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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Sammlungen und Ausstellungen.

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in der Farbe, überhaupt nüchterner. Ober Sisley habe ich
mich erst neulich hier ausgesprochen. Alles in allem hinter-
lässt die Ausstellung doch ein gewisses Gefühl des Unbe-
friedigtseins. Sie enthält — die Corot's ausgenommen —
mehr Elemente zu Bildern als eigentliche Bilder. — Die

Jahresausstellung der Pastellisten, die vor einigen Tagen bei
Georges Petit eröffnet worden ist, regt wieder die Frage an,
ob das Pastell in der Farbenwirkung mit dem Ölbilde wett-
eifern solle. Wenn man die faden Nachahmungen des
18. Jahrhunderts in der Ausstellung betrachtet, möchte man
die Frage bejahen; aber hätten andererseits die anderen

_ Künstler nicht vielleicht noch viel glänzendere Wirkungen
mit der Öltechnik erzielt? Der Gesamteindruck der Aus-
stellung ist nicht ungünstig, wenn auch weniger glücklich
als im Vorjahre. Aman-Jean, Besnard, Biloite, Helleu,
Me'nard sind mit trefflichen Werken vertreten. Dagnan-
Bouveret scheint völlig dem grünlichgelben Tone verfallen
zu sein, der uns seit langem bei Courtois abstösst; seinem
reizenden weiblichen Akte «Die Malerei" bleibt so alle
Wirkung versagt. — Bei Vollard sind Bilder, Studien und
Lithographien des mystisch-religiös veranlagten, jung ver-
storbenen Künstlers Dulac ausgestellt, des „einzigen Gläu-
bigen" unter den Malern der Gegenwart, wie ihn Huysmans
nennt. Am bedeutendsten erscheinen mir die Lithographien,
aber auch die anderen Werke verdienen Beachtung. Im
Aprilhefte der Gazette des Beaux-Arts ist eine Studie über
ihn erschienen. o.

A. R. Berlin. — Der im Herbst vorigen Jahres er-
öffnete Kunstsalon „Ribera" in der Potsdamerstrasse 20
bietet seit Mitte April vier Sammelausstellungen, von denen
man Notiz nehmen muss, wenn man den markantesten
Erscheinungen des Berliner Kunstlebens gerecht werden
will. Der Kunstsalon „Ribera" hat sich, wie Herr Willy
Pastor, der dieses neue Ausstellungslokal unter seine
litterarischen Fittiche genommen hat, in einem „Der Stil der
Moderne" betitelten, den Besuchern des Salons zugleich als
Führer dienenden Heftchen verkündet, „die Aufgabe gestellt,
soweit es in seinen Kräften steht, den Stil der Moderne zu
fördern. Er will es nicht im Sinne des übertriebenen van
de Velde-Kultus, der augenblicklich Mode ist, als vielmehr
dadurch, dass er den heimischen, noch unbekannten Künstlern,
die im Stil der Moderne thätig sind, freie Bahn verschafft".
Wer mit den Berliner Kunstverhältnissen auch nur ober-
flächlich vertraut ist, weiss, gegen wen und gegen welchen
anderen Kunstsalon die Spitze mit dem „übertriebenen van
de Velde-Kultus" gerichtet ist. An Übertreibungen bei der
Entdeckung „unbekannter, im Stil der Moderne thätiger
Künstler" hat es aber auch der Salon „Ribera" bisher nicht
fehlen lassen. Die Künstler, die er uns jetzt in Sammel-
ausstellungen ihrer Werke vorführt, gehören jedenfalls nicht
zu denen, deren Werke zu einer schätzbaren Bereicherung
des gegenwärtigen Bildes der modernen deutschen Kunst
beitragen oder die auch nur Ausblicke in eine erfreuliche
Zukunft eröffnen. Das gilt selbst von der interessantesten
und wertvollsten der vier Ausstellungen, der des in Weimar
thätigen Landschaftsmalers Friedrich Albert Schmidt, der
anfangs Schüler der Münchener Akademie unter Anschütz
und Diez gewesen war, dann aber in Florenz den für seine
Kunst entscheidenden Einfluss Böcklin's erfahren hatte. In
seinen nach italienischen Anregungen gemalten Idealland-
schaften schliesst er sich bisweilen so eng an Böckin an,
dass er sogar bekannte Motive des Meisters, wie z. B. das
Schloss am Meer, variiert. Nur im Kolorit, das auf den grau-
bräunlichen Ton der Münchener Landschafterschule zu An-
fang der siebziger Jahre gestimmt ist, unterscheidet er sich

