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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Lueer, Hermann: Fälschungen mittelalterlicher Kunstarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0193

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Professor Dr. Max Gg. Zimmermann

Verlag von e. a. seemann in Leipzig, Gartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang. 1899/1900. Nr. 24. 3. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur «Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, 430 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas en-
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

FÄLSCHUNGEN MITTELALTERLICHER KUNST-
ARBEITEN.

Es hat einen ganz besonderen Reiz mit Kunst-
fälschungen zu thun zu haben — wenn man sie nicht
selbst als echte Arbeiten erworben hat. Den Fälschern,
diesen raffiniertesten Technikern, zu zeigen, dass sie
doch nicht alles zu beseitigen wussten, was Zweifel
am Alter ihrer Erzeugnisse aufkommen lassen könnte,
gewährt eine hohe Befriedigung.

Formale Eigenheiten sind wohl in erster Linie
bestimmend, einen Kunstgegenstand als falsch oder
echt anzusprechen. Dieses Kriterium setzt jedoch die
grösste Erfahrung und Denkmalkenntnis voraus, sich
allein darauf zu verlassen, wäre für manchen in ern-
steren Fällen sehr gefahrvoll. Eine Menge von wich-
tigen Anhaltspunkten bei der Feststellung des Alters
bieten ausserdem die technischen Eigenschaften.

Der Erhaltungszustand einerseits, die mit dem
technischen Leistungsvermögen einer Zeit im Einklang
stehende Art der Herstellung andrerseits lassen am
ehesten ein sicheres Urteil fällen.

Die Zeit, der ein Gegenstand seinem Äussern nach
angehört, und seine Bestimmung, die eine besondere
Art der Abnutzung bedingt, sind der Kritik zu Grunde
zu legen.

Ein Zeitabschnitt, in dessen Art die Fälscher mit
besonderem Erfolg in den letzten Jahrzehnten ge-
arbeitet haben, ist das spätere Mittelalter. Arbeiten im
Kunsthandel, die die Verzierungsarten und Formen
dieser Periode aufweisen, sind eigentlich so lange als
falsch anzusehen, ehe nicht der Beweis der Echtheit
zuverlässig erbracht ist. In vielen Museen und Privat-
sammlungen finden sich erkannt oder unerkannt Fäl-
schungen, die angeblich dieser Zeit angehören. Ganz
besonders lehrreich wird die Fälscherarbeit, wenn es
ermöglicht ist, sie mit guten echten Stücken unmittel-
bar zu vergleichen.

Das Kestner-Museum in Hannover setzt uns in
die, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, glück-
liche Lage, die besten alten Leistungen neben den

nicht minder interessanten Werken der »schwarzen
Gesellschaft« studieren zu können1).

Auf den Erhaltungszustand als Altersmerkmal
soll hier nur kurz eingegangen werden, es ist bereits
oft genug darauf hingewiesen, inwiefern er bei
der Echtheitskritik zu Rate gezogen werden muss.
Künstliche oder absichtliche und zufällige Ver-
letzungen, Färbung, Vergoldung, Patinierung und
Art der Abnutzung durch den Gebrauch sind
mit aller Vorsicht zu prüfen. Ein ernster Verstoss
gegen das, was in diesen Punkten die Erfahrung lehrt,
ist unter Umständen allein entscheidend; die Fälscher
wissen das. Nur zu leicht aber schiessen diese Leute
über das Ziel hinaus. Es ist bei Metallgegenständen,

I die hier in erster Linie betrachtet werden sollen, doch
unendlich schwer, den ganz aufmerksamen Beobachter
zu täuschen. Die durch ein stetig wiederholtes Be-
greifen oder Verschieben hervorgebrachte natürliche
Abnutzung ist von einer Weichheit, die fast unnach-
ahmlich ist. Bei vergoldeten Gegenständen greift sich

I die Goldschicht allmählich durch, das Grundmetall
schimmert bisweilen nur durch. Bei der künstlichen
Abnutzung sieht man die feinen Kratzen des Schleif-
mittels, oder gar des Schabers. Die Goldschicht zeigt
besonders an Kanten, an den Stellen, wo der darunter
liegende Grund zu Tage tritt, unter der Lupe Zacken-
ränder, die das Schabeisen gerissen hat. Die natür-
liche Abnutzung ist am ganzen Gegenstande ziemlich
gleichmässig, am stärksten immerhin an den dem Be-
greifen besonders ausgesetzten Stellen. Die künstliche
Abnutzung ist unregelmässig, dicht nebeneinander
findet man oft Flächen, die noch die frischen Feil-
striche zeigen und stark abgenutzt aussehende. Auch
die glättenden Spuren des Polierstahls sind nicht all-
zuschwer erkennbar. Und wenn selbst mit dem

! Finger verriebene Schlemmkreide zum letzten Schlichten

: diente, man wird das Künstliche wahrnehmen, wenn
man über Einzelheiten nicht das Ganze vergisst. So
interessant gerade diese Arten des äusserlichen Alt-

1) Angeführte Nummern und Citate sind dem offiziellen
Kataloge dieses Museums entnommen.
 
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