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Kunsthistorischer Kongress zu Amsterdam.
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dem Inhalt der Darstellung, z. B. bei Porträts, Land-
schaften, biblischen Bildern eine Datierung möglich
sei. Sodann ergriff Dr. Bredius das Wort, um in einer
von warmer Empfindung getragenen Ansprache auf das
traurige Schicksal hinzuweisen, das in Spanien durch
die gänzliche Gleichgültigkeit der Behörden allen
Schätzen bildender Kunst drohe. Er schilderte im
einzelnen den Zustand der Bilder spanischer und
niederländischer Meister in den dortigen Galerien,
wie dieselben zum Teil, in Massen magaziniert, an
ganz ungeeigneten Örtlichkeiten aufbewahrt würden,
wie andere zu starkem Lichte oder der Feuchtigkeit
ausgesetzt, abblättern, reissen u. s. w. Wie niemand
daran denke, die gefährdeten Bilder zu rentoilieren,
oder in irgend einer Form vor dem Untergange zu
schützen. Redner zählte gewisse Bilder des Murillo,
des Velasquez u. a. auf, die in etwa 20 Jahren voll-
ständig von der Leinwand verschwunden sein werden,
manche seien es heute schon. Er gab anheim, ob
seitens der Anwesenden nicht hiergegen etwas gethan
werden könne. Da man nach den Verhandlungen
des vorigen Tages nicht wohl offiziell von Seiten des
Kongresses in diesem Sinne bei der spanischen
Regierung vorstellig werden kann, so wurde beschlossen,
vor allem durch die Presse den Kampf für diese dem
Untergange geweihte Kunst aufzunehmen. Es wurden
einzelne Persönlichkeiten namhaft gemacht, die hier-
bei helfend und beratend mitwirken könnten.
Sodann sprach Durand-Greville aus Angers über
„mutilations et changements de couleur de verdures dans
les tableaux de corporation". Im Grunde waren es
zwei kopulierte Vorträge. Redner sprach zunächst
über die Veränderungen der Farbe, die an alten
Bildern von ihm wahrgenommen waren, besonders
von der Veränderung des Grün im Laubwerk der
Bäume, das meist braun, zuweilen auch orangegelb
werde. An Schützenstücken des Frans Hals zu Hadem,
an Bildern des Reichsmuseums u. a. erläuterte er diese
übrigens nicht ganz unbekannte Thatsache der Un-
beständigkeit der Farben. Auch auf die Veränderungen
der Handzeichnungen durch Luft und Licht ging er
ein. Im zweiten Teile sprach der Vortragende über
die äusseren Veränderungen, welche so viele Bilder,
besonders Schützenstücke, dadurch erlitten haben, dass
bei Veränderung des Platzes die Grösse durch Ab-
schneiden und Umbrechen einzelner Teile der Lein-
wand verringert wurde. Er erinnerte an eine der-
artige Verstümmelung von Rembrandt's Nachtwache,
von Cornelis Ketel's Compagnie des Kapitäns Rozen-
krans u. a. Werke und führte zum Teil auf grossen
Umwegen recht geschickt den Beweis, dass solche
Veränderungen stattgefunden haben müssten.
Da Dr. John Kruse aus Stockholm, der über neuere
kunstwissenschaftliche Litteratur Schwedens hatte
sprechen wollen, infolge eines Missverständnisses ab-
wesend war, so erklomm, wie ein holländischer Be-
richterstatter sich ausdrückt, der Jonkherr Dr. Six,
Professor der Kunstgeschichte zu Amsterdam, das
«Sprechgestühl", um über Farbenwahl und Farben-
stimmung sich zu äussern. Er stellte nochmals sehr
übersichtlich eine Reihe von Thatsachen zusammen.
Dass jeder Künstler eine bestimmte Farbenskala be-
vorzugt und zur Ergänzung derselben bestimmte
Farbenflecke einzufügen liebt. Als ein solcher Farben-
fleck sei z. B. auch der Schimmel in Wouwermann's
Bildern zu betrachten, der, lediglich um die Harmonie
des Werkes herzustellen, dem Künstler unentbehrlich
war. Er ging auch auf die Wirkung der jeweiligen
Umgebung, auf die Farben in der Natur und damit
auf die Art des Malers, sie zu sehen, ein; wie die
See kühles und helles Licht, breite Ströme scharfes
und klares, sumpfige und waldige Gegend ein dumpfes
Licht den Dingen geben und damit die Sehart der
ansässigen Künstlerschule auch beeinflussen.
