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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Winter, Franz: Der diesjährige Wettbewerb in den königlichen Museen in Berlin
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0122

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227

Kunstblätter.

228

dekorativ behandelte Arbeit. Der Berliner Torso ist
ihr weit überlegen durch die feinere Empfindung der
Arbeit. Er ist lebensvoller, künstlerischer. Der Unter-
schied, der an beiden Stücken in der Behandlung des
Nackten fühlbar ist, muss sich ebenso stark in der
Durchführung des Gewandes bemerklich gemacht
haben. Ein Hinweis auf die Venus von Milo zeigt
deutlich, wie dieser Unterschied zwischen künstlerischer
und dekorativer Arbeit zu verstehen ist. »Der Reiz
liegt in dem Gegensatz des nackten Körpers zum
derben oder scharfen Gewand, aus dem er weich und
geschmeidig herauswächst." Von diesem Reiz ist an
der vatikanischen Statue nichts zu spüren, der Berliner
Figur hat er sicherlich nicht gefehlt. Für die Er-
gänzung war in dieser Richtung der Weg ganz be-
stimmt vorgezeichnet. Es war eine schöne, lohnende
und sehr lehrreiche Aufgabe, lehrreich auch insofern,
als sie den Künstler darauf hinwies, an den erhaltenen
Werken aus den verschiedenen Epochen des Altertums
die Gewandbehandlung genau zu studieren und sich
ihre Entwicklung im Zusammenhange mit der Aus-
bildung der körperlichen Form klar zu machen.

Trotzdem ist die Beteiligung an der Konkurrenz
eine auffallend geringe gewesen. Nur fünf Ergänzungs-
versuche sind eingeliefert und keinem von ihnen ist
der Preis zuerkannt worden. Sie sind im Saal V der
Sammlung der Gipsabgüsse im Neuen Museum aus-
gestellt, zugleich mit dem Berliner Torso selbst und
mit dem Abguss der vatikanischen Statue. Von diesen
fünf Entwürfen sind zwei inder Ausführung ganz mangel-
haft. Von den übrigen dreien geht der Entwurf von
Tondeur, indem er die Statue vollständig ergänzt giebt,
über die eigentliche Aufgabe, wie sie gestellt war, hinaus
und ist mit Nichtberücksichtigung alles dessen aus-
geführt, was an Thatsächlichem über den ursprüng-
lichen Zustand der Figur nachweisbar ist. Tondeur
hat den Torso mit nacktem Unterkörper ergänzt.
Seine Figur hat ein schleierartiges Gewandstück in
der hocherhobenen rechten Hand und hält dieses
mit der linken Hand vor den Schoss, der Kopf ist
etwas aufwärts gewendet. Die Haltung des Kopfes
und der Arme erinnert an den in der erwähnten
Schrift S. LV abgebildeten Stich, der die alte Er-
gänzung aus Trevisani's Zeit wiedergiebt. Aber der
alte Ergänzer, der ohne Kenntnis der vorhandenen
Wiederholungen der Figur seinen Versuch machte,
hatte doch wenigstens an der Zurichtung des Torso
schon richtig erkannt, dass er auf einem bekleideten
Unterkörper gesessen haben muss.

Die beiden anderen Entwürfe, von Henszler und
v. Glümer, geben den Torso mit dem ergänzten
Unterkörper, dem Wortlaut der Aufgabe gemäss.
Der Entwurf von Henszler wirkt gut und harmonisch
in den Verhältnissen, aber der ergänzte Teil ist eine
fast unveränderte Übertragung des Unterkörpers der

vatikanischen Statue. Damit ist, wie oben ausgeführt
ist, die Aufgabe nicht gelöst. Entschieden und ernst-
haft auf das eigentliche Problem eingegangen ist nur
v. Glümer. Wenn seine Lösung nicht befriedigt, so
liegt das, abgesehen davon, dass er den Unterkörper
auffallend kurz und gedrungen genommen und da-
durch die Wirkung des Herauswachsens des Ober-
körpers bedeutend abgeschwächt hat, an dem Mangel
an Klarheit und Schärfe in der Gewandpartie. Die
Faltenberge sind zu massig, das Einzelne zu wenig be-
stimmt herausgearbeitet, und man vermisst ruhige
Flächen zwischen den bewegten Faltenlagen. Eine
Verwendung dessen, was ein sorgfältiges Studium der
Gewandbehandlung an Werken wie der Nike von
Samothrake, der Venus von Milo, des Pergamenischen
Altarreliefs dem Künstler lehren kann, würde dieser
Arbeit von grossem Nutzen gewesen sein.

Wie die Ausführung der ergänzten Partie, so
lässt auch die Tönung, die v. Glümer vorgenommen
hat, um den Gegensatz von Gewand und Körper zu
verstärken, die Zartheit und Feinheit vermissen, die
die antike Figur, nach der Arbeit des erhaltenen Torso
zu urteilen, in hohem Masse besessen haben muss.
Das Material wird gewiss nicht verschiedenartig —
v. Glümer hat das Gewand in Bronzeton, den Körper
in Marmorton gefärbt —, sondern für die ganze Figur
einheitlich gewesen sein.

Im anstossenden Parthenonsaal sind die beiden
neuen Entwürfe vom Kopf der Saburoffschen Bronze-
statue ausgestellt, die Begas und Peterich in Wieder-
holung ihrer vorjährigen Ergänzungsversuche ausge-
führt haben. Peterich hat die altertümlichen Züge
aus seinem früheren Entwürfe entfernt, zugleich sind
die Formen aber -allgemeiner und leerer geworden,
und der Kopf hat jetzt viel von dem Reiz und der
Einheitlichkeit verloren, die er vorher gehabt hatte.
Der Begassche Entwurf bietet gegen den alten wenig
neues. Das glückliche Zusammengehen des Kopfes
mit dem Körper in der Bewegung ist geblieben, es
wäre nun darauf angekommen, den Einzelformen, die
wenig bestimmt und, wie namentlich am Haar auf-
fallend, wenig sorgfältig behandelt waren, eine der
antiken Gestaltungsweise und im Masse der Durch-
bildung dem erhaltenen Körper entsprechendere Aus-
führung zu geben. Aber gerade das ist in dem neuen
Entwürfe unterlassen. FR. WINTER.

KUNSTBLÄTTER.

Kunsthistorische Gesellschaft für photographische Publi-
kationen. Vierter Jahrgang i8g8. — Diesmal ist es eine be-
sonders reiche Gabe, die den Mitgliedern geboten wird.
Auf 24 Tafeln entwickelt sich vor den Augen des Beschauers
die Thätigkeit eines bisher ganz unbekannten deutschen
Künstlers des 15. Jahrhunderts, des Hans Multscher von
Ulm, der in erster Linie Bildhauer, wahrscheinlich daneben
aber auch Maler war, der innerhalb der schwäbischen Schule
 
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