Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0167

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
317

Vermischtes.

318

dem Ende des 14. Jahrhundert) beglaubigt wäre, so würde
die Holzart, in der sie geschnitzt ist, und das Modell des
kleinen befestigten Bergstädtchens mit der bescheidenen
Kathedrale und dem hohem Campanile zu dem gleichen
Schlüsse führen. Geheimrat Lessing macht darauf aufmerk-
sam, dass gewisse Ornamente der Gewandung dem 13., andere
dem 15. Jahrhundert angehören. Das ist allerdings eine
Frage, in der der Direktor des Berliner Kunstgewerbemuseums
mitzureden hat; aber gerade als solcher kann er uns nur
bestätigen, dass an abgelegenen Plätzen, dass gerade in den
Gegenden, aus denen diese Figur stammt, die Stoffe
ihre alten Dekorationsmoiive Jahrhunderte lang erhalten
haben. Ob die teilweise Bekleidung von Kopf und Hals
mit lockigem Haar, Halskragen u. s. f. wesentlich später
oder überhaupt später war, als die Schnitzfigur, vermag
ich nicht zu entscheiden, da ich den Prozess der Ent-
puppung nicht habe verfolgen können. Ich möchte aber
darauf aufmerksam machen, dass das Quattrocento wie
das vorgeschrittene Trecento diese Anwendung von Werg
und von Leinwand, die mit feiner Kreide imprägniert
wurde, zur Herstellung ganzer Figuren, aber auch zur Ver-
vollständigung von geschnitzten Figuren gern benutzt hat.
Auch findet sich nicht selten Durchführung In Schnitzerei
und Bemalung unter dieser Bekleidung. Jedenfalls wirken
jetzt Hals und Kopf kahler und leerer als mit der Stuck-
bekleidung, und dasselbe gilt für die Beine, die kreuzweise
mit Bändern bebunden waren, während die Füsse Sandalen
trugen. Um ein Beispiel zu nennen, wie eine in das volle
Mittelalter zurückgehende bemalte Holzfigur aus Mittel-
italien in Wahrheit aussieht, verweise ich auf die Madonna
mit dem segnenden Kinde in unserem Berliner Museum, die
laut Inschrift im Jahre 1199 vom Presbyter Martinus für den
Abt des Camaldulenserklosters in Borgo San Sepolcro, Petrus,
angefertigt wurde. Andererseits braucht man nur Photo-
graphien der im vorgeschrittenen XIV. und im Anfang des
XV. Jahrhunderts an Centren der Plastik (besonders in dem
holzreichen Siena und Pisa) entstandenen Holzfiguren: der
Verkündigungsfiguren im Museum zu Lyon, einer Maria im
Louvre, der Verkündigung im Berliner Museum (leider jetzt
farblos), anderer Statuen in Pisa u. s. f. mit dieser von
Kaufmann'schen Kolossalfigur zu vergleichen, um sich zu
überzeugen, dass dieselbe nur ein abseits und verspätet
entstandener Spross der grossen italienischen Kunst sein kann.

Bode.

0 Die Angelegenheit Wallot-Stuck-Hildebrand, über
die wir in Nr. 18 der Kunstchronik in dem Artikel „Die
Kunst im Reichstage" eingehend berichtet haben, hat eine
neue Wendung genommen. Geh. Baurat Dr. Wallot hat
am 21. März dem Staatssekretär des Reichsamts des Innern
und dem Präsidenten des Reichstages die Erklärung zugehen
lassen, dass er von seiner Stellung als Leiter der Ausschmük-
kungsarbeiten zurücktrete. Diesen Entschluss war Wallot
sich selbst und der Würde der von ihm vertretenen Kunst
schuldig. Hatten ihn schon die Vorgänge in der Sitzung
vom 1. März über die im Reichstage gegen ihn vorherr-
schende Stimmung genügend aufgeklärt, so hat ihm wohl
eine abermalige Behandlung der Angelegenheit bei der
dritten Etatsberatung in der Sitzung vom 20. März den
letzten Zweifel genommen. Wiederum hatte der Staats-
sekretär darauf hingewiesen, dass der Vertrag mit Wallot
am 31. März ablaufe, und diesen Wink durfte Wallot in
seinem eigenen Interesse nicht missverstehen, wenn er auch
damit die Interessen der beiden von ihm herangezogenen
Künstler Stuck und Hildebrand preisgab. In der Sitzung
vom 21. März sind freilich drei Redner, die Abg. Freiherr

