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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 10.1899

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Zimmermann, Ernst: Die japanische Abteilung der kgl. Porzellan- und Gefässsammlung zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5773#0266

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Die japanische Abteilung der Kgl. Porzellan- und Gefäss-Sammlung zu Dresden.

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auffallendsten japanischen Erzeugnisse eine Umsetzung
erfahren.

Dieser Irrtum war so entstanden: Die Aufstellung
der ostasiatischen Abteilungen beruht auf dem ersten
vorhandenen Inventare der Sammlung vom Jahre 1779.
Damals erhielt jedes Stück die jedem keramischen
Sammler bekannte eingeritzte oder aufgemalte Nummer
und das besondere Abzeichen seiner Klassifikation,
wie sie Franks in seinem Catalogue of a collection of
oriental porcelain and pottery bereits mitgeteilt hat.
Die Klassifikation erfolgte nach den vermeintlichen
Ursprungsländern oder auch nach der Grundfarbe,
z. B. nach Grün (Seladon), Blau, Rot. Fast alle in
Frage kommenden Porzellane erhielten auf diese Weise
ein Parallelogramm, das, wie das Inventar sagt, „alt-
indianisches " Porzellan bedeutet. Es ist dieselbe Be-
zeichnung, die Du Sartel in seinem Werke La porce-
laine de la Chine aus anderen alten Inventaren des
vergangenen Jahrhunderts für die in Rede stehende
Gattung mitgeteilt hat. Unter diesen Umständen ist
es kein Wunder, dass bei so unklaren Bezeichnungen,
bei der allgemeinen Begriffskonfusion, die im ver-
gangenen Jahrhundert über die ostasiatischen Länder
geherrscht hat, die mit dieser Bezeichnung belegten
Gegenstände sich mit der Zeit mehr und mehr von
Japan entfernt haben und in der chinesischen Ab-
teilung untergingen. China war damals doch in der
Phantasie der Menschen das eigentliche Hauptland
Ostasiens, von dem ebensoviel Schönes und Nütz-
liches, wie Wunderliches und Trödelhaftes nach Europa
gelangte. Trotz der ziemlich rätselhaften Bezeichnung
„japanisches Palais« lagen diese Verhältnisse in Dres-
den nicht anders als anderswo.

Die auf diese Weise neu organisierte japanische
Abteilung hat freilich ein anderes Ansehen erhalten,
als es heute ein moderner Kunstgelehrter einer solchen
Sammlung verleihen würde. Sie ist nichts weniger
als eine vollständige Darstellung dessen, was Japan
in der Keramik geleistet hat. Es fehlen so gut wie
ganz aus altem Bestände und konnten durch Neuer-
werbungen erst spärlich hinzugefügt werden gerade
diejenigen Erzeugnisse der japanischen Keramik, die
für uns vor allem ihr eigentlicher Inbegriff sind, die
Fayencen, Steinzeuge mit ihrer Emailmalerei und ihren
farbigen Glasurdecken. Vielleicht sind auch die rein
individuellen Erzeugnisse, die nur einmal gemachten, die
Erzeugnisse des „Künstlerhandwerks", nur sehr spär-
lich vertreten. Aber es handelt sich hier doch zum
Teil um keramische und künstlerische Erzeugnisse
hervorragender Qualität, die zu erwerben sich heute
kein Museum scheuen würde. Zugleich aber wird
ein solcher aus älterer Zeit überlieferter Bestand immer
als Regulator dienen, der, indem er eine Einseitigkeit
einer anderen entgegensetzt, den Ausgleich allgemeiner
Gerechtigkeit vermitteln hilft.

Doch herrscht auch hier, wie das folgende zeigen
wird, eine Mannigfaltigkeit vor, die sich zwar im
allgemeinen in einige klare Gruppen unterbringen
lässt, doch nur aber um zu zeigen, dass einige be-
sonders schöne Stücke mit diesen Gruppen nichts zu
thun haben. Und dann giebt doch auch die Bezeich-
nung des vergangenen Jahrhunderts „altindianisch«
sehr zu denken. Das Gros bilden natürlich die in
der Provinz Hizen, vorzugsweise in Arita angefertigten,
nach ihrem Ausfuhrhafen Imari-Porzellan benannten
Erzeugnisse, deren wichtigste und schönste Gruppe
Direktor Brinckmann in seinem Führer durch das
Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe
charakterisiert hat. „Sie lassen das weiche milchige
Weiss der Masse zu besserer Geltung kommen, als
die meisten ganz mit Malereien bedeckten Porzellane
der zweiten Gruppe. Nur wenig umfangreiche Male-
reien mit auf die farbige Glasur gebrannten Muffel-
farben, unter denen ein helles Blau, ein helles bläu-
liches Grün und das als Schmelzfarbe nicht verwendbare
Eisenrot vorherrschen, schmücken diese Porzellane."
Es muss hinzugefügt werden, was bisher nicht be-
achtet, von Du Sartel sogar geleugnet worden ist,
dass sich hier neben dem in der ganzen Keramik
einzig dastehenden kraftvollen Emailblau doch auch
bisweilen das Unterglasur findet, ja einmal sogar beides
zusammen an demselben Stück. Bei allen diesen Er-
zeugnissen, deren Zahl fast 200 beträgt, handelt es sich
ausschliesslich um Gebrauchsobjekte für den Japaner.
Sie stellen sich dar als grosse Cylindervasen und
grosse Deckelurnen, die aber sich zu keinem Satz
ergänzen, als Kürbisflaschen, Räuchergefässe, Deckel-
tassen, langhalsige Sakeflaschen, grosse und kleine
Schalen, daneben eine vielleicht als Vase verwendete
grosse Muschel und drei weisse, mit prächtigen Sattel-
decken versehene Elefanten, in denen man wohl
indisch-buddhistische Kultussymbole mutmassen darf.
Kein Gegenstand erscheint in einer nur für euro-
päische Verwendung denkbaren Form. Es fehlen
der Vasensatz, die Untertasse, selbst der Theetopf.
Das Bravour- und Glanzstück dieser Gruppe ist eine
56 cm breite, tiefe Schale, deren ausnahmsweise die
Fläche stark deckende Bemalung ebenso farbenprächtig
wie harmonisch ist.

Zu dieser Gruppe gesellt sich, vielleicht als die
interessanteste, eine zweite, die an Qualität jener ersten
gleichstehen dürfte, interessant, weil sie bisher so
gut wie unerkannt blieb. Nur Audsley und Bowes
bilden in ihrem Werke Keramic Art of Japan ein
Beispiel auf Tafel V ab. Sie ist auch hier nur klein,
I es handelt sich um etwa 30 Stück. Ihrer künstlerischen
Erscheinung nach gehört sie zu jener Masse japa-
nischer Kunsterzeugnisse, die im Gegensatz zu der
die Fläche nur belebenden Ornamentik das Ornament
als deckendes aufweist. Das Weisse des Porzellans
 
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