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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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439

Ausgrabungen und Funde. — Sammlungen und Ausstellungen.

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AUSGRABUNGEN UND FUNDE
London. Ausgrabungen in Kreta. Die im Auftrage
der britischen Regierung von Mr. Arthur Evans und Mr.
D. O. Hogarth geleiteten Ausgrabungen haben günstige
Resultate geliefert. Die Genannten berichteten im Laufe
des April über den Fortgang ihrer Arbeiten folgendes:
Auf der Stelle des alten Knossos (Kephäla) wurden die
Grundmauern und Ruinen eines Palastes aus der Mykenae-
Periode entdeckt, der interessante Denkmäler aller Art aus
jener Epoche enthielt. Allem Anschein nach wurde eine
vollständige, d. h. in sich fortlaufende Serie von Thontafeln,
analog den babylonischen, welche sich im British Museum
befinden, zu Tage gefördert. Die mit kretischer Schrift be-
deckten Tafeln bildeten das Palastarchiv. Bei dieser Ge-
legenheit will ich bemerken, dass der Katalog jener Biblio-
thek, als welche man die babylonischen Tafeln ansieht,
kürzlich im Druck erschienen ist. Auf einer Wand der
Südfront des entdeckten kretischen Palastes befindet sich
ein grosses Freskogemälde, welches in ganzer Figur ein
junges Mädchen in mykenischer Tracht darstellt. In der
einen Fiand hält sie eine länglich geformte Vase. Die
beiden oben erwähnten Gelehrten versichern, dass hin-
sichtlich der Farbenpracht, der Anmut und Form der Figur
dies Werk alle ähnlichen bisher bekannten Funde aus der
mykotischen Epoche bei weitem übertrifft. s

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN

London. Während der hiesigen Saison wächst die
Zahl der Ausstellungen derart, dass es kaum noch mög-
lich wird, auch nur eine Übersicht derselben zu geben.
Zudem entstehen fast in jedem Jahre neue Gesellschaften,
die sich irgend einem Spezialzweige der Kunst widmen.
So bildete sich im vergangenen Jahre »The Pastel Society«,
die schon damals gute Arbeiten ausführte und in dieser
Saison nicht nur ihren Ruf bewährt, sondern womöglich
übertroffen hat. In dem »Royal Institute« in Piccadilly
findet zur Zeit eine Ausstellung von Pastellgemälden statt,
die uns in die beste Periode dieser Kunstbethätigung zurück-
versetzt und Erinnerungen aus der Dresdener Galerie wach-
ruft. Da die Ausstellung hier wirklich im grossen Stil ge-
halten ist, so fand sie so viel Beifall, dass das Bestehen
der Gesellschaft für lange Zeit gesichert erscheint. Meister-
werke ersten Ranges haben geliefert: Watts mit einem
Mädchenporträt, Professor Legros und Abbey durch cha-
rakteristische Porträtköpfe. Edward Stott, ein junger Maler,
scheint eine bedeutende Laufbahn vor sich zu haben und
bekunden seine Arbeiten einen sympathischen Anklang an
die besten Werke Millet's und L'Hermitte, die hier gleich-
falls leihweise ausgestellt sind, darunter »die Holzfäller«
und der Sturm«. Mr. Mac Cläre Hamilton hat zwei vor-
zügliche Porträts in annähernder Lebensgrösse ausgestellt.
Brabazon, J. Hennesy, Miss Barnard und Miss Flora Reid
sind tüchtige Pastellkünstler, ebenso der hier vertretene
Georg Clausen, von Glehn und Mark Fischer. Unter den
fremden Malern zeichnen sich besonders Fritz Thaulow und
Aumonier aus. Boughton lieferte hervorragend gute Ar-
beiten, darunter eine, wie sie ihm fast niemals besser ge-
lang. Schliesslich soll Marian Gemmel, der thätige Sekre-
tär der Gesellschaft, und seine Pastelle lobend erwähnt
werden. — »Die Aquarellgesellschaftt hat die Bilder und
Zeichnungen ihrer Mitglieder in der »Fine Art Society in
New-Bond Street ausgestellt. Die hier vorgeführten Werke
sind auch in diesem Jahre als recht bedeutende zu be-
bezeichnen. Da es aber nicht möglich ist, über alle be-
stehenden und nach Dutzenden zählenden Spezialausstel-
lungen zu berichten, obgleich mehrere derselben dies wohl
verdienten, so will ich in der genannten Ausstellung als

