Gegen Mittag fanden diese tief in einem furcht-
baren Abgrunde den Leichnam VergamieBs, fast
vollständig von diesem Sturze zerschmettert. Die
Soldaten dachten, daß ihr General wahrscheinlich
durch einen, hinter einem Strauche versteckten Ara-
ber hinabgestürzt worden sei. Allein Major Banis
allein wußte, daß Etienne Vergamier ohne Zweifel
seinen dritten Besuch von Georg gehabt hatte.
Und beide Ansichten waren vielleicht richtig....



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