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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Schölermann, Wilhelm: Die internationale graphische Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs (Sezession) in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0057

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

HERAUSGEBER:

Professor Dr. Max Go. Zimmermann

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang.

1899 1900.

Nr. 7. 30. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt'; monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von h aasen-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE INTERNATIONALE GRAPHISCHE AUSSTEL-
LUNG DER VEREINIGUNG BILDENDER
KÜNSTLER ÖSTERREICHS (SEZESSION) IN
WIEN

von Wilhelm Schölermann

Am 15. November eröffnete die »Wiener Sezes-
sion < (wie sie nun einmal allgemein genannt wird)
ihre lange vorbereitete Ausstellung der vorwiegend
zeichnerischen Künste, wozu das Ausland in erfreu-
licher Weise reichlich beigetragen hat. Ganz streng
hat man es mit dem Ausdrucke »graphische Künste«
nicht genommen, indem auch einige Aquarelle,
kleinere Plastiken und kunstgewerbliche Objekte mit
ausgestellt wurden, was dem Gesamteindruck, durch
die angenehme Abwechslung im Arrangement, zu
gute kommt.

Die >mis en scene« ist wiederum, wie stets bei
den jungen Wienern, recht gut und geschmackvoll
ausgefallen. Das Hauptverdietist gebührt wohl dem
Architekten Prof. Josef Hofmann, der den Mittelraum
und mehrere der angrenzenden Nebenräume in ein-
facher und vornehmer Weise dekoriert hat; die Haupt-
farben sind, den auszustellenden Werken angepasst,
mattgold, mattsilber und gedämpftes grau-weisses Tuch.
Der Ausstellungskatalog enthält diesmal ein einleitendes
Vorwort zur Erläuterung der Prinzipien, nach denen
die Adaptierung der jeweiligen Räume für ihre be-
sonderen Zwecke vorgenommen wurde, und zugleich
eine recht lesenswerte Definition des Wortes »Zeich-
nung im weitesten Begriffe gefasst.

Die kleineren Räume wurden teils von Böhm,
teils von Moser dekoriert. Adolf Böhm hat ausser-
dem ein grosses fünfteiliges Glasfenster (für eine
Villa des Oberbaurats Otto Wagner bestimmt) aus-
gestellt, das durch seine schwungvolle Linienwirkung
und durchsichtige Leuchtkraft der Farben etwas Wärme
in die sonst kühltemperierte Stimmung der Schwarz-
Weiss-Künstc hineinbringt. Dieses Glasfenster ist
eine sehr hervorragende Arbeit, sowohl in künstle-
rischer wie in gewerblicher Hinsicht. Eigentümlich

und für sensitive Augen störend wirkt die Verwen-
dung von verschiedenartigem Glas zwischen den
Bleifüllungen, schlichtem und geriffeltem , wodurch
die ruhige Gesamtwirkung etwas leidet. Durch die
»geriffelten < Gläser hat man Terrain oder Gras an-
deuten wollen, was aber als keine glückliche Idee
bezeichnet werden muss. Bei derartigen Sachen
kommt es nämlich auf naturalistische Andeutungen
gar nicht an; es muss nur einheitliches Stilgefühl im
Ganzen herrschen. Dass einige Wolkenpartieu etwas
unschön gehäuft und klein in der Form erscheinen,
mag auf die technischen Schwierigkeiten, welche allzu
grosse Gläser zwischen den Bleifüllungen nicht ge-
stattet, zurückzuführen sein. Im ganzen ist die
Arbeit eine sehr beachtenswerte Leistung von selb-
ständiger Erfindung und Durchführung. Auf Böhm
als dekoratives Talent habe ich bereits bei den ersten
Ausstellungen der Wiener Sezessionisten hingewiesen.
Er hat eine Entwicklung -voll schöner Zukunft' vor
sich und wir werden noch viel von ihm zu erwarten
haben.

Ein anderes zeichnerisches aber weniger kunst-
gewerbliches Talent ist Ferdinand Andri, dessen
Pastelle aus dem galizischen Bauernleben bereits auf
der letzten Ausstellung Beachtung fanden. Diesmal
hat er wieder aus demselbsen Milieu herausgeschaffen,
wenn auch nicht mit ganz so viel Glück und Eigen-
art wie das erste Mal.

Hans Schwaigerhat einefarbige Tuschzeichmmg( Die
Astronomie«) und ein Aquarell ( Die Jagd nach dem
Glück«) ausgestellt.

Ungemein vorteilhaft ist Rudolf fettmar diesmal
vertreten. Er stellt neun Radierungen und zwei Serien
von phantastischen Landschaften (Kohlen- und Kreide-
zeichnungen) aus. Besonders in diesen Landschaften
kommt die ganze Eigenart des jungen Künstlers zu
einem klaren, erschöpfenden Ausdruck. Es sind stille,
traumhafte Bilder mit einem Zug ins Heroische,
Wilde, Schattenhafte. Man glaubt diese rein aus der
Einbildungskraft geschaffenen Felsenhöhlen und ur-
weltlichen Schluchten schon irgendwo gesehen zu
haben und doch zerrinnt diese Ähnlichkeit bei näherer
 
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