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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0103

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Vorn Kunstmarkt.

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München. — Am Sonntag vor Weihnachten haben die
Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk am Maxi-
miliansplatz eine Verkaufs- und Ausstellungshalle eröffnet,
die unten aus einem Laden, im ersten Stockwerk aus einer
Flucht von Zimmern besteht. Die letzteren werden nach
und nach total wohnlich mit Zimmern (Salons, Schlafstube,
Küche 11. s. w.) eingerichtet. Riemerschmid hat die Treppe
entworfen, Pankok einige Räume mit originellen stilisierten
Tierfriesen versehen. Ein grosses farbiges Glasfenster von
Bruno Paul ist in einem Zimmer untergebracht, in einem
anderen hängt eine grosse Wanddekoration, eine Landschaft
von Schultze-Naumburg, die aber für diese Stubenverhält-
nisse zu mächtig gedacht und gemalt ist. Dieses Lokal lässt
übrigens deutlicher als die Ausstellungen im Glaspalast die
charakteristischen Mitarbeiter am Münchener modernen
Kunstgewerbe erkennen und macht die führenden Elemente
ersichtlich, allerdings teilweise mehr durch die Quantität als
durch Qualität. Riemerschmid und Pankok sind die Haupt-
möbelbauer, der letztere ist künstlerisch feiner und phan-
tasievoller als jener. Schultze-Naumburg ist mit ein paar
guten Sachen vertreten, einem Lesetisch und einem Küchen-
oder Korridorschrank. Beide Möbel sind gesund. Bartsch
bewahrt einen etwas trockenen Gleichmut, während Petrasch
wahre Orgien mit Form, Färbung und Beschlag feiert. Die
Möbelbauer sind damit zunächst erschöpft. Wanduhren in
Schwarzwälder Art von Ringer sind sehr zahlreich und gut
vertreten, neu und originell die hölzernen Pendulen von
Morawe; ebenso neu und durch Äusserung feinen Geschmacks
anregend sind Damenhüte von Fräulein Graf. Die Kleinplastik
vertreten gleichwertig v. Gosen, Frau Hartmann Burger und
Habig. Zur Kleinplastik gehören genau genommen auch die
Hand-, Wand- und Deckenleuchter in Elisen, Kupfer, Bronze,
Messing, dann die prachtvoll patinierten Gefässe von Berner,
die Tischglocken und Thürklopfer, dann die vielen Gefässe von
Wilhelm & Lind, Winhardt & Co. und Heinicken & Lohr.
Alle die bekannten Heider- und Läuger-Vasen sind natür-
lich auch zu sehen, sowie manche neue Töpferarbeit von
Schmuz-Baudiss. Endlich die Stickereien, die teils von
Obrist selbst, teils nach Entwürfen verschiedener von den
Vereinigten Werkstätten ausgeführt sind. Die Stickerei-
abteilung der letzteren verfügt jetzt über zahlreiches und
eingeschultes Personal, so dass ihre Leistungen sich ganz
bedeutend gehoben haben und schlankweg als gut bezeichnet
werden dürfen. Man prognostiziert dem neuen Schritt an
die Öffentlichkeit alles Gute, nur stösst man sich allgemein an
die in der That ungerechtfertigt hohen Preise.

0 Zu Ehren Adolf von Menzel's aus Anlass der kaiser-
lichen Auszeichnung durch Verleihung des Ordens vom
Schwarzen Adler hat der Verein Berliner Künstler am
9. Januar ein Festmahl veranstaltet, an dem etwa 200 Personen
teilnahmen. Das Hoch auf Menzel brachte A. v. Werner in
einer längeren Rede aus, in der er eine Charakteristik der
Menzel'schen Kunst entwarf. Der Gefeierte dankte mit einem
Hoch „auf die jetzige Zeit und die Männer der jetzigen
Zeit", die ihm neidlos so viele Ehren und Auszeichnungen
erwiesen. Als Abgesandter der deutschen Kunstgenossen-
schaft und zugleich des Wiener Künstlervereins war der
Bildhauer Prof. R. Weyr aus Wien erschienen, der ein Hoch
auf die deutsche Kunst ausbrachte. An den Kaiser, als „den
hohen Beschützer deutscher Kunst", wurde ein Huldigungs-
telegramm abgesandt.

VOM KUNSTMARKT.

