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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Diefenbach, Lorenz: Farbenskizzen aus einem neuen Badeorte
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0204
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wogen, daß seine Ablehnung das Vorhaben nicht
ändern, seine Annahme aber möglicherweise dessen
Ausgang bestimmen könne. Denn während des Ge-
spräches improvisirte er bei sich einen Schlußakt,
für welchen er nur noch Johannas Zustimmung
bedurfte.
Diese erhielt er von der Geliebten, nachdem er
ihr das Vorstehende erzählt hatte. Er ging bald
wieder von ihr und empfing die von Christian an-
gekündigten Besuche der Duellanten, deren Persön-
lichkeiten mit Johannas Schilderungen überein-
stimmten und ihn in jenem Vorhaben bestärkten.
Die Gründe ihres Zweikampses wurden im Ge-
spräche gar nicht berührt, seine Kcnntniß derselben
und seine wahre Betheiligung bei der ganzen Sache
von Keinem vermuthet.
Im Verlaufe des Tages bestellte er seine zuver-
lässigsten Freunde als Sekundanten und Zeugen,
und ordnete Alles Nöthigc für den nächsten Früh-
morgen an. —
Dieser war angebrochen, die Gesellschaft, Chri-
stian eingeschloffcn, stand aus einer kleinen, von
dichtem Gebüsche umgebenen Waldwiese bereit und
harrte des Arztes, ohne dessen Gegenwart der Zwei-
kamps in keinem Falle vor sich gehen sollte.
Endlich erschien der Erwartete, aber nicht allein,
sondern mit einer Unerwarteten. An seinem Arme
ging Johanna. Ihr schönes Gesicht war ernst, aber
von der Frische des thauigen Morgens und von
verschiedenartigen Empfindungen lebhaft gefärbt.
Bei dem Anblicke der alten Bekannten funkelten
ihre Augen, von Unwillen und von Muthwillen zu-
gleich erregt, so gering auch sonst die Aehnlichkcit
dieser beiden Geister mit einander ist.
„Meine Herren!" rief Ruprecht mit heiterer
Miene, aber in entschlossenem Tone den Staunenden
zu; „Ein zweites Mandat verzögerte meine Aus-
führung des ersten nm einige Minuten. Sie ge-
statten mir nun auch noch, das zweite vor dem ersten
zu Ende zu führen, indem es geeignet erscheint, mir
Ihre Lossprechung von dem ersten zu erwirkeu.
Meine thcure Braut nämlich (er verbeugte sich
mit Johanna vor den jezt vollends wie aus einem
Traume Erwachenden), die ich hiermit als solche
Ihnen vorzustellen die Ehre habe, nannte mir Sie
als neuangekommene Landsleute und Bekannte. Da
Sie mir freie Wahl der Zeugen gelassen hatten,
glaubte ich, meine Braut in das Geheimnis ziehen

zu dürfen, in der von ihr geteilten Hoffnung, daß
unsere vereinten Bitten die Entzweiten versöhnen
möchten, was den Bemühungen dieses Herrn (er
deutete aus Christian), wie er mir klagte, nicht ge-
lungen war."
Christian war gelb, Bernhard dunkclroth ge-
worden, Adolf zeigte die meiste Fassung.
Lezterer wandte sich zunächst zu Bernhard und
sagte, nicht ohne spöttischen Anklang: „Ich bekenne,
daß ich Sie mit Unrecht für den Entführer meiner,
trotz ihrer Schadenfreude so reizenden Base hielt.
Der Dritte in unserem verfehlten Bunde mag meinen
Argwohn verantworten."
Statt dem Sprecher zu antworten, ries der An-
geredete Christian zu: „Und Sie, mein würdiger
Fricdcnsvermittlcr, weihten mich in die merkwür-
digen Motive ein, welche den Herrn Lieutenant zu
dieser Entführung veranlaßt haben sollten!"
Es bedurfte nur noch weniger Wechselreden, um
Beiden Christianas Nolle deutlich zu machen.
Dieser sah sich mit Schrecken als Blitzableiter
dem ganzen Zorne der mit ihm, statt bloß durch
ihn, dupirtcn Gegner ausgesczt, machte eine rück-
schreitende Bewegung, kehrte sich aber noch einmal
um und ries dem heiteren Brautpaare mit einem
wüthcuden Blicke und mit starker Stimme zu: „Froh-
lockt nicht zu sehr, ich kenne die Bedingungen des
Vermächtnisses und erkläre vor diesen Zeugen, daß
ich nicht freiwillig meine Bewerbung zurücknehme!"
Johanna konnte sich nicht enthalten, ihr Schwei-
gen zu brechen und ihm mit stolzer Freudigkeit zu
antworten: „Jezt erst ist mein Triumph vollständig!"
Christian verschwand plötzlich im Gebüsch und
wurde erst später in der Hcimath den rückgekehrten
Gefährten in schützender Mitte seiner Amtsgenossen
wieder sichtbar.
In Bernhardts wildem Sinne kochte einen Au-
genblick lang ein dämonischer Gedanke. Er hob, nur
Johanna bemerkbar, die halbvcrsteckte Pistole mit
einem Blicke aus jene, der sie erbleichen ließ, gleich-
viel, wem die mörderische, vielleicht selbstmörderische
Aufwallung galt; schleuderte aber sogleich daraus
die Waffe von sich und rief voll Ingrimms gegen
sich selbst, aber auch mit höhnischem Lachen gegen
Johanna gewendet: „Ein Narr, wer sein Leben an
ein Weib, an einen Golem sezt, den nur sein eigener
Wahn zum Engel schmückt!" Damit eilte auch er
in den Wald zurück.
 
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