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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Seeck, Otto: Ein neues Zeugnis über die Brüder van Eyck, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0051

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Ein neues Zeugnis über die Brüder van Eyck.

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i paesi bassi zuerst Hubert's Namen nennt. Freilich
kann er über ihn nur die dürftige Notiz bringen:
A pari a pari di Giovanni andava Huberto suo fra-
tello, il quäle viveva et dipingeva continuamente sopra
le medesime opere insieme con esso fratello. Dies ist
der reine Unsinn; denn Hubert hat keineswegs immer-
fort an demselben Orte mit Jan gelebt und noch
weniger immer an denselben Bildern gemalt. Offen-
bar ist dies letztere weiter nichts als ungeschickte
Verallgemeinerung dessen, was in gewissem Sinne
für den Genter Altar galt, und hatte Hubert immer
mit Jan zusammen gemalt, so musste er freilich auch
mit ihm zusammen gelebt haben. Fragen wir nun,
wo Guicciardini seine sonderbare Weisheit her hatte,
so giebt er selbst uns Antwort, indem er ausführlich
erzählt, wie im Auftrage Philipp II. Michael Coxcie
das grosse Werk kopierte. Zu diesem Zwecke mussten
auch die Aussenseiten der Flügel, die, wie unserem
Münzer, so wahrscheinlich auch allen andern bis da-
hin verborgen waren,1) dem Maler zugänglich gemacht
werden. So hat er die Inschrift gelesen, und Guic-
ciardini, der gleichfalls zu Philipp II. in Beziehungen
stand und ihm sein Buch widmete, wird entweder
durch Coxcie oder auch durch den König erfahren
haben, dass Jan van Eyck noch einen Bruder Hubert
besass und auch dieser an dem Altarwerk thätig ge-
wesen war. Denn mehr als dies weiss er nicht. Seine
einzige Quelle ist also die Inschrift des Genter Altars,
und auch über diese besitzt er nur ungenaue Berichte.
Auf Guicciardini beruht dann alles, was Vasari in
seiner zweiten Ausgabe über Hubert zu sagen hat,
und wieder aus Vasari ist eine Chroniknotiz des Peter
Opmeer geschöpft. Nur weiss dieser dem früher Be-
kannten noch hinzuzufügen, dass Hubert der ältere
gewesen sei. Wahrscheinlich ist dies nur aus etwas
genauerer Kenntnis der Inschrift geschöpft. Denn
aus dem hohen Respekt, mit dem Jan hier von dem
Verstorbenen redete, musste man schliessen, dass dieser
vor jenem irgend einen Vorzug besessen habe, und
da man Hubert noch immer als blosses Anhängsel
seines berühmten Bruders behandelte, konnte das nur
der Vorzug des höheren Alters sein.

Je weiter wir dann zeitlich herabrücken, desto
mehr weiss man von den Brüdern zu erzählen. Schon
dies ist ein Zeichen dafür, dass die Berichte unserer
Quellen nur auf gelehrter Hypothese, nicht auf echter
Überlieferung beruhen. Denn diese müsste doch um
so reichlicher fliessen, je näher sie der eigenen Zeit
der Künstler steht, während thatsächlich das Umge-
kehrte der Fall ist. So kann uns dann Van Vaerne-
wyk, dessen Historie van Belgis 1574 erschien, schon
den Geburtsort der van Eycks nennen; aber auch
diese Notiz liess sich bei gutem Willen aus der In-
schrift schöpfen. Denn wenn hier Hubertus e Eyck
stand, nicht de Eyck, wie Jan zu signieren pflegte, so

1) Auch Dürer und Karel van Mander reden nur von
den Innenbildern des Altars, und der letztere hält Philipp
den Guten für den Stifter und will sein Bildnis mit denen
der Brüder van Eyck vereinigt auf der Richtertafel erkennen.
Die wirklichen Stifterbildnisse sind ihm also unbekannt
geblieben.