Heyl zu Hernsheim und v. Kardorff und der bayerische
Bundesratsbevolhnächtigte Graf Lerchenfeld zu Gunsten
Wallot 's eingetreten, und auch der Abg. Dr. Lieber, der die
ganze Erörterung hervorgerufen, verwahrte sich gegen die
Meinung, dass er Wallot habe beseitigen wollen. Er liess
aber deutlich durchblicken, dass in der Beurteilung des
Stuck'schen Gemäldes und der Hildebrand'schen Stimm-
zettelurnen „der ganze Reichstag, mit wenigen Ausnahmen"
hinter ihm stände. Auch zu Gunsten Stuck's haben sich
einige Redner ausgesprochen; insbesondere hat der Abg.
Schwarz aus München gegen die lieblosen Angriffe pro-
testiert, die Dr. Lieber gegen einen Abwesenden gerichtet
hat. Aus der ganzen Debatte ging aber unzweideutig her-
vor, dass die grosse Mehrheit allerdings mit den Arbeiten
der beiden Künstler nicht einverstanden ist. Was Stuck
betrifft, so hat sich dieser, wie auch in der Sitzung vom
20. März hervorgehoben wurde, zur Beseitigung der be-
sonders gerügten Mängel, namentlich zur Berichtigung der
Wappen und zur Entfernung einiger anstössigen Teile, be-
reit erklärt. Man wird also gut thun, von der Beurteilung
seiner Arbeit, die probeweise etwa zur Hälfte an der Decke
angebracht ist, vorläufig abzusehen. Nur so viel sei bemerkt,
dass der dekorative Gesamteindruck keineswegs so unbe-
friedigend und anstössig ist, wie man nach den Erörterungen
im Reichstag glauben sollte. Übrigens hat der Staatssekretär
nochmals ausdrücklich anerkannt, dass Wallot bei der Be-
stellung des Bildes völlig in den Grenzen seiner Kompetenz
gehandelt habe. Bei Hildebrand liegt die Sache jedoch
anders. Nach den Erklärungen des Staatssekretärs war in
der Reichstagsbaukommission beschlossen worden, zur Aus-
schmückung des Hauses Kunstwerke herstellen zu lassen,
die auf der Pariser Weltausstellung die Kunst und das Kunst-
gewerbe Deutschlands vertreten sollten, und dazu gehörten
auch die Stimmurnen. Es scheint nun, dass Hildebrand
durch diese Forderung bewogen worden ist, mehr auf
künstlerische Repräsentation als auf die praktische Bestim-
mung hinzuarbeiten. Denn es hat sich nach Einlieferung
der Modelle herausgestellt, dass die Urnen, die Hildebrand
auf grosse Würfel gestellt hatte, für die die Stimmzettel
einsammelnden Schriftführer nicht transportabel, also prak-
tisch unbrauchbar waren. Neben dieser Bemängelung
kommen die Angriffe, die gegen die Nacktheit der tragenden
Figuren gerichtet worden sind, nicht in Betracht. Hilde-
brand ist aufgefordert worden, neue Modelle einzureichen.
Man wird abwarten müssen, wie er sich zu dieser Aufforde-
rung verhalten wird. Das Scheiden Wallot's von seinem
stolzen Baue vor der Vollendung seiner künstlerischen Aus-
schmückung ist gewiss bedauerlich. Die wahrhaft herzer-
quickende und imponierende Teilnahme seiner Kunstge-
nossen wird ihn aber hoffentlich davor schützen, die Sache
so tragisch zu nehmen, wie es einst vor fast zweihundert
Jahren der von der Leitung seines Schlossbaues enthobene
Schlüter gethan hat. Viel bedauerlicher aber ist es, dass
eine interne künstlerische Angelegenheit, die in Kommis-
sionsberatungen bei gutem Willen zu friedlichem Ausgleich
hätte gebracht werden können, in die Öffentlichkeit gezogen
und damit dem uns feindlich gesinnten Auslande will-
kommener Stoff zu einer hämischen Kritik deutschen Kunst-
vermögens geliefert worden ist. — Nachdem obige Zeilen
geschrieben waren, wird aus München gemeldet, dass Pro-
fessor Stuck es abgelehnt habe, sein Deckengemälde nach
dem Wunsche der Reichstagsausschmückungskommission
abzuändern. Dieser Entschluss ist offenbar durch den
Rücktritt Wallot's verursacht worden, da Stuck sich früher
zu einer Änderung bereit erklärt hatte, wenn Wallot
 
Annotationen