von Böcklin. Darum wirken auch seine aus der Heimat,
besonders aus Bayern geschöpften Idyllen selbständiger,
frischer und erfreulicher als seine Nachahmungen. Solcher
Malerei aus zweiter Hand wird man schnell müde, und
diesen Oberdruss erwecken auch die Bildnisse und Interieurs
mit weiblichen Figuren in Öl und Pastell von Ferdinand
Melly in München, der hundertmal behandelte koloristische
und Beleuchtungsprobleme noch einmal abwandelt, ohne
mit einer neuen Entdeckung zu kommen. Er ist einer
der vielen Vertreter des Münchener Naturalismus, der,
solange er von wenigen geübt wurde, interessant war und
auch individuelle Reize bot, durch Massennachahmung aber
schnell manieriert und öde geworden ist. — Der dritte Aus-
steller ist der in Weimar lebende Holsteiner Christian Rohlfs,
von dessen seltsamen, nicht eigentlich im gewöhnlichen
Sinne gemalten, sondern gleichsam mit Pinsel und Spachtel
„aufgemauerten" Landschaften der Salon „Ribera" schon
früher einige Proben dargeboten hatte. Seinem Alter nach
— er steht im 50. Lebensjahre — ist Rohlfs keiner von den
jungen, die sich jetzt mit lautem Geschrei auf den Markt
drängen. Wir erfahren sogar, dass er schon Jahrzehnte vor
dem Auftreten des Impressionismus in Deutschland impressio-
nistisch gemalt hat, und da der Belgier A. Struys, der früher
längere Zeit als Lehrer an der Kunstschule in Weimar thätig
gewesen ist, den stärksten Einfluss auf ihn geübt hat, wissen
wir auch, von wem er sich die „patzende" Manier angeeignet
hat. Seele und tiefe Empfindung verraten seine winterlichen
und herbstlichen Waldlandschaften nicht. Sie lenken nur
durch ihre absonderliche Malweise die Aufmerksamkeit auf
sich, und solche derben Mittel versagen auf die Dauer bald
ihre Wirkung. Von dem vierten Aussteller, Heinrich tiübner,
weiss man von früheren Gelegenheiten wenigstens so viel,
dass er weitaus Besseres zu leisten im stände ist, als er hier in
gänzlich interesselosen „Entwürfen in Braun" und in einem
stumpfsinnigen Mädchen vor einem Gartenhintergrund mit
Sonnenblumen zur Schau gestellt hat. — Der zweite der neuen
Kunstsalons, der der Gebrüder Cassirer (Viktoriastrasse 35),
hat eine reichhaltige Ausstellung von Blättern französischer
und deutscher Zeichner veranstaltet, unter denen die be-
kanntesten Namen vertreten sind, freilich meist durch Ar-
beiten, die entweder durch Reproduktion schon bekannt
geworden sind oder durch solche, die über die Eigenart ihrer
Urheber kein neues Licht verbreiten. Zeichnungen von Menzel,
wie die hier ausgestellten, wird man freilich nicht müde,
von neuem zu sehen und zu bewundern. Die Originalzeich-
nungen zu Plakaten Cheret's und die Kreide- und Pastell-
studien von Degas nach abschreckend hässlichen, missge-
stalteten Balletteusen haben aber längst den Reiz der Neuheit
verloren und wirken durch ihre ewigen Wiederholungen
unsäglich monoton. Man begreift nicht, wie die sonst doch
so abwechslungslustigen Pariser daran immer noch ihre
Freude haben, und ebenso unverständlich ist es für uns
Deutsche, wie die groben Karikaturen eines Forain, von
denen übrigens keine in Berlin ausgestellt sind, in Paris
einen so grossen Erfolg finden konnten. Er lässt sich
nur aus dem auffallenden Mangel an witzigen Zeichnern
erklären, der zur Zeit im Lande der Gavarni, Grandville,
Daumier und Cham herrscht. Es ist keine nationale
Uberhebung, wenn wir sagen, dass es zur Zeit in Deutsch-
land mit satirischen und humoristischen Zeichnern ungleich
besser bestellt ist. Die Ausstellung bietet zahlreiche Be-
lege dafür in Blättern, die zum Teil durch die Münchener
humoristischen Zeitschriften („Fliegende Blätter", „Jugend",
«Simplicissirnus") veröffentlicht worden sind. Schlittgen,
Steub, E. Kirchner, R. Wilke, R. M. Eichler, B. Paul und
 
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