vorzüglichen Aquarellisten nur Mr. George S. Elgood her-
vorheben. Besonders auch deshalb, weil er sich einzig
und allein mit Aquarellieren beschäftigt und in dieser
Sonderkunst wiederum nur ein selbstgewähltes Spezialfeld
kultiviert. Er malt nämlich ausschliesslich altenglische und
altitalienische Gartenscenerien, in deren Wiedergabe oder
eigener Erfindung er ein wirklicher Virtuose genannt
werden muss. Die Möglichkeit, auf Einzelheiten einzu-
gehen, wird bei der Menge der Ausstellungen um so
schwieriger, da nicht nur Sommer- und Winterausstellungen
von denselben Gesellschaften veranstaltet werden, sondern
auch deshalb, weil viele Stadtteile von Lendon sich selb-
ständige Galerien errichten und in diesen gleichfalls Spezial-
vorführungen von Kunstwerken veranlassen. Ferner ist es
Sitte geworden, dass die Volksbibiiotheken, die »Public
Libraries , Ausstellungen zu Wege bringen, in denen viel
Material vorgeführt wird, das nur örtliches Interesse für
den betreffenden Stadtteil hat. Besonders gut kommt die
Lokaltopographie bei dieser Gelegenheit fort, da durch
Kupferstiche, Aquarellbilder und Zeichnungen, wichtiges
Material aus lokalpatriotischen Motiven zusammengeschafft
wird. Sobald die Aquarellausstellung in der »Fine Art
Society« geschlossen sein wird, kommt an ihre Stelle eine
nicht minder interessante, und zwar diejenige der Original-
zeichnungen und Entwürfe zum »Punch«. Da es mir ver-
gönnt war, dieselben bereits privatim zu besichtigen, so
will ich namentlich auf 160 Zeichnungen von Sir John
Tenniel aufmerksam machen. Unter diesen zeichnen sich
komische Figuren aus, die Lord Salisbury, Mr. Chamber-
lain und Balfour darstellen. Ersteren zeigt der Künstler
als Herkules, als römischen Krieger, als Ritter in der
Rüstung und wie er wirklich aussieht. Mr. Balfour wird
in den verschiedensten Verkleidungen gegeben, aber
seine Persönlichkeit bleibt immer erhalten. Wir sehen
ferner so ziemlich alle Monarchen der grösseren Staaten
und endlich auch Bismarck, zwar mitunter komisch, aber
doch immer mit einer gewissen Würde dargestellt. Bei
dieser Gelegenheit will ich auf das soeben von der »Times«
herausgegebene Werk: »Die ersten 50 Jahre vom Punch:
1841 — 1891« aufmerksam machen, das eine vollständige
Reproduktion nach den Originalplatten, ohne Änderung
und Abkürzung enthält. Den Schlüssel zu dem Gesamt-
werk giebt uns M. H. Spielmann in einem vorzüglichen
Buche, betitelt: Die Geschichte vom Punch«. Die sämt-
lichen Künstler, ihre Chiffern und Zeichen, sowie die Ent-
stehung vieler Blätter, werden mitgeteilt. Als Zeicfrner
sind namentlich zu erwähnen: Charles Keene, Leech, Gil-
bert, Du Maurier und Birket Foster. — Ausstellung in der
»New-Gallery«. Während die Akademie im Burlington-House
van Dyck vorführti, befasste sich die New-Gallery« vornehm-
lich mit den Vorläufern van Dyck's in den Niederlanden und
seinen britischen Nachfolgern. Von 20 Bildern, die unter
Rubens'Namenim Katalog stehen oder sonst mit seiner Flagge
sich zu decken suchen, sind 19 alte Kopien oder von
Schülern ausgeführt. Von den 40 hier ausgestellten Wer-
ken, die im Katalog Rubens« genannt werden, muss die
Hälfte etwa als unecht bezeichnet werden. Es genügt
z. B. die sechs prachtvollen Skizzen, die Geschichte des
Achilles darstellend, welche Mr. Smith-Barry geliehen hat
(111 116) mit ihren Nachbarn zu vergleichen, um die Diffe-
renz zu verstehen zwischen den Originalen des Meisters
und den Werken, bei welchen er höchstens einige Striche
gethan haben mag. Für das Studium bieten die vorhan-
denen 98 frühen flämischen Bilder im westlichen Saale
hohes Interesse dar. Die bedeutendsten sind: »Jungfrau
und Kind« von van Eyck (69) von Lord Northbrook ge-
liehen, Sir Francis Cook's Bild »Frauen bei der Grablegung«,
' ein äusserst kraftvolles Werk, das in den Figuren einem
 
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