Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Warncke, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [3]: die deutschen Maler. Die Plastik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0266

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
515 Die grosse Berliner Kunstausstellung. 516

Ioquuntur«, bei dem diese Teilung ziemlich unmoti-
viert und nicht recht erklärlich ist. Der Künstler hat
dem Bilde im Katalog eine fünf Zeilen lange Erläu-
terung hinzugefügt, aber wenn schon Steine sprechen,
so sollen Bilder so deutlich reden, dass sie keiner
Erläuterungen irgend welcher Art bedürfen. - Ernst
Bischof-Kulm hat zwei Bilder ausgestellt, einen Abend
am kurischen Haff«, der von recht bedeutender
stimmungweckender Wirkung und voll malerischen
Reizes ist. Letztere Eigenschaft fehlt leider dem
zweiten Bilde des Malers, dem Bildnis einer jungen
Dame, fast ganz, und das ist bei dem offenbar nicht
unbedeutenden Können des Künstlers um so erstaun-
licher, als er, wie es scheint, bei einem solchen Modell
ein höchst anziehendes Werk hätte schaffen können.
Das frische jugendliche Leben hat er nicht zu er-
fassen verstanden. Wie hoch überragt ihn in dieser
Hinsicht Wilhelm Müller-Schönefeld mit dem gross-
artigen »Bildnis der Frau St.«, das im Herbste
vorigen Jahres bei Keller & Reiner schon ausgestellt
war. Damals — in No. 2 der »Kunstchronik« -
ist dieses Meisterwerk bereits eingehend gewürdigt
worden, und es ist dem damals Gesagten hier nichts
hinzuzufügen als nur, dass diese Arbeit hier einen
noch weit bedeutenderen Eindruck macht, weil sie in
jenem Kunstsalon einen ungünstigen Platz erhalten hatte.
Hier erst übt das Bild seine volle künstlerische Wir-
kung, und man kann ohne Zweifel sagen, dass es zu
den weitaus besten Darbietungen der ganzen Aus-
stellung gehört.

Jene Bemerkung, dass Gemälde hier erst recht
zur Geltung kommen, die schon von Ausstellungen
in den Kunstsalons bekannt sind, habe ich schon
mehrfach machen müssen, und sie drängt sich gebie-
terisch immer wieder auf. So auch bei den einfachen,
vornehmen Porträts Carl Ziegler's, deren jedes die
Hand des bedeutenden Künstlers verrät, von denen
aber ganz besonders hervorgehoben zu werden ver-
dienen »Damenbildnis« und »Abendstimmung«. -

Von den Berliner Bildnismalern verdienen sonst
noch Erwähnung Käthe Miinzer, die den Stadtver-
ordnetenvorsteher Langerhans mit scharfer Charakte-
ristik gemalt hat, A. v. Brandis, der in seiner
Darstellung »Im Atelier« zugleich ein vortreffliches
Porträt und ein frisches, lebensvolles, gut abge-
töntes Interieur geschaffen, A. Johnson, der eine
Dame in ganzer Figur kraftvoll und anmutig auf-
gefasst hat und tüchtige Beherrschung der Farbe
offenbart, und Alfred Lange und Richard Lindmar,
deren Damenbildnisse durch ähnliche Vorzüge sowie
durch grosse Lebenswahrheit ausgezeichnet sind. —
Endlich aber noch einer unserer Besten, Max Koner.
Nur mit schmerzlichen Empfindungen können wir
heute seiner gedenken, dessen rastlose Hand nun aus-
ruht vom Schaffen. — In der Fülle der Kraft, kaum
46 Jahre alt, ist er uns vor wenigen Wochen, am
7. Juli, durch einen plötzlichen Tod entrissen worden,
er, mit dessen Namen ein Aufschwung der Bildnis-
malerei Berlins verbunden ist. Noch kürzlich ist er
für eins seiner meisterlichen Kaiserporträts im fremden
Land durch die höchste Auszeichnung, durch die

