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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Mühlbach, Louise: Bruder und Schwester
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0206
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zu bieten, nls eine kleine, morsche Hütte, in der wir
mit meiner alten Mutter leben konnten, und sie brachte
mir kein anderes Heirathsgut mit, nls ihre Hände.
Aber cs waren liebe, fleißige Hände, sie arbeiteten
unverzagt, sie halfen mir im Garten und auf dem Feld,
sic pflegten meine alte Mutter, und spannen den Flachs
zu dem Lcinentnch für die Wiege unserer Kleinen!
Wahrhaftig! Thut er nicht, als ob ich allein gear-
beitet und er still gesessen hätte! rief die Alte lachend.
And doch hat er gearbeitet, nicht wie Ein Mann,
sondern als ob er vier Hände hätte! Er allein be-
stellte den Garten und den Acker! Damals hatten
wir keinen Knecht, und Er war Alles, Herr und
Knecht in Einer Person, er zog den Pflug und die
Wasserfurchen, er grub das Feld um und säete und
pflanzte, und war immer rüstig und immer guter
Dinge! Wenn ihm die Sonne den Scheitel brannte,
wenn seine Stirne triefte von Schweiß, er merkte
es gar nicht, denn er dachte nur daran, daß er
arbeitete für Weib und Kind, und daß sein Sor-
gen und Mühen uns Brod schaffe in's Haus!
Ja, und doch kamen schlimme Tage! sagte der
Alte, ganz vertieft in seine Erinnerungen. Doch
kam der Hunger und die Noth, denn das Korn war
mißrathen und die Kartoffeln dazu, und oft stan-
den wir verzweifelnd und händeringend neben Euren
Bettchen, wenn Eure Mutter Euch in der Angst
ihres Herzens bereden wollte, zu schlafen, und Ihr
nicht schlafen konntet, weil Euer Magen wach war
und um Nahruug schrie! Ach, das waren schlimme
Zeiten! Aber wir wollen ihrer heute nicht gedenken!
Wir haben sie überwunden! Just, wie die Noth am
größten war, war auch die Hülse am nächsten!
Ich weiß! ich weiß! rief Rustiea, welche dem
Gespräch ihrer Acltern mit feuchten Augen und vor
Rührung zitternden Lippen zugehört hatte! Oh,
Mutter hat mir das einmal erzählt! Wir schrieen
um Brod und Ihr konntet uns nichts geben, denn
es war eine schwere Hungersnoth im ganzen Lande
und nur für schweres Geld konnte man Brod kau-
fen. Aber Ihr hattet kein Geld! And just da kam
der Briefbote aus der Stadt zurück und brachte Euch
einen Brief, darin waren acht Goldstücke. Es war
das Pathcngcschenk unseres Onkels für Eduard,
und er schrieb, daß er Euch jedes Jahr so viel
schicken würde, denn er habe sich jezt eine reiche
Frau genommen, und hoffe mit der Zeit einmal
ein sehr reicher Mann zu werden.

Seine Hoffnung ist in Erfüllung gegangen! sagte
der alte Peter. Er ist der reichste Kaufmann in
der Hauptstadt.
Und läßt doch seinen Bruder in seiner armen
Hütte, und gibt ihm nicht von seinem Reichthum,
und Hilst seiner Armuth nicht! sagte Eduard, der
Sohn, mit einem schneidenden, höhnischen Ton.
Der alte Mann schrack leise zusammen und blickte
erschrocken auf seinen Sohn, der mit finster zusam-
mengezogencn Augenbrauen starr vor sich hinblickte.
— Eine Pause trat ein. Es war, als ob der Him-
mel sich plötzlich umdüstcrt hätte, als ob der Son-
nenschein von den Gesichtern der Aeltern gewichen
wäre, als ob finstere Wolken plötzlich ihre Stirn
umlagerten.
Du thust Deinem Oheim Unrecht, sagte Peter
endlich, und aus seiner Stimme war das Metall
der Freude gewichen. Er hat uns oft angebotcn,
uns zu helfen und zu unterstützen. Aber wir haben
es vorgezogcn, von der Arbeit uusercr Hände zu
leben; wir wollten uns lieber redlich unser Brod
verdienen, als von Unterstützungen leben! And hat
er nicht alle Jahre zu Deinem Geburtstag Geld ge-
schickt? Verdauten wir cs nicht ihm, daß wir Dich
haben unterrichten lassen können, daß Du gut ge-
kleidet gingst? Nein, Eduard, Du hast wohl Grund,
Deinem Oheim dankbar zu sehn, und wenn einst
ein rechter, tüchtiger und gelehrter Schulmeister aus
Dir wird, dann dankst Du's allein Deinem Oheim,
der uns die Mittel gegeben, Dich unterrichten zu
lassen! Dcun das sehe ich schon, cs steckt durchaus
ein Gelehrter in Dir, und kein Bauersmann! Es
wird nichts anders werden, als ein Schulmeisterlein,
der Eduard, und wenn Rustiea uus nicht die Freude
macht, einen tüchtigen Bancrburschcn zu hcirathen,
so wird der Hof hier einst vereinsamen, und wir
werden ihn verkaufen müssen, wenn wir einst sterben.
Ach, sprich nicht vom Sterben, Vater! rief Ru-
stica, dem Alten mit ihrer Hand die Lippen ver-
schließend.
Wetter, was das Mädel für eine weiche Hand
hat, sagte der Alte lächelnd, indem er Rustica's
Hand mit zärtlichem Druck an seine Wange legte.
Als Deine Mutter so alt war, wie Du, da waren
ihre Hände schon hart und rauh von der Arbeit!
Aber Ihr leidet ja nicht, daß ich arbeite, Ihr
bösen Acltern! ries Rustiea. Vergebens biete ich
der Mutter meine Hülfe an. Sie ist cifersüch-
 
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