Damit war das Programm des Tages erschöpft,
und Prof. Dietrichson konnte das Wort ergreifen, um
allen Anwesenden für ihre Teilnahme an den Arbeiten
des Kongresses zu danken und diesen zu schliessen.
Es folgte nach dem Frühstück ein Rundgang
durch die Amsterdamer Sehenswürdigkeiten, unter
denen besonders ein Besuch des Waisenhauses tiefen
Eindruck bei den Teilnehmern hinterliess. Es war einer
jener von neueren Malern so gern gegebenen, echt hollän-
dischen Vorwürfe. Am Abend vereinte ein Festmahl alle
Kongressmitglieder im Hotel Krasnapolsky. Dasselbe
verlief in 'der üblichen Weise und unter den üblichen
Trinksprüchen auf die liebliche Königin Wilhelmina,
die Königin Mutter, auf die Regierung, Vorstand,
Gastgeber u. s. w.
Am 2. Oktober versammelte man sich auf dem
Centraibahnhof, um in einem von der holländischen
Eisenbahn zur Verfügung gestellten Sonderzuge nach
Enkhuizen und Horn zu fahren. Wer holländische
Kleinstädte in ihrer behaglichen Sauberkeit, mit ihren
farbigen Ziegelbauten und ihrer feierlich ländlichen
Stille nicht kannte, erhielt hier die besten Eindrücke.
Besonders Horn mit seinem westfriesischen Museum,
das eine Reihe von Schützenstücken enthält, und dem
Stadthaus, sowie dem malerischen Hafenturm gefiel
allgemein. In Enkhuizen wurden besonders die Chor-
schranken der Westerkirche kritisiert, an der ohne
weiteres die Wirksamkeit zweier verschiedener Hände
zu konstatieren war. Der Blick vom Hafenturm zu
Enkhuizen über die in heller Mittagssonne ausgebreitete
Zuidersee und das über alle Beschreibung zauber-
hafte Farbenschauspiel des Sonnenuntergangs am
Hafen von Horn fügten ein paar unvergessliche Land-
schaftsbilder hinzu. So konnte bei dem am Schlüsse
alle vereinigenden Festmahle mit Befriedigung jeder
der Teilnehmer auf die an neuen Eindrücken und
Kunsthistorischer Kongress zu Amsterdam.
54
dem Inhalt der Darstellung, z. B. bei Porträts, Land-
schaften, biblischen Bildern eine Datierung möglich
sei. Sodann ergriff Dr. Bredius das Wort, um in einer
von warmer Empfindung getragenen Ansprache auf das
traurige Schicksal hinzuweisen, das in Spanien durch
die gänzliche Gleichgültigkeit der Behörden allen
Schätzen bildender Kunst drohe. Er schilderte im
einzelnen den Zustand der Bilder spanischer und
niederländischer Meister in den dortigen Galerien,
wie dieselben zum Teil, in Massen magaziniert, an
ganz ungeeigneten Örtlichkeiten aufbewahrt würden,
wie andere zu starkem Lichte oder der Feuchtigkeit
ausgesetzt, abblättern, reissen u. s. w. Wie niemand
daran denke, die gefährdeten Bilder zu rentoilieren,
oder in irgend einer Form vor dem Untergange zu
schützen. Redner zählte gewisse Bilder des Murillo,
des Velasquez u. a. auf, die in etwa 20 Jahren voll-
ständig von der Leinwand verschwunden sein werden,
manche seien es heute schon. Er gab anheim, ob
seitens der Anwesenden nicht hiergegen etwas gethan
werden könne. Da man nach den Verhandlungen
des vorigen Tages nicht wohl offiziell von Seiten des
Kongresses in diesem Sinne bei der spanischen
Regierung vorstellig werden kann, so wurde beschlossen,
vor allem durch die Presse den Kampf für diese dem
Untergange geweihte Kunst aufzunehmen. Es wurden
einzelne Persönlichkeiten namhaft gemacht, die hier-
bei helfend und beratend mitwirken könnten.