grosse goldene Medaille, geehrt worden und wer
hätte ihm, dem bei allen Erfolgen immer gleich
bescheidenen, immer freundlichen und immer hilfs-
bereiten Manne nicht diese Freude von Herzen ge-
gönnt! Er hatte keine Feinde und keine Neider, und
sein Andenken als Mensch und Künstler wird gleich hoch
in Ehren bleiben! — Was er als Künstler zu leisten ver-
mochte, dafür legen die Arbeiten, die er in der von ihm
geleiteten, grossen Kunstausstellung diesmal vereinigt hat,
wieder beredtes Zeugnis ab. Sein Bildnis des Regenten von
Mecklenburg-Schwerin, des Herzogs Johann Albrecht,
ist ein Werk von sprühender Lebenswahrheit, dabei
vornehm und schlicht in Farbe und Auffassung.
Nicht weniger meisterhaft sind die Porträts des Frei-
herrn von Huene, der Schwester Bismarck's, der Frau
von Arnim-Kröchlendorff, das des Dr. von Siemens
und das überaus anmutige der Angelina G. In
allen diesen Schöpfungen zeigt Koner, dass er dem
Wege, den er von Anfang an eingeschlagen hat,
bis zuletzt treu geblieben ist. Ihm war, im Gegensatz
zu dem ihn an Genie allerdings weit überragenden Franz
von Lennach, die einfache, schlichte, dabei stets liebens-
würdige Wiedergabe der Natur, auch in der Farbe,
die Hauptsache, und seine Bildnisse, die freilich nie
sehr in die Tiefe gehen, sind im grossen und ganzen
mehr Dokumente der äusseren Erscheinung, als des
innersten Lebens der Dargestellten. Er empfand nicht
monumental, wie jener grosse Münchencr.

Das eigentliche Historien-oder das Genrebild ist auch
unter den Berlinern in nur wenigen Exemplaren ver-
treten. Ein neuer echter und gerechter Knaus »Aus
dem alten Berlin«, der sich den besten des Meisters
würdig anreiht, verdient wegen seiner gemütlichen
Stimmung und Feinheit der Ausführung besondere
Erwähnung; das beste Historienbild aber, wenn
man es so nennen will, jedenfalls eines der bedeu-
tendsten Werke der Ausstellung, ist des Grafen Har-
rach »Christus klagend über Jerusalem«. Die Gestalt
des Heilands, der vom Ölberg herab die Stadt be-
trachtet, ist wundervoll in Auffassung wie Bewegung,
aber der eigentliche unwiderstehliche Reiz des Werkes
liegt doch in der wahrhaft grossartig erfassten Land-
schaft, die vom Strahl der scheidenden Sonne in
brennendes Licht getaucht ist. — Dettmann's grosse
Wandgemälde für das neue Rathaus zu Altona er-
füllen nicht die Erwartungen, die man nach den
Entwürfen und nach den sonstigen Leistungen des
Künstlers an sie zu stellen berechtigt war. Man kann
nur wünschen, dass sie an Ort und Stelle besser
wirken möchten, als hier im Ehrensaal. Hier fallen sie
besonders gegen Emile Wauters' bereits besprochenes
grosses Gemälde sehr ab; noch weit mehr freilich
die übrigen hier untergebrachten Bilder, vor allem
das zur Seite aufgestellte Schlachtenbild Carl Röch-
ling's »Angriff der Preussen bei Hohenfriedberg«,
das in der Farbe ganz verfehlt erscheint. Dieses
Grün muss geradezu giftig genannt werden, dabei
wirkt die Scenerie luftlos und unruhig, und es fehlt
dem Bilde jeder malerische Reiz. —

Wie unendlich hoch stehen die Soldatenbilder des
1 Stuttgarters Robert Hang über den Arbeiten des Ber-
 
Annotationen