war diese ungewöhnliche Form zwar nur gewählt»
um nicht durch eine falsche Position das Metrum zu
stören; aber man übersetzte es mit »Hubert aus Eyck«
und hatte so durch eine freilich sehr anfechtbare Inter-
pretation für die Brüder Maaseyck als Heimat ge-
wonnen. Aus besserer Quelle stammte die Nachricht,
dass Hubert am 18. September 1426 gestorben sei.
Denn dies stand in seiner Grabschrift, die man erst
jetzt genauer beachtete und abschrieb, wodurch auch
uns ihr Wortlaut erhalten ist.

Unterdessen hatten auch die Küster von St. Bavo
erfahren, dass mehr als ein Maler an ihrem Altar thätig
gewesen sei. Es galt also jetzt, auch das Bildnis des
zweiten ausfindig zu machen, und dies wurde höchst
summarisch besorgt, indem man die auffälligste und
hervortretendste Gestalt der Richtertafel, auf der sich
ja auch Jans Porträt befinden sollte, kurzweg zum
Hubert van Eyck ernannte. Freilich war es sonst
ganz unerhört, dass das Malerbildnis so in den Vorder-
grund geschoben wurde; immer suchte man ihm ein
bescheideneres Plätzchen aus, wie dies bei dem wirk-
lichen Selbstporträt der Tafel ja auch zutrifft. Auch
hätte es auffallen müssen, dass die Brüder nicht un-
mittelbar nebeneinander standen, sondern zwei gleich-
gültige Figuren sich zwischen sie einschoben. Endlich
konnte der betreffende Kopf schon deswegen kein
Bildnis sein, weil er langes Haar trug und dieses zur
Zeit der van Eycks in der guten Gesellschaft ebenso
verpönt war, wie der unrasierte Bart. Aber wer
hätte sich am Ende des sechzehnten Jahrhunderts um
Kostümwidrigkeiten gekümmert? So stand es denn schon
damals fest, dass jene zwei Gestalten der Richtertafel
die Brüder van Eyck darstellten, und merkwürdiger
Weise hat man es bis auf den heutigen Tag geglaubt.
Aber freilich, wer hätte sich gegen eine so alte Tra-
dition auflehnen wollen? Erst der Reisebericht Münzer's
hat uns gelehrt, dass sie nach dem Ende des fünf-
zehnten Jahrhunderts entstanden ist und folglich gar
keinen Wert hat.

Die wortreiche Erzählung van Manders, die
immer noch als die Hauptquelle für das Leben der
beiden Brüder gilt, ist nicht viel mehr als eine Com-
pilation aus den Nachrichten der früheren Autoren,
; deren Ursprung wir eben betrachtet haben. Das ein-
zige Neue, was zugleich wohlbeglaubigt scheint, ist
die Angabe, dass die Künstler eine Schwester namens
Margarethe gehabt hätten, die gleichfalls Malerin war
und als alte Jungfer starb.1) Da hier von ihrem Lebens-

1) Sollte nicht der jetzt so viel besprochene Meister
I von Flemalle vielmehr eine Meisterin sein und Margarethe
van Eyck heissen? Die Zeit würde passen, da sein ein-
ziges datiertes Gemälde dem Jahre 1438 angehört. Zudem
scheint mir die ganze Art seiner Malerei entschieden auf
eine weibliche Individualität hinzuweisen. Man beachte
zunächst die grosse Liebe, mit der vor Allem das Stoff-
liche der Gewänder und ihr Faltenwurf studiert ist; ferner
die Neigung für das Stillleben, namentlich für die Dar-
stellung von Blumen; dann den gänzlichen Mangel an
mathematischem Verständnis, der sich in der ungewöhn-
lich schlechten Perspektive ausspricht; die recht flache
Charakteristik der männlichen Köpfe, ob sie Bildnissen
oder Idealgestalten angehören; endlich die höchst ge-
 
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