Die Sammlung Leszczyc-Suminski in Tharandt. Vor
einigen Jahren wohnte ich der Versteigerung Doetsch in

London bei. Es waren im Katalog viele berühmte Namen
angeführt und alles mögliche gethan, um den Glauben zu
erwecken, dass es sich um eine der bedeutendsten Versteige-
rungen der Neuzeit handle. Bekanntermassen fiel die Sache
auf die grausamste Weise durch, die ersten*Bilder gingen
um ein paar Grochen sozusagen ab, Werke, deren Rahmen
500 M. gekostet hatten, wurden im ganzen für drei Guineen
losgeschlagen. Das Publikum kannte augenscheinlich die
Sammlung, deren „Juwelen" ihm höchst verdächtig vor-
kamen, und wohl um sich dafür zu rächen, dass ihm hier
das Reinfallen auf unechte Ware zugemutet werde, hatte es
nicht einmal Erbarmen für die paar guten Sachen. Als neu-
lich ein mehr begeisterter als kunstverständiger Freund auf
mich losstürmte mit überschwenglichen Reden von einer
beispiellosen Sammlung! herrlichen Erhaltung! vielen Mil-
lionen Wert! was denken Sie, — allein sieben Raphael's! —
da mahnte ich an die Sammlung Doetsch, und beruhigte
ihn mit der Versicherung, dass die Möglichkeit von sieben
bislang der Wissenschaft gänzlich unbekannten „Raphael's"
überhaupt nicht bestehe. Doch alles half nichts, ich musste
hinaus nach dem Schloss Tharandt, um die Sammlung Lesz-
czye-Suminski zu besichtigen! — Mit den „Raphaels" war
schon es, wie ich dachte, aber der Katalog weist auch
noch andere gute Sachen auf; z. B. 3 Giotto di Bon-
done, 3 Mantegna, 6 Lionardo da Vinci, 11 Allegri,
1 Hubert van Eyck, 3 Memlinc, 15 Rubens, 5 Hals, 6 Brou-
wer, 7 A. Cuyp, 4 Velasquez, 5 Dürer u. s. w. Auch die
Kleinkunstgegenstände, die Möbel, die Betten u. s. w. sind
inventarisiert. Unter Nr. 889 wird ein grosser Eichenholz-
Bücherschrank angeführt; der wird gleich „voll Bücher"
abgegeben. Weiter, Nr. 835 „Grosses Holz-Mosaik-Bild aus
Nizza (die drei Freunde Paolo Ucclo (sie), Giotto und
Brunalesci (sie) sind darauf), verfertigt von Architekt Bruna-
lesci, dem ersten Erfinder solcher Holzmosaiken, anno 1300!"
Dass nach einem Blick in den Katalog man es nicht
mehr nötig hat, die Sammlung selbst anzusehen, ist wohl
klar, und vielleicht verlohnte es sich auch nicht einmal der
Mühe, ein gedrucktes Wort darüber zu verlieren. Aber die
Nachlassverwaltung verbreitet auf geheimnisvolle Weise auf-
regende Kunde von dieserSammlung, ohneverräterischeEinzel-
heiten anzugeben, besonders aber ohne den Katalog an öffent-
liche Museen zu versenden, so dass erst vorgestern Berlinseinen
Abgesandten hergeschickt hat. Als Menschenfreund möchte
ich weiteren Abgesandten aber das Reisegeld und die Mühe
ersparen. Die Sammlung ist geradezu beispiellos schlecht.
Der Katalog wurde von irgend jemand ohne jede Korrektur
mit den Bezeichnungen, die der verstorbene Herr Graf ge-
geben hatte, verfasst. Der verstorbene Herr Graf ist aber
ein psychologisches Rätsel! Was er sich wohl gedacht
haben mag bei der Erwerbung von, nicht einmal Fälschungen,
nein, ganz miserablen neuen Kopien nach bekannten Bildern
(z. B. Wiener Allerheiligenbild von Dürer, Dame, die sich
die Hände wäscht, von Ter Borch, Dresden u.s. w.), möchte man
wissen! Solche Bezeichnungen wie Giov. Bellini, Madonna
(316h), Lionardo da Vinci, Trauernde Madonna (315h),
Allegri, Heilige Nacht (98b), D. Bouts, Maria und Magdalena
(411 i), Rubens , Urteil Salomonis (4a), Van Dyck, Mater
Dolorosa (199c), Murillo, Bischof Palafot (222d) und
hundert andere übersteigen einfach alle Begriffe. Von den
beinahe 500 Gemälden sind es höchstens 20, bei denen es
sich überhaupt lohnt, sie anzusehen. Mir fielen eine Land-
schaft von Hobbema (?) und ein Stillleben von Heeda auf,
doch will ich nicht gesagt haben, dass sie bei einer näheren
Prüfung unbedingt Stich halten können.

H. W. SINGER.
 
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