Sodann sprach Durand-Greville aus Angers über
„mutilations et changements de couleur de verdures dans
les tableaux de corporation". Im Grunde waren es
zwei kopulierte Vorträge. Redner sprach zunächst
über die Veränderungen der Farbe, die an alten
Bildern von ihm wahrgenommen waren, besonders
von der Veränderung des Grün im Laubwerk der
Bäume, das meist braun, zuweilen auch orangegelb
werde. An Schützenstücken des Frans Hals zu Hadem,
an Bildern des Reichsmuseums u. a. erläuterte er diese
übrigens nicht ganz unbekannte Thatsache der Un-
beständigkeit der Farben. Auch auf die Veränderungen
der Handzeichnungen durch Luft und Licht ging er
ein. Im zweiten Teile sprach der Vortragende über
die äusseren Veränderungen, welche so viele Bilder,
besonders Schützenstücke, dadurch erlitten haben, dass
bei Veränderung des Platzes die Grösse durch Ab-
schneiden und Umbrechen einzelner Teile der Lein-
wand verringert wurde. Er erinnerte an eine der-
artige Verstümmelung von Rembrandt's Nachtwache,
von Cornelis Ketel's Compagnie des Kapitäns Rozen-
krans u. a. Werke und führte zum Teil auf grossen
Umwegen recht geschickt den Beweis, dass solche
Veränderungen stattgefunden haben müssten.
Da Dr. John Kruse aus Stockholm, der über neuere
kunstwissenschaftliche Litteratur Schwedens hatte
sprechen wollen, infolge eines Missverständnisses ab-
wesend war, so erklomm, wie ein holländischer Be-
richterstatter sich ausdrückt, der Jonkherr Dr. Six,
Professor der Kunstgeschichte zu Amsterdam, das
«Sprechgestühl", um über Farbenwahl und Farben-
stimmung sich zu äussern. Er stellte nochmals sehr
übersichtlich eine Reihe von Thatsachen zusammen.
Dass jeder Künstler eine bestimmte Farbenskala be-
vorzugt und zur Ergänzung derselben bestimmte
Farbenflecke einzufügen liebt. Als ein solcher Farben-
fleck sei z. B. auch der Schimmel in Wouwermann's
Bildern zu betrachten, der, lediglich um die Harmonie
des Werkes herzustellen, dem Künstler unentbehrlich
war. Er ging auch auf die Wirkung der jeweiligen
Umgebung, auf die Farben in der Natur und damit
auf die Art des Malers, sie zu sehen, ein; wie die
See kühles und helles Licht, breite Ströme scharfes
und klares, sumpfige und waldige Gegend ein dumpfes
Licht den Dingen geben und damit die Sehart der
ansässigen Künstlerschule auch beeinflussen.
Damit war das Programm des Tages erschöpft,
und Prof. Dietrichson konnte das Wort ergreifen, um
allen Anwesenden für ihre Teilnahme an den Arbeiten
des Kongresses zu danken und diesen zu schliessen.
Es folgte nach dem Frühstück ein Rundgang
durch die Amsterdamer Sehenswürdigkeiten, unter
denen besonders ein Besuch des Waisenhauses tiefen
Eindruck bei den Teilnehmern hinterliess. Es war einer
jener von neueren Malern so gern gegebenen, echt hollän-
dischen Vorwürfe. Am Abend vereinte ein Festmahl alle
Kongressmitglieder im Hotel Krasnapolsky. Dasselbe
verlief in 'der üblichen Weise und unter den üblichen
Trinksprüchen auf die liebliche Königin Wilhelmina,
die Königin Mutter, auf die Regierung, Vorstand,
Gastgeber u. s. w.
Am 2. Oktober versammelte man sich auf dem
Centraibahnhof, um in einem von der holländischen
Eisenbahn zur Verfügung gestellten Sonderzuge nach
Enkhuizen und Horn zu fahren. Wer holländische
Kleinstädte in ihrer behaglichen Sauberkeit, mit ihren
farbigen Ziegelbauten und ihrer feierlich ländlichen
Stille nicht kannte, erhielt hier die besten Eindrücke.
Besonders Horn mit seinem westfriesischen Museum,
das eine Reihe von Schützenstücken enthält, und dem
Stadthaus, sowie dem malerischen Hafenturm gefiel
allgemein. In Enkhuizen wurden besonders die Chor-
schranken der Westerkirche kritisiert, an der ohne
weiteres die Wirksamkeit zweier verschiedener Hände
zu konstatieren war. Der Blick vom Hafenturm zu
Enkhuizen über die in heller Mittagssonne ausgebreitete
Zuidersee und das über alle Beschreibung zauber-
hafte Farbenschauspiel des Sonnenuntergangs am
Hafen von Horn fügten ein paar unvergessliche Land-
schaftsbilder hinzu. So konnte bei dem am Schlüsse
alle vereinigenden Festmahle mit Befriedigung jeder
der Teilnehmer auf die an neuen Eindrücken und